Bischof wirft Vatikan Untätigkeit im Missbrauchsfall Vangheluwe vor
Bischof Johan Bonny übt massive Kritik am Umgang seiner Amtsvorgänger im belgischen Episkopat und am Vatikan im Umgang mit Missbrauch. Der Bischof von Antwerpen äußerte sich im flämischen Fernsehsender VRT nach der Ausstrahlung einer vierteiligen Dokumentationsreihe zu Missbrauch in der belgischen Kirche. "Ich werfe ihnen vor, dass sie es nicht in Ordnung gebracht haben. Das macht mich wütend", sagte er in einem Fernsehinterview über die Bischofsgeneration vor ihm. "Ich gehöre zu der Gruppe von Bischöfen, die um 2009 ernannt wurden. All diese Fakten stammen aus der Zeit vor meiner Zeit", sagte er zu den in der Dokumentation geschilderten Fällen: "Ich bin eigentlich kein Priester geworden, um das aufräumen zu müssen. Wie auch immer, wir müssen Verantwortung übernehmen und tun es auch."
Konkret warf Bonny dem mittlerweile verstorbenen Brüsseler Kardinal Godfried Danneels massive Versäumnisse in seiner Amtsführung vor. Daneels hatte versucht, die Offenlegung von Missbrauch durch den Bischof von Brügge, Roger Vangheluwe, bis nach dessen Emeritierung zu verschleppen. Vangheluwe hatte später selbst eingeräumt, jahrelang seinen Neffen sexuell missbraucht zu haben und reichte 2010 sein Rücktrittsgesuch ein, das von Papst Benedikt XVI. binnen Stunden angenommen wurde. Der Neffe wandte sich an Daneels, der ihn aufforderte, bis zur Emeritierung des Täters zu schweigen. Von dem Gespräch existiert eine Tonbandaufzeichnung. 2011 gestand Vangheluwe den Missbrauch eines weiteren Neffen.
Geständiger Missbrauchstäter nicht aus dem Priesterstand entlassen
Bonny zeigte sein Unverständnis, dass der mittlerweile 86-jährige nicht aus dem Priesterstand entlassen wurde. Vangheluwe lebt in einem Kloster in Frankreich und hat vom Vatikan die Auflage erhalten, sich nicht in Belgien aufzuhalten. Der emeritierte Bischof lehnt ab, um seine Entlassung aus dem Klerikerstand zu bitten. "Wir haben ihn selbst gebeten, sein Amt niederzulegen, und haben Rom mehrfach darum gebeten, zuletzt im November letzten Jahres", sagte Bonny. "Aber auch dort bekommen wir keine Antwort und das macht uns wütend." Vangheluwe habe die Bischofskonferenz um "Zeit zum Nachdenken" gebeten. Bonny erwartet bald eine Antwort: "Aber wenn er es nicht selbst tut, muss Rom etwas unternehmen."
Das flämische öffentlich-rechtliche Fernsehen strahlt seit Anfang September die Reihe "Godvergeten" ("Gottvergessen") aus, in der Betroffene ihre Geschichte erzählen. Die Dokumentation hat in Flandern eine Debatte über den Umgang mit der Kirche ausgelöst. Führende Politiker forderten einen Untersuchungsausschuss. Der Justizausschuss der belgischen Abgeordnetenkammer berät in der kommenden Woche über eine Einrichtung. Bundesjustizminister Vincent Van Quickenborne strebt an, als Missbrauchstäter überführte Geistliche nicht mehr aus Steuermitteln zu bezahlen; das Gesetz sieht in Belgien vor, den Klerus aus staatlichen Mitteln zu finanzieren.
In einer ersten Reaktion zeigten sich die flämischen Bischöfe nach der Ausstrahlung der ersten Folge tief betroffen. "Wir schätzen die Opfer dafür, dass sie den Mut hatten, ihre Geschichte zu veröffentlichen. Wir haben Mitgefühl mit ihnen und verstehen ihre Wut und Frustration bis zum heutigen Tag. Was auch immer die Kirche tut, es kann ihr Trauma und ihr Leid nicht ungeschehen machen", heißt es in der Erklärung. Zugleich betonten die Bischöfe, dass sie in den letzten Jahren viele Schritte unternommen habe, um auf Betroffene zu hören und sie anzuerkennen. Es gebe aber noch viel zu tun. 2019 hatte die Belgische Bischofskonferenz einen Bericht über Missbrauch in der Kirche veröffentlicht. (fxn)