Keine Reform der Anerkennungsleistungen – eine verpasste Chance
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Das Verfahren, mit dem die katholische Kirche Missbrauchsbetroffenen Geldleistungen in Anerkennung des erlittenen Leids zuerkennt, ist schneller und niedrigschwelliger, als vor Gericht Schadenersatz zu erstreiten. Es greift auch dann, wenn Taten verjährt sind, und die Taten müssen nicht gerichtsfest und zweifelsfrei bewiesen werden. Das ist gut.
Das bedeutet aber nicht, dass das Verfahren nicht besser werden kann. Bei der Vollversammlung der Deutschen Bischofskonferenz (DBK), die gestern zu Ende ging, konnten die Bischöfe sich nicht dazu durchringen, die vom Betroffenenbeirat bei der DBK vorgeschlagenen Veränderungen am Verfahren umzusetzen. Trotz der niedrigen Beweisschwelle, die Betroffene in ihren Anträgen überschreiten müssen, ist das Verfahren nach Ansicht der Betroffenenvertreter zu belastend. Sie haben vorgeschlagen, zunächst eine Zuordnung in ein dreistufiges System von Grundpauschalen vorzunehmen. Erst in einem zweiten Schritt sollte dann ein individuelles Prüfverfahren erfolgen. Vielen Betroffenen hätte damit eine traumatisierende erneute detaillierte Befassung mit dem Unrecht erspart werden können, das ihnen angetan wurde. Schließlich hatte der Beirat gefordert, das erst kürzlich eingeführte Widerspruchsverfahren zu verändern und Betroffenen dafür einen Rechtsbeistand zu finanzieren. Schriftsätze aufzusetzen, so einfach und unbürokratisch das Verfahren auch gestaltet wird, ist für Ungeübte anspruchsvoll, Rechtsbeistand teuer, und jeder neue Schriftsatz birgt die Gefahr weiterer Retraumatisierung.
Die Bischöfe haben anders entschieden: Dass mit dem Kölner Schadensersatzurteil künftig automatisch die Höhe der Anerkennungsleistungen steigen werde, genügte ihnen schon als Begründung für die Ablehnung. Das System wird damit durch sein gesellschaftliches Umfeld aktualisiert, eine Reform aus eigener Kraft unterbleibt. Eine wirkliche Begründung, warum der Vorschlag des Betroffenenbeirats abgelehnt wurde, fehlt.
Die Höhe der Leistungen ist das eine. Ein Verfahren, das Retraumatisierungen möglichst reduzieren will und die antragstellenden Betroffenen stärker und unabhängig unterstützt, hat mit der Höhe des Leistungsniveaus nichts zu tun. Die Vorschläge des Betroffenenbeirats waren maßvoll und pragmatisch, und vor allem: aus der Erfahrung der Betroffenen selbst gespeist – genau dafür haben sich die Bischöfe eigentlich einen Beirat zur Seite gestellt. Der Beirat hat seine Aufgabe erfüllt. Den Rat umzusetzen, wäre die Aufgabe der Bischöfe gewesen.
Der Autor
Felix Neumann ist Redakteur bei katholisch.de und Mitglied im Vorstand der Gesellschaft Katholischer Publizistinnen und Publizisten (GKP).
Hinweis
Der Standpunkt spiegelt ausschließlich die Meinung der Autorin bzw. des Autors wider.