Türkischer Staatspräsident eröffnete erste offiziell gebaute Kirche in Istanbul

Eröffnung neuer Kirche in Türkei: Erdogan als toleranter Staatsmann?

Veröffentlicht am 14.10.2023 um 12:00 Uhr – Von Mario Trifunovic – Lesedauer: 

Istanbul ‐ Eine von Grund auf neu gebaute Kirche für die christliche Minderheit in der Türkei? Eine Seltenheit. Nach Ansicht des Türkei-Experten Timo Güzelmansur nutzt Erdogan den Kirchenbau, um sich als toleranter Staatsmann darzustellen.

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Die Bewertung des Theologen und Türkei-Experten Timo Güzelmansur ist eindeutig: Der türkische Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan hat sich am vergangenen Wochenende bei der Eröffnung der syrisch-orthodoxen Kirche Mor-Ephrem in Istanbul als "toleranter Staatsmann" gezeigt. Im Beisein von türkischen Politikern und zahlreichen Spitzenvertretern der christlichen Kirchen, wie dem orthodoxen Ökumenischen Patriarchen Bartholomaios, dem vatikanischen "Ökumene-Minister" Kardinal Kurt Koch oder dem armenisch-orthodoxen Patriarchen Masalyan sprach Erdogan über Toleranz und Solidarität, betonte das Verbindende der monotheistischen Religionen und vermittelte die Botschaft, dass seine Politik nicht nur für die muslimische Mehrheit, sondern auch für die christliche und jüdische Minderheit gelte.

Die Eröffnung der Mor-Ephrem-Kirche passte daher gut ins Programm des türkischen Staatsoberhauptes, vor allem angesichts der aufgeheizten Stimmung und der aktuellen Kriegssituation im Nahen Osten. Er habe die Gelegenheit genutzt, sich als Politiker zu zeigen, der andere Religionen toleriere, so Güzelmansur gegenüber katholisch.de. Der Islamexperte fügte hinzu, Erdogan sende die Botschaft nach außen, "dass die Türkei und er als Präsident die Garanten dafür sind, dass die Menschen im Land friedlich zusammenleben."

Druck auf Minderheiten

Das Verhältnis des türkischen Staates zum Christentum hat jedoch immer wieder zu Kritik geführt. Zuletzt waren Erdogan und seine islamisch-konservative AKP dafür kritisiert worden, die Türkei islamisieren zu wollen. Anlass dafür war unter anderem die Rückumwandlung der Hagia Sophia in eine Moschee. Im 6. Jahrhundert wurde das Gotteshaus zunächst als christliche Basilika erbaut, seit der Eroberung Konstantinopels durch die Osmanen 1453 kam es allerdings zur Umwandlung in eine Moschee. Nach der Gründung der türkischen Republik wurde die einstige Basilika dann ein Museum. Auch die UN-Kulturorganisation Unesco äußerte damals "große Besorgnis". Neben anderen Umwandlungen von christlichen Kirchen in Moscheen seien Christen und andere Minderheiten in der Türkei regelmäßig politischem Druck ausgesetzt gewesen. Deshalb sei es in den vergangenen Jahrzehnten immer wieder zu einem Exodus der Christen gekommen.

Bild: ©katholisch.de

Timo Güzelmansur ist Leiter der Christlich-Islamischen Begegnungs- und Dokumentationsstelle (CIBEDO).

Heute leben noch etwa 100.000 bis 130.000 Christen in der Türkei. Davon gehören mehr als 17.000 der assyrischen Gemeinde an, die in Istanbul seit langem keinen geeigneten Ort für ihre Gottesdienste hatte. Durch die innertürkische Migration in die Großstädte der Türkei entstand vor allem für die große syrische Gemeinde der Bedarf nach einem neuen Sakralraum, da die aus dem 19. Jahrhundert stammende Kirche im Stadtteil Tarlabasi in Beyoglu längst zu klein geworden war. Vor diesem Hintergrund wurde mit Genehmigung der Regierung die Mor Ephrem Kirche für ca. 750 Gläubige gebaut. Neben dem eigentlichen Kirchenraum gibt es zwei Obergeschosse, die als Versammlungsräume genutzt werden können, insbesondere nach Gottesdiensten, Taufen oder Hochzeiten. Präsident Erdogan persönlich legte den Grundstein für den Neubau im Jahr 2019.

Rechtlich gebe es in der Türkei keine Hindernisse für den Bau neuer Kirchen, sagte Güzelmansur. Vielmehr handele es sich um politische Entscheidungen der lokalen Behörden und des Innenministeriums. So habe es auch in der Vergangenheit neue Kircheneröffnungen gegeben, wie die der koreanischen protestantischen Kirche, die dafür ein altes Gebäude in Staatsbesitz umbauen ließ. Das sei damals nicht so medienwirksam gewesen wie der jetzige Kirchenbau in Istanbul, der von Grund auf neu errichtet wurde und Erdogan eine willkommene Gelegenheit bot, sich in ein besseres Licht zu rücken.

Güzelmansur erhofft sich vom Neubau der syrisch-orthodoxen Mor-Ephrem-Kirche in Istanbul ein "positives Signal", das künftig als "Vorbild für andere Bauprojekte" in der Türkei dienen könne.

Von Mario Trifunovic