Jerusalemer Kardinal: Frieden durch Gewalt funktioniert nicht
Der Jerusalemer Kardinal Pierbattista Pizzaballa hat dem Konstrukt von Frieden durch Gewalt eine klare Absage erteilt. "Die anhaltenden schweren Bombardierungen, die Gaza seit Tagen erschüttern, werden nur noch mehr Tod und Zerstörung verursachen und Hass und Groll nur verstärken", schreibt der höchste katholische Würdenträger der Region in einem Hirtenbrief (Dienstag) an die Katholiken im Heiligen Land. Die Gewalt werde keine Probleme lösen, sondern vielmehr neue schaffen. "Es ist Zeit, diesen Krieg, diese sinnlose Gewalt zu beenden", so der Jerusalemer Patriarch.
Mit Blick auf die Terrorangriffe der Hamas auf Israel Anfang Oktober und die israelische Vergeltung schreibt Pizzaballa: "Seit über zwei Wochen werden wir mit Bildern des Grauens überschwemmt, die alte Traumata wieder erweckt, neue Wunden geöffnet haben und Schmerz, Frustration und Wut in uns allen explodieren lassen."
Er habe die Terrortaten der Hamas klar verurteilt, erinnert der Kardinal. Jedoch: "Das gleiche Gewissen, aber mit einer großen Last auf meinem Herzen, veranlasst mich heute, mit der gleichen Klarheit zu sagen, dass dieser neue Zyklus der Gewalt mehr als 5.000 Todesopfer nach Gaza gebracht hat, darunter viele Frauen und Kinder, Zehntausende Verwundete." Stadtviertel seien dem Erdboden gleichgemacht, es mangele an Medikamenten, an Wasser und an Grundbedürfnissen für mehr als zwei Millionen Menschen. Es handele sich um "Tragödien, die nicht verstanden werden können und die wir vorbehaltlos anprangern und verurteilen müssen", so der Patriarch.
Pizzaballa: Gerechtigkeit zu fordern, ohne Hass zu verbreiten, ist mutig
Der Kardinal weiter: "Nur wenn die jahrzehntelange Besatzung und ihre tragischen Folgen beendet werden und dem palästinensischen Volk eine klare und sichere nationale Perspektive gegeben wird, kann ein ernsthafter Friedensprozess beginnen." Solange dieses Problem nicht an der Wurzel gelöst werde, "wird es niemals die Stabilität geben, auf die wir alle hoffen". Pizzaballa fährt fort: "Die Tragödie dieser Tage muss uns alle, religiöse, politische, zivilgesellschaftliche und internationale Gemeinschaft, zu einem ernsthafteren Engagement in dieser Hinsicht führen als bisher." Nur so könnten weitere Tragödien wie die derzeitige vermieden werden. "Wir sind es den vielen Opfern dieser Tage und der vergangenen Jahre schuldig. Wir haben nicht das Recht, diese Aufgabe anderen zu überlassen", so der Kirchenmann.
Die Christen erinnert Pizzaballa, dass Christus am Kreuz nicht mit Waffen oder politischer Macht gesiegt habe; "er gewann die Welt, indem er sie liebte". Der Frieden, von dem Christus spreche, habe nichts mit dem Sieg über andere zu tun. "Den Mut zu Liebe und Frieden hier und heute zu haben bedeutet, nicht zuzulassen, dass Hass, Rache, Wut und Schmerz den gesamten Raum unseres Herzens, unserer Sprache und unseres Denkens einnehmen", führt der Kardinal aus. Es gelte, sich persönlich für Gerechtigkeit einzusetzen "und in der Lage zu sein, die schmerzhafte Wahrheit der Ungerechtigkeit und des Bösen, die uns umgibt, anzuprangern, ohne zuzulassen, dass es unsere Beziehungen verunreinigt". Pizzaballas Fazit: "Es erfordert Mut, Gerechtigkeit fordern zu können, ohne Hass zu verbreiten." (KNA)