Frankreich macht Homosexuellen zum Vatikan-Botschafter

Keine besten Freunde

Veröffentlicht am 09.04.2015 um 00:00 Uhr – Lesedauer: 
Diplomatie

Paris ‐ So richtige Freunde werden sie sicher nicht mehr - Frankreichs sozialistische Regierung und der Vatikan. Der Laizismus, also die strenge Trennung von Staat und Kirche, hat in Paris Verfassungsrang - und je nach Partei-Couleur lässt sich damit auch trefflich Politik machen. Der konservative Ex-Präsident Nicolas Sarkozy tat das mit dem Kopftuchverbot für Muslima - und der linke Amtsinhaber Francois Hollande macht eben einen offen homosexuell lebenden Mann zum Botschafter Frankreichs beim Heiligen Stuhl.

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Der 55-jährige Laurent Stefanini sei bereits am 5. Januar ernannt worden, berichten französische Medien, und sein Amtsvorgänger Bruno Jouvert habe seinen Amtssitz, die römische Villa Bonaparte, auch schon zum 1. März verlassen. Von einem Einzug Stefaninis dort ist freilich bislang nichts bekannt. Der Vatikan kann einen staatlich ernannten Botschafter jedenfalls ablehnen - und muss das auch nicht begründen.

Was die einen als eine "republikanische Finesse" des Elysee-Palastes bezeichnen und also als Erziehungsversuch mit dem feinen Florett werten, sehen andere schlicht als Provokation. Zu letzteren soll dem Vernehmen nach sogar Premierminister Manuel Valls gehören. Der Grenzverlauf in der schwelenden Angelegenheit ist allerdings nicht klar zu erkennen. Der Pariser Kardinal Andre Vingt-Trois etwa soll sich in einem Brief an Papst Franziskus für die Bestätigung Stefaninis verwandt haben.

Kardinal André Vingt-Trois ist Erzbischof von Paris.
Bild: ©dpa/Pascal Deloche

Kardinal André Vingt-Trois ist Erzbischof von Paris.

Werbung für "Die Priester" abgelehnt

Ausgerechnet zum höchsten Fest der Christenheit geriet dann neues Öl ins Osterfeuer. Während der Papst auf dem Petersplatz an Stadt und Erdkreis einen dringenden Appell zur Unterstützung der verfolgten Christen des Nahen Ostens richtete, kam in Paris eine Meldung besonders schlecht an: Die RATP, staatlicher Betreiber des öffentlichen Personennahverkehrs in Paris und Umgebung, lehnte eine Plakat- und Bandenwerbung der geistlichen Sängergruppe "Les Pretres" (Die Priester) ab - unter Verweis auf die Laizität. Das Konzert der singenden Geistlichen im renommierten "Olympia" am 14. Juni soll explizit "zugunsten der Christen des Orients" stattfinden.

Die Ablehnung durch die Pariser Verkehrsbetriebe stieß auf so viel Gegenwind, dass Premierminister Valls persönlich intervenierte. "Stoppt die fruchtlosen Debatten. Lasst uns lieber die Christen des Ostens unterstützen, die Opfer terroristischer Dunkelmänner sind." Diese Twitter-Botschaft - vermutlich flankiert von einem Anruf bei der RATP - genügte, um ein Einlenken zu erreichen. Die Plakate dürfen nun auf Busse, Züge und in U-Bahn-Stationen.

Ein Sprecher des Unternehmens erläuterte, man habe "nicht Konfliktpartei werden" wollen. Es gehe nicht um Zensur oder darum, "den Völkermord an den Christen des Ostens infrage zu stellen". Doch man öffne in gewisser Weise die Büchse der Pandora: "Was machen wir beim nächsten Mal, wenn ein Konzert zugunsten der Palästinenser oder der Hamas stattfindet?"

Spannungsfeld zwischen Laizität und Laizismus

Der Pariser Kardinal Vingt-Trois nahm die Osteraffäre zum Anlass, vor einer schleichenden "Eliminierung aller Religionen aus dem öffentlichen Leben" zu warnen. Viele laizistische Forderungen kämen im Gewand von Antiislamismus und Antisemitismus daher, so Vingt-Trois. Diese Tarnung werde aber nicht eingestanden - und sie bleibe nicht ohne Auswirkungen auf das Christentum. Als Beispiele für um sich greifende "Verirrungen" nannte der Kardinal die jüngsten "müßigen" Diskussionen über Weihnachtskrippen in öffentlichen Gebäuden und über Halal-Menüs in Schulkantinen.

Das Spannungsfeld zwischen Laizität und Laizismus: Nutzt der französische Staat seine weltanschauliche Neutralität, um freie Religionsausübung positiv zu schützen und zu begünstigen? Oder definiert er den öffentlichen Raum tendenziell als frei von religiösem Bekenntnis? Die teils widersprüchlichen Urteile französischer Gerichte etwa zum Tragen religiöser Symbole spiegeln die gesellschaftliche wie behördliche Verunsicherung wider. Inzwischen muss sich scheinbar schon der Premierminister um die Werbung für ein Hilfskonzert kümmern.

Von Alexander Brüggemann (KNA)