Rechtskräftig: Petrusbrüder-Prozession durfte nicht verboten werden
Der Kanton Genf durfte eine Fronleichnamsprozession der Petrusbruderschaft (FSSP) nicht verbieten. Das Schweizer Bundesgericht hat in einem jetzt veröffentlichten Entscheid (Aktenzeichen 2C_285/2023 vom 13. September 2023) eine Beschwerde des Kantons gegen eine Entscheidung der Verwaltungskammer des Genfer Gerichtshofs zurückgewiesen. Damit ist der Rechtsweg ausgeschöpft und die Entscheidung rechtskräftig. Der Kanton Genf darf damit die Fronleichnamsprozession nicht verbieten, da ansonsten die Glaubensfreiheit eingeschränkt würde.
Auf Anfrage zeigte sich der Anwalt der Petrusbruderschaft, Steve Alder, erfreut und bezeichnete die Entscheidung als wichtigen Fortschritt für den Kanton Genf. Relevanz habe sie vor allem in dem besonders laizistischen Kanton, die Ausführungen zur Religionsfreiheit strahlten aber auf die ganze Schweiz aus. Die Entscheidung dürfe aber nicht überbewertet werden: "Sie kann nicht so interpretiert werden, dass sie generell und unter allen Bedingungen jede kultische Veranstaltung auf öffentlichem Grund erlaubt. Die zuständige Behörde kann sie nach der von ihr vorzunehmenden Interessenabwägung immer noch verbieten, wenn dies aus polizeilichen Gründen (öffentlicher Verkehr, öffentliche Sicherheit, öffentliche Ruhe usw.) gerechtfertigt ist", erläuterte Alder.
2022 hatte Genf unter Verweis auf das kantonale Laizitätsgesetz Fronleichnamsprozessionen der Petrusbruderschaft und der Piusbruderschaft (FSSPX) untersagt. Beide Gemeinschaften hatten gegen das Verbot geklagt. Ende März hob die Verwaltungskammer das Verbot des Kantons auf, da es nicht verhältnismäßig sei. Die Größe der Prozession stelle kein Sicherheitsrisiko dar, die Gefühle anderer Menschen würden nicht verletzt. Der Klage der Piusbrüder dagegen wurde nicht stattgegeben. Die Piusbruderschaft hatte im April mitgeteilt, dass sie gegen die Ablehnung beim Bundesgericht Berufung eingelegt hat. Der Schweizer Distrikt der Piusbruderschaft teilte auf Anfrage mit, dass der Rekurs immer noch vor dem Bundesgericht anhängig sei.
Piusbruderschaft ohne offizielle Beziehungen zum Kanton
Der Anwalt sieht in der nun ergangenen Entscheidung keine Auswirkungen auf Religionsgemeinschaften, die keine offiziellen Beziehungen mit dem Staat haben. Dies betrifft neben der Piusbruderschaft noch eine weitere klagende Gemeinschaft. "Solange das Bundesgericht seine beiden Urteile noch nicht gefällt hat, können sich in Genf nur die Religionsgemeinschaften, die die Verpflichtung gemäß Laizitätsgesetz unterzeichnet haben, auf das Urteil berufen, das ich für die Fronleichnamsprozession erwirkt habe", so Alder weiter. Nur wenn das Bundesgericht im Sinne der Piusbrüder entscheiden würde, könnten sich alle Religionsgemeinschaften auf das Urteil berufen, unabhängig von ihrem Verhältnis zum Kanton.
Die Petrusbruderschaft gehört als katholische Gemeinschaft zu den drei im Kanton staatlich anerkannten Religionsgemeinschaften. Zwischen der Piusbruderschaft und dem Kanton bestehen keine offiziellen Beziehungen, da sie die Selbstverpflichtung auf Grund- und Menschenrechte sowie Achtung des Religionsfriedens nicht unterzeichnet hat, die in den Ausführungsbestimmungen zum Laizitätsgesetz als Voraussetzung für offizielle Beziehungen zum Staat gefordert wird. "Wir hoffen, dass das Urteil bezüglich der FSSP als Präzedenzfall dienen wird, aber ein Unterschied bleibt bestehen: Die FSSPX weigert sich, die Charta des Kantons Genf über den Laizismus zu unterzeichnen", betonte der Sprecher der Piusbruderschaft.
Das 2019 in Kraft getretene Laizitätsgesetz ist besonders streng und verpflichtet den Staat auf umfassende Neutralität. Religiöse Veranstaltungen dürfen laut Gesetz grundsätzlich nur auf Privatgrundstücken und nur in Ausnahmefällen und mit gesonderter Genehmigung auf öffentlichem Grund stattfinden.
Die Priesterbruderschaft St. Petrus wurde 1988 als Reaktion auf die unerlaubten Bischofsweihen durch Erzbischof Marcel Lefebvre in der Piusbruderschaft gegründet. Die Gesellschaft apostolischen Lebens von Klerikern päpstlichen Rechts steht in voller Gemeinschaft mit der Kirche. Die Piusbruderschaft wurde 1970 von Lefebvre gegründet, der insbesondere die Liturgiereform im Nachgang des Zweiten Vatikanischen Konzils (1962–1965) ablehnte. Sie sieht sich selbst in Gemeinschaft mit der katholischen Kirche, lehnt aber zentrale Lehren des Zweiten Vatikanums ab. 1988 weihte Lefebvre nach dem Scheitern von Verhandlungen mit Rom unerlaubt Bischöfe und zog sich und den Geweihten damit die Exkommunikation zu. Bis heute hat sie keinen kanonischen Status. (fxn)
26. Oktober 2023, 17.25 Uhr: Ergänzt um Stellungnahme des Schweizer Distrikts der Piusbruderschaft.