Bundesverfassungsgericht verhandelt über Betreuungsgeld

"Herdprämie" auf dem Prüfstand

Veröffentlicht am 14.04.2015 um 00:00 Uhr – Lesedauer: 4 MINUTEN
Bild: © KNA
Justiz

Berlin ‐ Mit viel Herzblut hat die bayerische CSU dafür gekämpft: Das Betreuungsgeld sei "der richtige Weg", bekräftigte die Vorsitzende der CSU-Landesgruppe im Bundestag, Gerda Hasselfeld. Es sei das Gegenstück zum Rechtsanspruch auf einen Kita-Platz für unter Dreijährige und bringe Eltern mehr Freiheit. Lobende Worte für etwas, das vorrangig auf Kritik stößt.

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SPD, FDP, Grüne, Linkspartei, aber auch Teile der CDU sehen die Familienhilfe kritisch. Die sogenannte Herdprämie fördere ein überholtes Rollenbild und halte Eltern aus bildungsfernen Schichten vom Kita-Besuch ab. Zu den Kritikern gehört auch Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig (SPD). Nun muss ihr Ministerium vor Gericht das Betreuungsgeld verteidigen.

Das Bundesverfassungsgericht verhandelt am heutigen Dienstag über das Betreuungsgeld. Bei der mündlichen Verhandlung vor dem Ersten Senat geht es unter anderem um die Frage, ob der Bund überhaupt für ein solches Gesetz zuständig sei. Das Grundgesetz akzeptiere bewusst unterschiedliche, regional verankerte Wertvorstellungen, argumentiert der Stadtstaat. Zudem sieht die Hansestadt den Gleichheitsgrundsatz verletzt. Eine finanzielle Förderung für das Aufwachsen außerhalb öffentlicher Kinderbetreuungseinrichtungen sei mit dem Grundgesetz unvereinbar. In erster Linie halten die Hamburger aber das Betreuungsgeld für politisch falsch, weil es aus ihrer Sicht Anreize für Frauen schafft, zu Hause zu bleiben.

Bild: ©picture alliance/dpa/Maurizio Gambarini

Familienministerin Manuela Schwesig bei einer Pressekonferenz.

Widerspruch zum Grundgesetz?

Das Betreuungsgeld ist eine staatliche Familienleistung, die seit dem 1. August 2013 greift. Eltern können die Mittel beantragen, wenn sie für ihren Jungen oder ihr Mädchen keine frühkindliche Förderung in öffentlich geförderten Tageseinrichtungen oder Kindertagespflege in Anspruch nehmen. Das Betreuungsgeld kann ab dem 15. bis zur Vollendung des 36. Lebensmonats des Kindes bezogen werden. Als die Leistung eingeführt wurde, lag der Förderbetrag zunächst bei 100 Euro im Monat, seit August 2014 sind es 150 Euro monatlich.

Das Bundesverfassungsgericht wird heute wohl keine Entscheidung zur Verfassungsmäßigkeit der Leistung fällen. Schließlich geht es nicht um eine politische Einschätzung, sondern darum, ob das Gesetz im Widerspruch zum Grundgesetz steht. Die Klage liegt bereits seit mehr als zwei Jahren bei den Karlsruher Richtern. Der Hamburger Senat hatte sie bereits im Februar 2013 eingereicht.

Gezwungenermaßen Befürworter des Betreuungsgeldes

Federführend bei der Ausarbeitung der Klage war Ralf Kleindiek, damals Staatsrat in der Hamburger Justizbehörde. Nun kommt Kleindiek erneut eine wichtige Rolle zu. Er wird nun in Karlsruhe das Bundesfamilienministerium als Staatssekretär vertreten. Dieses Mal tritt er gezwungenermaßen als Befürworter des Betreuungsgeldes auf, schließlich wird die Leistung von seinem Ministerium politisch verantwortet. Auch wenn sich Bundesfamilienministerin Schwesig gegen die Einführung eines Betreuungsgeldes ausgesprochen hatte - im Koalitionsvertrag konnte sich die SPD nicht durchsetzen. Schwesig und die SPD setzen seitdem auf die Verfassungsklage Hamburgs.

Stellungnahme des Familienbundes Bayern

Als "unverzichtbaren Bestandteil der Wahlfreiheit der Eltern", bezeichnet Gerlinde Martin, Vorsitzende des Familienbundes Bayern, das Betreuungsgeld. Die Maßnahme entspreche nach Auffassung des Verbands der im Siebten Familienbericht formulierten Forderung nach einem "familienpolitischen Dreiklang". Dieser bestehe aus den Dimensionen Zeit, Infrastruktur und Geld. Dem bedarfsgerechten Ausbau von außerfamiliären Betreuungseinrichtungen widerspreche das Betreuungsgeld nicht. Es nehme den Eltern den Druck, einer Erwerbstätigkeit nachzugehen und ihr Kind unter drei Jahren aus rein wirtschaftlichen Gründen in eine Krippe zu geben. "Das Betreuungsgeld darf nicht abgeschafft werden, sondern muss im Gegenteil weiter entwickelt werden", so Martin. Der bisherige Erfolge des Betreuungsgeldes zeige, dass viele Eltern "in dieser sensiblen Entwicklungsphase ihr Kind lieber selber erziehen möchten". (som)

Nicht nur die Abgeordnete Hasselfeldt dürfte skeptisch sein, inwiefern Kleindiek seine Rolle als Verteidiger des Betreuungsgeldes ernst nimmt. "Staatssekretär Kleindiek verteidigt am Dienstag das Betreuungsgeld, das er in anderer Funktion einst bekämpft hat. Hier liegt also ein Interessenkonflikt vor", betonte Hasselfeldt. Er müsse über seinen Schatten springen und gewissenhaft die nötigen Argumente gegen die Klage vorbringen, forderte sie. "Sie können sicher sein, dass wir seinen Auftritt vor dem Bundesverfassungsgericht genau analysieren werden", so die CSU-Politikerin.

Unterdessen steigt das Interesse am Betreuungsgeld weiter. Von Oktober bis Dezember 2014 bezogen nach Angaben des Statistischen Bundesamtes 386.483 Eltern die Familienleistung. Im ersten Quartal 2014 waren es noch rund 146.000 Eltern und im zweiten Quartal 224.400. Dabei ist die Förderung vorrangig eine Unterstützung der Mütter: Mehr als 90 Prozent der Bezieherinnen sind Frauen.

Von Anna Mertens (KNA)