Gemeinsam für das Leben
Beim im November veröffentlichten "Deutschlandtrend" waren 46 Prozent der Befragten der Ansicht, die Beihilfe zur Selbsttötung sollte erlaubt sein. 37 Prozent würden auch die Legalisierung der aktiven Sterbehilfe begrüßen. Kein Wunder, dass das Sterben in einer alternden Gesellschaft ein zentrales Thema der Gesundheitspolitik geworden ist. Aktive Sterbehilfe, Beihilfe zum Suizid, Patientenverfügung und Palliativmedizin - so lauten nur einige der Begriffe, die seit Monaten in der politischen Debatte auftauchen. Noch im Herbst will der Bundestag über die Beihilfe zum Suizid sowie den Ausbau von Hospizarbeit und Palliativmedizin entscheiden.
Zum Auftakt der heißen Phase der Debatte wollen jetzt die beiden Kirchen mit ihrer "Woche für das Leben" für ein menschenwürdiges Sterben werben. Kein Mensch solle Angst haben, einsam oder unter unerträglichen Schmerzen sterben zu müssen, so ihre Forderung. Die bundesweite Aktionswoche vom 18. bis 25. April steht unter dem Leitwort "Sterben in Würde. Herr, Dir in die Hände".
Thema Sterbehilfe war lange ein Tabu
Dass das lange tabuisierte Thema in den Bundestag schwappt, hat auch mit Entwicklungen in Europa zu tun. Mit Belgien, den Niederlanden und Luxemburg haben drei Nachbarländer aktive Sterbehilfe erlaubt. Noch stärker strahlt die Schweizer Regelung aus: Dort ist Beihilfe zum Suizid legal, wenn sie nicht aus Eigennutz passiert. Immer mehr Deutsche nutzen die Angebote der Schweizer Sterbehilfevereine und setzen dort ihrem Leben ein Ende. In Deutschland heizen Selbsttötungen von Prominenten - MDR-Intendant Udo Reiter, Playboy Gunter Sachs oder Ex-Fußball-Nationalspieler Timo Konietzka - die Debatte über eine Enttabuisierung des Suizids an. Der Verein "SterbeHilfe Deutschland" des früheren Hamburger Justizsenators Roger Kusch wirbt damit, 2013 rund 40 Menschen beim Suizid geholfen zu haben.
Bislang können die Kirchen zufrieden sein: Es gebe eine "bemerkenswerte öffentliche Debatte über das Sterben von Menschen in unserer Gesellschaft", loben der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Reinhard Marx, und der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche, Heinrich Bedford-Strohm, zum Auftakt der Kirchenaktion. Das Thema sei "aus Spezialdiskussionen zurück in die Mitte unserer Gesellschaft geführt" worden.
Positiv aus Sicht der Kirchen ist auch, dass Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) als erstes ein Gesetz zur Verbesserung der Palliativ- und Hospizversorgung voranbringen will. Ziele sind ein flächendeckendes Angebot und eine bessere Finanzierung der Betreuung Sterbender. Der Gedanke dahinter: Wenn Sterbenskranke keine Angst mehr vor quälend langem Leiden haben müssen, werde der Wunsch nach aktiver Sterbehilfe oder Beihilfe zur Selbsttötung zurückgehen.
Jede Form organisierter Beihilfe zur Selbsttötung verbieten
Mit Blick auf die Suizidbeihilfe sind sich die Kirchen mit den meisten Bundestagsinitiativen einig, dass jede Form organisierter Beihilfe zur Selbsttötung verboten werden sollte. Umstritten ist vor allem die ärztliche Beihilfe zur Selbsttötung: Eine Gruppe von Parlamentariern will Ärzten ausdrücklich die Suizidbeihilfe unter genau definierten Voraussetzungen erlauben. Andere wollen die geltende Regelung - eine rechtliche Grauzone - beibehalten.
Für die Bischofskonferenz hat Kardinal Marx vor einer dezidierten rechtlichen Regelung des ärztlich assistierten Suizids gewarnt. Eine Verrechtlichung würde ethische Maßstäbe gegenüber dem Wert des Lebens verändern und das Berufsbild des Arztes in hochproblematischer Weise ändern. Auch der Vertreter der Bischöfe bei der Bundesregierung, Karl Jüsten, argumentiert, mit einer ausdrücklichen Legalisierung werde die Suizid-Beihilfe eine ganz normale Option für das Lebensende. Gerade Menschen in Grenzsituationen würden dann unter Druck gesetzt, hiervon Gebrauch zu machen.
Von Christoph Arens (KNA)