Genehmigung aus Rom innerhalb weniger Monate erteilt

Nationales kirchliches Strafgericht in England und Wales errichtet

Veröffentlicht am 06.11.2023 um 11:06 Uhr – Lesedauer: 4 MINUTEN

London ‐ Nach Frankreich haben nun auch England und Wales eine nationale kirchliche Strafgerichtsbarkeit: Erst im vergangenen November hatten die Bischöfe die Professionalisierung ihres Gerichtswesens beschlossen. Deutschland wartet immer noch.

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Das nationale kirchliche Strafgericht für England und Wales hat seine Arbeit aufgenommen. Am Samstag wurde der "National Tribunal Service" (NTS) mit einer Messe in der Kathedrale von Westminster offiziell eröffnet, wie die Bischofskonferenz von England und Wales am Wochenende mitteilte. Der Gerichtshof geht auf eine Empfehlung der von der Bischofskonferenz von England und Wales beauftragten unabhängigen Überprüfung der kirchlichen Strukturen zum Umgang mit Missbrauch zurück, die im Herbst 2020 veröffentlicht wurde. Im vergangenen November hatte die Bischofskonferenz die Errichtung beschlossen, bereits im Mai erteilte die Apostolische Signatur als zuständige Vatikan-Behörde für das kirchliche Justizwesen die erforderliche Genehmigung.

In seiner Predigt würdigte der Vorsitzende der Bischofskonferenz, Kardinal Vincent Nichols, die Einrichtung des Gerichts als wichtigen Meilenstein für die Kirche: "Es soll sicherstellen, dass die Rechte und Pflichten aller Gläubigen mit Nachdruck und unparteiisch durchgesetzt werden und dass Gerechtigkeit und Gleichheit herrschen." Die Kirche in England und Wales verpflichte sich damit auf das Ziel der Gerechtigkeit für alle, die mit der kirchlichen Strafgerichtsbarkeit in Kontakt kommen, "von Klägern und Angeklagten über Zeugen und andere an der Beweisführung Beteiligte bis hin zu den Opfern und denjenigen, die einer Straftat für schuldig befunden wurden, immer und in jedem Fall unter Berücksichtigung der Würde eines jeden Menschen".

Nationales und inter-ekklesiales Gericht

Das NTS besteht aus zwei Instanzen und ist das ordentliche Gericht für alle kirchlichen Straffälle im Gebiet der Bischofskonferenz von England und Wales, die nicht dem Glaubensdikasterium als Gerichtsbehörde vorbehalten sind. Das Gericht ist auch für Fälle aus den katholischen Ostkirchen zuständig, die ein eigenes Kirchenrecht haben. Damit ist das nationale Gericht auch ein inter-ekklesiales. Jeder Instanz steht ein Bischof als oberster Gerichtsherr vor, der in Bezug auf das Gericht dieselben Rechte wie ein Diözesanbischof für sein Bistum hat. Für die erste Instanz ist der Weihbischof von Westminster John Sherrington zuständig, für die zweite der Weihbischof von Liverpool Thomas Neylon. Beide Bischöfe haben keinen Abschluss im kanonischen Recht.

Der NTS ist nicht nur für Verfahren auf dem Gerichtsweg zuständig, sondern kann auch mit Strafverfahren auf dem Verwaltungsweg betraut werden. Bischöfe können das Gericht außerdem mit kanonischen Voruntersuchungen beauftragen, die das Kirchenrecht vor der Eröffnung eines Strafverfahrens vorsieht. Damit hat der NTS auch mit einer Staatsanwaltschaft vergleichbare Aufgaben. Das kirchliche Strafrecht ersetzt das staatliche Strafrecht nicht. Verfahren vor staatlichen und kirchlichen Gerichten sind voneinander unabhängig. Neben Delikten, die auch nach weltlichem Gericht strafbar sind, kennt das kirchliche Strafrecht auch besondere Delikte gegen die Sakramente. Nur kirchliche Gerichte können rein kirchliche Sanktionen wie die Entfernung aus dem Klerikerstand aussprechen.

Internationaler Trend, doch Deutschland kommt nicht voran

Mit der Errichtung eines nationalen Strafgerichts folgen die britischen Bischöfe einem internationalen Trend: Im vergangenen Dezember richtete die französische Bischofskonferenz ein entsprechendes Gericht ein, das im Januar seine Arbeit aufgenommen hat. Gegenüber katholisch.de erläuterte die Kirchenrechtlerin der Universität Fribourg, Astrid Kaptijn, das Ziel nationaler kirchlicher Gerichte: "Die Zentralisierung soll die kirchlichen Strafverfahren professioneller und neutraler machen. Zuvor waren die Ortsbischöfe und die diözesanen Gerichte zuständig. Auf Diözesanebene sind die Kompetenzen im Bereich des Strafrechts nicht immer an den Gerichten vorhanden." Außerdem kenne man sich in den Bistümern in der Regel, so dass unbefangene Richter nur schwer zu finden seien. Ende September haben die Schweizer Bischöfe die Einrichtung eines nationalen kirchlichen Strafgerichts angekündigt.

Auch in Deutschland gibt es Pläne für neue bundesweite kirchliche Gerichte. Geplant sind eine Disziplinarordnung für Kleriker sowie die Einrichtung einer Straf- und Verwaltungsgerichtsbarkeit. Unter Leitung des mittlerweile emeritierten Bamberger Erzbischofs Ludwig Schick hatte die Deutsche Bischofskonferenz (DBK) 2019 in einer Arbeitsgruppe entsprechende Ordnungen ausgearbeitet. Ursprünglich war geplant, die neuen Gerichte 2021 einzurichten. Der Prozess ist allerdings ins Stocken geraten. Auf Anfrage teilte die Deutsche Bischofskonferenz (DBK) am Montag mit, dass sie deshalb weiterhin in Gesprächen mit Rom sei. "Näheres ist nicht zu berichten", so der Sprecher. Die Errichtung überdiözesaner Gerichte liegt nicht in der Kompetenz einer Bischofskonferenz, sondern erfordert ein besonderes Mandat des Heiligen Stuhls. (fxn)

6. November 2023, 14.30 Uhr: Ergänzt um aktuellen Stand der DBK.