Theologin Haslbeck würdigt Offenlegung von Missbrauch an Ordensfrauen
Die Regensburger Theologin Barbara Haslbeck hat gewürdigt, dass die Franziskusschwestern den Missbrauch mehrerer Frauen durch ihren Gründer vor über 120 Jahren offengelegt haben. "Sie sind die erste deutsche Ordensgemeinschaft, die sich proaktiv mit einer solchen Vergangenheit auseinandersetzt", sagte die Pastoralpsychologin am Donnerstag der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) auf Anfrage. Das sei "sehr mutig".
Das Mutterhaus des in Deutschland, Indien und Peru vertretenen Ordens ist im oberfränkischen Wallfahrtsort Vierzehnheiligen. Haslbeck hat die Kongregation in den vergangenen vier Jahren in ihrem Aufarbeitungsprozess begleitet. Die Theologin geht davon aus, dass es auch in anderen Ordensgemeinschaften, die im 19. Jahrhundert gegründet wurden, ähnliche Vorkommnisse in der Gründungszeit gab. Das Thema sei für Schwestern mit vielen Ängsten und auch mit Scham behaftet, das mache es schwierig, das Schweigen zu brechen. Auch nehme sie eine große Sorge in Orden wahr, dass dadurch das Gründungscharisma zerstört werden könnte.
Lange zunächst männliche Opfer im Vordergrund
Haslbeck verwies darauf, dass es in der öffentlichen Debatte um Missbrauch in der katholischen Kirche erst seit wenigen Jahren möglich sei, über Ordensfrauen als Betroffene zu sprechen. Lange hätten zunächst männliche Opfer im Vordergrund gestanden. Bei den Franziskusschwestern habe sie erstmals erlebt, dass sich eine Gemeinschaft im Ganzen damit auseinandersetze. Sie selbst arbeitet derzeit an einem Forschungsprojekt, in dem sie einzelne Betroffene befragt.
Als "schöne Erfahrung" bezeichnete die Theologin, "wie sehr sich die Franziskusschwestern für die Perspektive der Betroffenen geöffnet haben". Dabei seien diese schon lange tot. Mangels Unterlagen gebe es zudem nur wenig Wissen über sie. "Besonders erstaunlich" sei für sie eines gewesen, sagte Haslbeck: "Nicht ein einziges Mal wurde ich mit der Aussage konfrontiert: Die Frauen werden das schon selbst gewollt haben." Das sei sonst eine typische Reaktion. "Frauen, gerade auch Ordensfrauen, sind da oft gnadenlos gegenüber ihren Mitschwestern." Dies sei auch "das größte Problem" bei der Thematisierung von sexuellem Missbrauch an erwachsenen Frauen, fügte sie hinzu. "Es gibt dann immer gleich den Verdacht: Die haben das herausgefordert."
Am Dienstag hatten die Franziskusschwestern die Öffentlichkeit darüber informiert, dass ihr Gründer Peter Natili um das Jahr 1900 in München mehrere Frauen missbraucht hat. Nach einem Gerichtsprozess sei er des Landes verwiesen worden. Eine historische Doktorarbeit dazu soll im kommenden Jahr veröffentlicht werden. (KNA)