Bischof Bonny übt deutliche Kritik an Krieg in Nahost
Der belgische Bischof Johan Bonny hat in einem offenen Brief deutliche Kritik am Krieg im Nahen Osten geübt. Das an seine "jüdischen Freunde" adressierte Schreiben des Antwerpener Bischofs wurde Ende vergangener Woche auf der Internetseite "kerknet.be" veröffentlicht. In dem offenen Brief schlägt Bonny einen nachdenklichen Ton an. Er weist Argumentationsmuster zurück, nach denen eine Eroberung der Palästinensergebiete durch Israel biblisch gerechtfertigt sei. "Nach christlicher Ansicht gibt es im Alten Testament keine Worte Gottes, die nach Tod und Auferstehung Jesu noch eine gewaltsame Rückeroberung oder militärische Expansion des ‚biblischen Landes‘ legitimieren könnten." Der Gott Israels sei der Vater aller Menschen, schreibt Bonny unter Bezugnahme auf das biblische Buch Genesis.
"Es ist ärgerlich, wie einige politische und militärische Führer in Israel biblische Themen missbrauchen, um ihre mörderischen Taten zu legitimieren", so der Bischof weiter. Dadurch würden sie den Ruf ihrer Religion und aller Religionen weltweit schädigen. "Sie verfälschen die Bedeutung der schönsten biblischen Ausdrücke wie der Erwählung, des Bundes, der Verheißung, des Auszugs, des Gelobten Landes und sogar von Jerusalem, das am Ende des Lebens steht." Dadurch würde der Eindruck verstärkt, dass Religion mit "Blut, Land und Gewalt" zu tun habe. Er wisse, dass er sich als Christ äußere, was bedeute, dass er einen anderen Blick auf die Bibel als Juden habe, so Bonny. Deshalb müsse er demütig mit der Geschichte seiner Religion im Hinblick auf das Judentum umgehen.
Doch bei dem Unterschied zwischen dem christlichen und jüdischen Blick auf das Alte Testament "geht es nicht um Nebensächlichkeiten, sondern um den Kern der Sache: dass Gottes Liebe und Gottes Erlösung nicht mehr an ein bestimmtes Land, eine bestimmte Rasse oder Kultur gebunden sind", schreibt der Antwerpener Bischof. Er habe lange überlegt, ob er sich zum Krieg in Nahost äußern solle, denn er sei Bischof in der Stadt mit der größten jüdischen Gemeinde Belgiens und Mitglied in einem nationalen Gremium des jüdisch-christlichen Dialogs. Auch habe Israel das Recht zu existieren und sich zu verteidigen. Doch auch die Palästinenser hätten dieses Recht, so Bonny. "Leider wurden alle Bemühungen um eine Zwei-Staaten-Lösung systematisch und strategisch boykottiert." Die Terror-Attacke der Hamas sei eine "vorhersehbare Explosion" gewesen, die das "ideale Alibi" für den israelischen Einmarsch im Gaza-Streifen geliefert habe.
Jüdische Zeitung kritisiert Datum der Veröffentlichung von Schreiben
An ein friedliches Zusammenleben in Palästina glaube heute niemand mehr, schreibt Bonny. "Die Kinder müssen sterben. Die jungen Leute müssen gehen. Der Rest wird sich radikalisieren (Was sollten sie sonst tun?). Und nach Gaza wird das Westjordanland folgen." Er habe seit Ausbruch des Krieges in Israel und Gaza häufig an Papst Pius XII. (1939-58) gedacht, dem vorgeworfen werde, angesichts der Judenverfolgung in der Zeit des Nationalsozialismus geschwiegen zu haben. Bonny habe sich angesichts der vielen Tausend toten Kinder und weiteren Opfer des Kriegs die Frage gestellt: "Warum sitze ich hier als Bischof und schweige?"
Die belgische jüdische Zeitung "Joods Actueel" bezeichnete Bonny Worte als "skandalöse Aussagen". Der Herausgeber der jüdischen Zeitung, Guido Joris, kritisierte, dass der Bischof seinen offenen Brief am Jahrestag der Reichspogromnacht 1938 veröffentlicht habe, in der jüdische Geschäfte, Häuser und Synagogen auch in Flandern angegriffen worden seien. Bonny habe durch seine Aussagen das Vertrauen der belgischen Juden verspielt, so Joris, der nach Auskunft der Zeitung selbst kein Jude ist. Der Herausgeber erinnerte in seinem Text, den er dem Bischof auch als E-Mail habe zukommen lassen, an die Gewalttaten, die von Christen und Muslimen, etwa bei den Kreuzzügen, im Heiligen Land verübt worden sind.
Bonny reagierte in einem Interview auf die Kritik an seinen Worten gelassen: "Glücklicherweise habe ich auch Kontakt zu anderen und höheren jüdischen Autoritäten als 'Joods Actueel'." In weiteren Interviews wiederholte der Bischof seine deutliche Kritik am Krieg in Nahost, verurteilte aber zusätzlich den Terror der Hamas und betonte seine Loyalität zum Judentum. (rom)