Nach als antisemitisch kritisierten Aussagen der Klimaaktivistin

Deutsche Bischöfe gehen auf Distanz zu Greta Thunberg

Veröffentlicht am 16.11.2023 um 11:44 Uhr – Von Steffen Zimmermann – Lesedauer: 

Berlin/Hildesheim ‐ In den vergangenen Tagen sorgten vielfach als antisemitisch kritisierte Äußerungen der schwedischen Klimaaktivistin Greta Thunberg für Aufsehen und Kritik. Jetzt gehen auch deutsche Bischöfe auf Distanz, die das Engagement der mittlerweile 20-Jährigen in der Vergangenheit gelobt hatten.

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Nach den vielfach als antisemitisch kritisierten jüngsten Äußerungen der schwedischen Klimaaktivistin Greta Thunberg gehen auch deutsche Bischöfe auf Distanz, die das Engagement der 20-Jährigen in der Vergangenheit gelobt hatten. "Die aktuellen Äußerungen von Frau Thunberg zur Eskalation der Gewalt in Nahost sehen wir im Bistum Hildesheim absolut kritisch, weil sie einseitig sind und der komplexen Situation im Heiligen Land überhaupt nicht gerecht werden und weil eine klare Distanzierung vom Antisemitismus fehlt", sagte der Sprecher der niedersächsischen Diözese, Volker Bauerfeld, am Donnerstag auf Anfrage von katholisch.de.

Hildesheims Bischof Heiner Wilmer hatte sich 2019 im Rahmen eines Gottesdienstes mit rund 2.500 Jugendlichen und jungen Erwachsenen wertschätzend über Thunberg und die maßgeblich von ihr initiierte Klimaschutzbewegung "Fridays for Future" geäußert. Thunberg sei für ihn wie eine Prophetin, sagte der Bischof damals. Die junge Schwedin stehe friedlich da, ohne Steine zu werfen, und fordere die Politik auf, die Vereinbarungen der UN-Klimakonferenz einzuhalten. Bauerfeld erklärte dazu, dass zu dieser Zeit nicht vorhersehbar gewesen sei, "wie sich Frau Thunberg vier Jahre später zum Konflikt im Gazastreifen äußern würde".

Bischof Wilmer fordert: Antisemitismus entgegentreten

Wie die Haltung von Bischof Wilmer zu Antisemitismus und dem Konflikt im Heiligen Land sei, habe dessen erst wenige Tage zurückliegende Reise nach Israel "eindrucksvoll gezeigt", so der Sprecher weiter. Wilmer hatte im Rahmen eines Besuchs in dem Land in der vergangenen Woche unter anderem die Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem besucht und dort der Opfer der Schoah gedacht und für die Opfer von Verfolgung und Antisemitismus gebetet. Am Rande des Besuchs mahnte er dazu, Antisemitismus in "den vielfältigen Gesichtern" dieser Tage entgegenzutreten und die "jüdischen Geschwister nicht alleinzulassen". Es schmerze besonders, dass sich auch in Deutschland Juden wieder Bedrohung und Diskriminierung ausgesetzt sähen und "zur Projektionsfläche für tiefliegende Probleme" würden.

„Die aktuellen Äußerungen von Frau Thunberg zur Eskalation der Gewalt in Nahost sehen wir im Bistum Hildesheim absolut kritisch, weil sie einseitig sind und der komplexen Situation im Heiligen Land überhaupt nicht gerecht werden.“

—  Zitat: Hildesheims Pressesprecher Volker Bauerfeld

Thunberg hatte am vergangenen Sonntag in Amsterdam eine Klimademonstration genutzt, um im Krieg in Nahost Partei für die Palästinenser zu ergreifen. Mit einem traditionellen Palästinensertuch um den Hals sagte sie bei der Kundgebung, die Klimaschutzbewegung habe die Pflicht, "auf die Stimmen jener zu hören, die unterdrückt sind und die für Frieden und Gerechtigkeit kämpfen". Zudem skandierte sie mehrfach "No climate justice on occupied land" ("Keine Klimagerechtigkeit auf besetztem Land"), womit sie offenbar auf die palästinensischen Gebiete anspielte. Anschließend gab die Schwedin das Mikrofon an eine Frau weiter, die behauptete, Israel begehe "in meinem Land einen Völkermord" und greife gezielt Krankenhäuser und Zivilisten an. Auf teils aggressiven "Pro-Palästina-Demonstrationen" war Israel in den vergangenen Wochen auch in Deutschland wiederholt vorgeworfen worden, einen Völkermord an den Palästinensern zu begehen.

Breite Kritik an Thunbergs Aussagen

Thunbergs Aussagen bei der Demonstration stießen auf breite Kritik. Grünen-Chefin Ricarda Lang kritisierte die Äußerungen als "absolut unanständig". Man könne "fast sagen", dass Thunberg Täter und Opfer verkehre. Die Aktivistin missbrauche "die Anliegen des Klimaschutzes für eine einseitige Position". Der Präsident der Deutsch-Israelischen Gesellschaft (DIG), Volker Beck, bezeichnete Thunbergs Äußerungen als das "Ende von Greta Thunberg als Klimaaktivistin". Der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster, kritisierte die Klimaaktivistin als zumindest naiv und vielleicht sogar antisemitisch.

Der Berliner Erzbischof Heiner Koch
Bild: ©KNA/Harald Oppitz

Distanziert sich ebenfalls von Greta Thunberg: Berlins Erzbischof Heiner Koch.

Berlins Erzbischof Heiner Koch distanzierte sich ebenfalls von Thunberg. "Erzbischof Koch steht auf der Seite unserer jüdischen Nachbarinnen und Nachbarn", erklärte das Erzbistum Berlin gegenüber katholisch.de. Koch lehne jeglichen Antisemitismus rundheraus ab und trete ihm – auch öffentlich – entgegen. Diese Haltung hätten das Erzbistum und die Evangelische Kirche in Berlin am 9. November unmissverständlich zum Ausdruck gebracht. Bei einem "stillen Gedenkweg" durch Berlin hatten an diesem Tag auf Initiative der beiden Kirchen mehr als 2.000 Menschen an den 85. Jahrestag der nationalsozialistischen Reichspogromnacht erinnert. Beim Auftakt hatte Koch den Gedenkweg ein "Zeichen der Solidarität mit unseren jüdischen Nachbarinnen und Nachbarn heute" genannt.

Kritik an früheren Koch-Aussagen bei X/Twitter

Koch hatte 2019 im RBB die damalige Begeisterung für Greta Thunberg und die Demonstrationen von "Fridays for Future" in einen Zusammenhang mit der biblischen Szene vom Einzug Jesu in Jerusalem gestellt. "Auch das war für viele eine Art Triumphzug für einen Volkshelden, der bei den Menschen große Erwartungen ausgelöst hatte und auf den sich viele Hoffnungen auf Besserung richteten", so der Erzbischof damals. Zugleich hatte er jedoch betont, Thunberg nicht zu einem "weiblichen Messias" machen zu wollen, indem er sie mit Jesus von Nazareth vergleiche. Er wolle aber daran erinnern, "dass unsere Gesellschaft und auch unsere Kirche von Zeit zu Zeit echte Propheten braucht, die auf Missstände und Fehlentwicklungen hinweisen, und die Lösungswege vorschlagen – auch wenn diese nicht auf ungeteilte Zustimmung aller stoßen". Vor allem in den sozialen Netzwerken war Koch danach vorgeworfen worden, Thunberg mit Jesus Christus verglichen zu haben.

Das Erzbistum Berlin postete Kochs aktuelle Stellungnahme am Mittwoch auch bei X/Twitter. Dort waren zuvor im Lichte der jüngsten Äußerungen Thunbergs Kochs frühere wertschätzende Worte über die Klimaaktivistin kritisiert worden. Unter anderem hatte das rechtskatholische österreichische Internetportal "kath.net" bereits am Dienstag in einem Post in Richtung Koch gefragt "Wann kommt jetzt endlich die Distanzierung von der Antisemitin #GretaThunberg?". In einem anderen Post wurde Koch mit Blick auf seine früheren Aussagen über Thunberg gefragt: "Na, @ErzbischofKoch, wie gehts Ihnen dabei?"

Von Steffen Zimmermann