Relevant für die Synode
Damit könne auch die Weltbischofssynode zu Ehe und Familie im Herbst auf die Vorschläge zurückgreifen und "sehr wahrscheinlich" eine Entscheidung treffen, so der Kardinal. Papst Franziskus selbst hatte sich in der Vergangenheit mehrfach für zügigere Ehenichtigkeitsverfahren ausgesprochen. Zu Beginn des Jahres betonte er beim traditionellen Empfang für die Richter der Römischen Rota, dass künftig verstärkt geprüft werden solle, ob sich die betreffenden Paare der Bedeutung des Sakraments zum Zeitpunkt der Eheschließung voll bewusst waren. Die Rota ist der ordentliche Appellationsgerichtshof und nach der Apostolischen Signatur das zweithöchste Gericht der römisch-katholischen Weltkirche.
Der Papst forderte die Kirchenrichter außerdem dazu auf, sich stets vor Augen zu halten, dass die Rettung von Menschen, die sich an die Kirche wenden, "nicht an juristischen Hindernissen" scheitern dürfe. Das Recht müsse sich am Seelenheil orientieren und dürfe nicht in "Haarspalterei" ausarten, so Franziskus. Alle Ehenichtigkeitsverfahren sollten zudem – anders als bisher – kostenfrei für die Betreffenden angeboten werden. "Auch die Sakramente sind gratis. Die Sakramente geben uns die Gnade. Und der Eheprozess ist verbunden mit dem Sakrament der Ehe", betonte der Papst.
Ehebruch zählt zu den "schweren Sünden"
Ein kirchliches Ehenichtigkeitsverfahren wird immer dann eingeleitet, wenn Mängel beim Ehewillen vorliegen. "Diese Mängel können sowohl inhaltliche als auch psychische Gründe haben ", erklärte der Münsteraner Kirchenrechtler Klaus Lüdicke im Interview mit katholisch.de. Psychische Gründe seien Erkrankungen, aber auch Druck von außen, die Ehe einzugehen. "Inhaltlich" bedeute dagegen, dass einer der Ehepartner bewusst Wesenselemente der Ehe wie Treue oder Unauflöslichkeit ablehnt.
Diese Wesenselemnte einer katholischen Ehe sieht auch der deutsche Kurienkardinal Gerhard Ludwig Müller als möglichen Ansatzpunkt. Vielen Menschen sei inzwischen nicht mehr bewusst, welche Verpflichtungen sie mit dem kirchlichen Eheversprechen eingingen, sagte der Präfekt der vatikanischen Glaubenskongregation dem französischen Magazin "Famille Chretienne" (Samstag). Hier könne man die Frage nach der Gültigkeit der Eheschließung stellen.
Kardinal Müller befürchtet Verwirrung um Unauflöslichkeit der Ehe
Ehenichtigkeitserklärungen werden auch in der Debatte über den Umgang mit wiederverheirateten Geschiedenen immer wieder als möglicher Lösungsweg genannt. Denn laut Katechismus der Katholischen Kirche lebt der zivil wiederverheiratete Geschiedene im dauerhaften Ehebruch. Der wiederum zählt zu den "schweren Sünden" und führt unweigerlich zum Ausschluss von den Sakramenten. In der Wiederzulassung sehen Kritiker wie Kardinal Müller deshalb auch nach einem möglichen Akt der Buße die Gefahr, "bei den Gläubigen hinsichtlich der Lehre der Kirche über die Unauflöslichkeit der Ehe Irrtum und Verwirrung" zu bewirken. Die Annullierung der Ehe würde dieses Dilemma umgehen.
Um das kirchenrechtliche Verfahren zu beschleunigen, sei es beispielsweise denkbar, dass künftig nur noch eine Gerichtsinstanz ein Urteil treffen müsse, sagte Kardinal Coccopalmerio der Kathpress. Bislang muss jeder Fall mindestens zwei Instanzen durchlaufen - nämlich Diözesan- und Metropolitangericht - und bedarf bei einander widersprechenden Entscheidungen noch einer dritten Instanz. In der Regel ist das die Römische Rota im Vatikan.
Unabhängig davon gelte es, die Vorbereitung auf die kirchliche Eheschließung und die Begleitung von Eheleuten auszubauen, betonte Coccopalmerio. Zugleich bezeichnete der Kurienkardinal den im Zusammenhang mit Ehenichtigkeitsverfahren häufig verwendeten Begriff "Annullierung" als falsch: "Die Kirche kann eine geschlossene Ehe nicht lösen, sondern nur feststellen, dass sie ungültig ist und nie bestanden hat, wenn die Voraussetzungen dafür fehlten."
Beim Umgang mit wiederverheirateten Geschiedenen zeigte sich Coccopalmerio "hoffnungsvoll", dass die Weltbischofssynode im Herbst Möglichkeiten erarbeite, um den Betreffenden den Empfang der Sakramente zu ermöglichen. Aus Sicht des Kirchenrechtes sei dies "sicherlich möglich". (bod/KNA)