Bogner sieht Kirchlichkeit als zentrales Thema der Theologie
Der Fribourger Theologe Daniel Bogner sieht in der Reflexion über die schwindende Bindungskraft der Kirche eine zentrale Aufgabe der Theologie. In einem Beitrag im theologischen Feuilleton "Feinschwarz" reagiert der Professor für Theologische Ethik auf eine Debatte, die ein Gastbeitrag der Wiener Theologen Jan-Heiner Tück und Ulrich Körtner für katholisch.de in Reaktion auf die Vorstellung der jüngsten Kirchenmitgliedschaftsstudie angestoßen hat. Tück und Körtner hatten eine Theologie gefordert, die von der Kirche her und auf die Kirche hin denkt. Diese These wiesen die Pastoraltheologen Rainer Bucher und Michael Schüßler zurück und betonten, dass eine auf die verfasste Kirche fokussierte Theologie ihre Zeugniskraft verliert. Bogner verteidigt in seinem Debattenbeitrag die theologische Beschäftigung mit der Kirche als Gemeinschaft und Institution. "Ich stehe dazu: Wenn die Theologie sich nicht bewusst und aktiv einschreibt in eine gemeinschaftliche Praxis und sich in Bezug auf eine solche begreift, dann hat sie ihre Rolle nicht gefunden", so Bogner, der allerdings die starke Fokussierung auf das Lehramt von Tück und Körtner nicht mitgeht.
Für Bogner ist "Kirche" dadurch gekennzeichnet, dass man auch im Glauben notwendig mit anderen ist, "dass wir uns den Geschichten vom gerechten und barmherzigen Gott, seinem* Befreiungshandeln, seinem* Bund, dem er* treu bleibt, aussetzen und davon prägen lassen wollen". Biblischer Glaube könne ausgehend von der Erwählung Israels als Volk Gottes nur kirchlich sein: "gemeinschaftsbildend und als Gemeinschaft in der Nachfolge". Ein solcher Glaube bringe "das Kirchenthema" notwendig auf die Tagesordnung.
Wie mit dem Traditionsabbruch umgehen?
Heute steht die Kirche für Bogner vor einer zentralen und keineswegs trivialen Herausforderung: "Wie kann es gelingen, in einer sich säkularisierenden Gesamtlage religiöse Gemeinschaftsbildung (= Kirche) überhaupt zu ermöglichen und zu initiieren?" Christlicher Glaube sei nicht einfach "was mit Religion", sondern eine bestimmte Praxis, zu der diakonales Engagement, aber auch eine Kommunikation darüber gehört, "wie sich diese und andere Engagements als Nachfolge erkennen und aus solcher Kommunikation erneuern können: Der Glaube will erzählt und er will miteinander gefeiert werden". Damit werde das Kirche-Sein zur zentralen Frage angesichts des Wegbrechens hergebrachter Orte von Glaubenskommunikation etwa in der Familie. "Was heute einfach weniger wird, sind Orte, an denen verbindlich erzählt, versammelt und gefeiert wird. Die braucht es und die werden von vielen sehr vermisst. Und deshalb muss Theologie darüber nachdenken", so Bogner weiter. Die Theologie müsse erkennen, dass die Kirche in ihrer überlieferten Form immer weniger das erfüllt, wozu sie eigentlich da ist, und müsse dann fragen, wie sie ihre Aufgabe dennoch erfüllen können.
Mitte November stellten die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) und die Deutsche Bischofskonferenz (DBK) die sechste Kirchenmitgliedschaftsuntersuchung (KMU) erstmals auf Grundlage einer ökumenischen Datenbasis vor. Die EKD untersucht bereits seit 1972 im Zehnjahrestakt ihre Mitgliederstruktur und -entwicklung. Die aktuelle Studie zeigt einen deutlichen Traditionsabbruch der Religiosität und Kirchenbindung in Deutschland. Für fast 80 Prozent der Befragten hat Religion überhaupt keine oder nur wenig Bedeutung, um die 40 Prozent der Kirchenmitglieder gelten als austrittsgeneigt. 56 Prozent der Befragten gelten als säkular. Die Studie hat eine lebhafte Debatte über die Zukunft der Kirchen und Maßnahmen zum Umgang mit den Ergebnissen ausgelöst. (fxn)