Hauslösung in Bamberg: Herwig Gössl wird neuer Erzbischof
Als Herwig Gössl 2014 von seiner Ernennung zum Weihbischof in Bamberg erfuhr, habe das einen "großen Schreck" in ihm ausgelöst. So ist es überliefert. Man weiß nicht, ob es dem Geistlichen in diesen Tagen wieder so ging, als ihm seine Beförderung zum Erzbischof kundgetan wurde. Immerhin ist er inzwischen neun Jahre älter. Und Übung in seiner neuen Rolle hat der 56-Jährige auch schon. Seit gut 13 Monaten leitet Gössl das zweite bayerische Erzbistum kommissarisch.
Der gebürtige Münchner ist nicht für große Auftritte bekannt und auch nicht für eine Neigung, sich zu exponieren. In den vergangenen Wochen war sein Vorgänger, Alterzbischof Ludwig Schick, in den Medien deutlich lauter und häufiger zu vernehmen als Gössl. Das könnte an seinem Job als Interimschef liegen. Der nämlich hat laut Kirchenrecht in der bischofslosen Zeit alles zu unterlassen, was den künftigen Amtsinhaber möglicherweise zu Korrekturen zwingen würde. Vielleicht hat es aber auch mit seinem Naturell zu tun. Gössl gilt als jemand, der seine Worte bedächtig wägt, der versucht, nicht anzuecken - ein zurückhaltender, spiritueller Mensch.
Konservativ, aber "kein Eiferer"
Als Abiturient des Nürnberger Melanchthon-Gymnasiums verfügt er über humanistische Bildung. Gleich nach der Schulzeit trat Gössl 1986 ins Bamberger Priesterseminar ein, die Weihe folgte 1993. Nach einigen Jahren in der Gemeindeseelsorge wurde er 2007 mit einer neuen Aufgabe in der Priesterausbildung betraut. Als Weihbischof ist Gössl seit neun Jahren für die Caritas zuständig. Der Blick auf den Nächsten sei ihm wichtig, heißt es anerkennend über ihn. Und dass er kein Revolutionär sei, "aber berechenbar", konservativ, aber "kein Eiferer".
Während des deutschen Reformdialogs Synodaler Weg reihte sich der Bamberger Weihbischof bisweilen auf der Seite der oppositionellen Minderheit ein. So zählte Gössl neben dem Passauer Bischof Stefan Oster 2021 zu einem Quartett, das einen Alternativtext zu Sexualität und Partnerschaft verfasste. Doch diese Stimme drang nicht durch.
Zwei Jahre später, nach Abschluss des Synodalen Wegs, stellte Gössl fest, insbesondere die Sichtweise auf das Thema Homosexualität habe sich bei vielen Bischöfen im Verlauf der Gespräche verändert. Auch bei der Frage nach der Priesterweihe von Frauen zeigte er sich gesprächsbereit. "Wir sind als synodale Kirche noch auf dem Weg. Wir sind noch nicht fertig", sagte er im März. So müsse die Macht von Bischöfen besser kontrolliert und eingehegt werden.
Klar ist die Haltung des Weihbischofs zum Kirchenasyl. Als das Strafverfahren gegen die fränkische Benediktineräbtissin Mechthild Thürmer wegen des Vorwurfs der Beihilfe zu unerlaubtem Aufenthalt eingestellt wurde, dankte er der Ordensfrau ausdrücklich für ihren Einsatz.
Beim Neujahrsempfang vor knapp einem Jahr im tief verschneiten Hof gab Gössl die Losung aus, es müsse in der Kirche nicht immer harmonisch zugehen. "Da kann man schon auch richtig streiten, entscheidend ist, dass man trotzdem beieinander bleibt und füreinander einsteht." Enttäuschungen und Unterschiede auszuhalten sei anstrengend, Vielfalt könne aber auch als bereichernd erfahren werden.
Gössl muss Brücken bauen
Mit einer solchen Einstellung sollte es dem neuen Erzbischof nicht schwerfallen, Brücken zu bauen: in der Kirche zwischen auf Veränderung drängenden Kräften und denen, die am Gewohnten festhalten wollen; aber auch nach außen zu anderen. Diese Fähigkeit ist in Franken noch wichtiger als andernorts, denn nirgendwo in Bayern sind die Katholiken so sehr in der Minderheit.
Gegenüber seinen beiden Vorgängern, Ludwig Schick aus Fulda und Karl Braun aus Eichstätt, hat Gössl einen unbestreitbaren Vorteil: Er kennt das Erzbistum Bamberg schon, schließlich ist er hier seit langem daheim. Und kann einfach damit weitermachen, was er schon seit gut 13 Monaten tut. Allerdings mit mehr Befugnissen, denn nun muss er keine Rücksicht mehr auf einen potenziellen Nachfolger nehmen.