Diese Nonnen ziehen in den ehemaligen Ruhesitz von Papst Benedikt XVI.
"Den Heiligen Vater in seiner täglichen Sorge um die ganze Kirche" durch Gebet und Anbetung Gottes zu unterstützen – diese Aufgabe haben die künftigen Bewohnerinnen des Klosters "Mater Ecclesiae" im Vatikan. Im November kündigte Papst Franziskus mit diesen Worten an, dass Anfang Januar sechs Nonnen aus seinem Heimatland in den Konvent innerhalb der Mauern des Kirchenstaates ziehen werden. Indem er sich die argentinische Verstärkung nach Rom holt, sorgt der Pontifex dafür, dass "Mater Ecclesiae" wieder zur spirituellen Herzkammer des Vatikan wird. Zu diesem Zweck hatte Johannes Paul II. das Frauenkloster im Jahr 1994 in einem ruhigen Abschnitt der vatikanischen Gärten ins Leben gerufen. Das Gebäude wurde auf den Fundamenten der früheren Verwaltung der vatikanischen Gendarmerie errichtet und kann entsprechend der Anzahl seiner Zellen heute bis zu einem Dutzend Ordensschwestern aufnehmen.
"Mater Ecclesiae" unterscheidet sich von anderen Klöstern jedoch dadurch, dass seine Bewohnerinnen alle fünf Jahre von einem anderen Orden dorthin entsandt werden. Nach der Gründung machte ein Konvent von Klarissen den Anfang, der 1999 von Unbeschuhten Karmelitinnen abgelöst wurde. Von 2004 bis 2009 beteten und arbeiteten Benediktinerinnen im Vatikan-Kloster, auf welche Salesianerinnen folgten, die das Gebäude allerdings 2012 für notwendig gewordene Renovierungsarbeiten verlassen mussten. Dass Franziskus diese recht junge monastische Tradition nun wieder aufleben lässt, ist bei weitem keine Selbstverständlichkeit – denn von 2013 bis 2022 beherbergte "Mater Ecclesiae" einen äußerst berühmten Bewohner: den emeritierten Papst Benedikt XVI.
Nach seinem Rücktritt von der Kathedra Petri hatte sich Benedikt XVI. am 28. Februar 2013 zunächst in die päpstliche Sommerresidenz in Castel Gandolfo zurückgezogen. Zu diesem Zeitpunkt hatte der nun emeritierte Papst bereits ins Auge gefasst, seine letzten Lebensjahre im Vatikan-Kloster zu verbringen – auch wenn in dieser Frage das letzte Wort noch nicht gesprochen war. Außerdem stellte das Amt eines Papa emeritus ein Novum dar: Der letzte freiwillige Amtsverzicht eines Papstes lag mit dem Rücktritt von Coelestin V. 1294 mehr als 700 Jahre zurück.
Ein Vorbild für die Unterbringung Benedikts konnte das Schicksal Coelestins kaum werden: Dessen Nachfolger Bonifaz VIII. ließ den damaligen Emeritus nach gescheiterter Flucht erst in Anagni, dann im Castello di Fumone in Ehrenhaft nehmen, um sich vor möglicherweise doch noch angemeldeten Ansprüchen auf den Stuhl Petri durch den Zurückgetretenen zu schützen. Benedikts Nachfolger Franziskus wollte diesem dagegen weiterhin eine Heimat im Vatikan bieten und bestimmte "Mater Ecclesiae" nach der Fertigstellung der Umbauarbeiten endgültig zum Altersruhesitz des Emeritus.
Benedikt XVI. lebte nicht allein in "Mater Ecclesiae"
Am 2. Mai 2013 empfing der Papst dort seinen Vorgänger bei dessen Einzug. Franziskus soll sich sehr darüber gefreut haben, Benedikt in seiner Nähe zu wissen: Er besuchte den bayerischen Kirchenmann oft und nannte ihn einen "Großvater", an dem man sich immer wenden könne. Der Papst etablierte zudem die Tradition, den Papa emeritus mit den neuen Kardinälen nach dem Konsistorium in seinem Kloster zu besuchen. Die Bilder der Kardinäle, die vor den beiden in weiß gekleideten Männern knieten, riefen nicht bei allen Gläubigen Freude hervor. Denn manche sahen die Einheit der Kirche angesichts der "zwei Päpste" auf die Probe gestellt.
Benedikt lebte bis zu seinem Tod an Silvester 2022 nahezu zehn Jahre in "Mater Ecclesiae" und setzte dort auf seine Weise die spirituelle Tradition des vatikanischen Klosters fort, den amtierenden Heiligen Vater durch das Gebet bei der Leitung der Kirche zu unterstützen. Nicht umsonst sagte Benedikt einige Wochen vor seiner Emeritierung zu römischen Priestern: "Auch wenn ich mich nun zurückziehe, bin ich im Gebet immer nah bei euch und ihr werdet immer nah bei mir sein, selbst wenn ich für die Welt verborgen bleibe." Gemeinsam mit dem Papa emeritus bildeten sein Privatsekretär Erzbischof Georg Gänswein und vier frühere Haushälterinnen, die als geweihte Jungfrauen der Laienvereinigung Memores Domini angehören, eine kleine geistliche Kommunität in "Mater Ecclesiae".
Nach den erneuten Renovierungsarbeiten, die im August begannen, übernehmen mit dem Jahreswechsel die sechs Nonnen aus Argentinien den spirituellen Staffelstab im Vatikan-Kloster. Sie gehören der Abtei Heilige Scholastika in Victoria an, einer Stadt im Großraum von Buenos Aires. Auch wenn die Benediktinerinnen in der Regel Fragen der Presse nicht beantworten, haben sie für katholisch.de eine Ausnahme gemacht. Derzeit leben 34 Nonnen in dem 1941 gegründeten Kloster, berichtet Schwester Mercedes. Der Impuls zur Errichtung der ersten Benediktinerinnen-Abtei in der Region ging von einem Benediktinerkloster in der argentinischen Hauptstadt aus. Ordensfrauen aus Argentinien und Brasilien bildeten damals unter dem Leitspruch "In gratia cantantes" ("Singt in Dankbarkeit") aus dem Kolosserbrief die erste Gemeinschaft von Benediktinerinnen.
Heute ist die Abtei in der argentinischen Hauptstadt und ihrer Umgebung als spirituelles Zentrum sehr bekannt. Die Nonnen bieten Interessierten Besinnungstage, geistliche Vorträge und Kurse "zur Vertiefung des christlichen Lebens und zum Nachdenken über den Lebenssinn" an, so Schwester Mercedes. Einen Namen haben sich die Ordensschwestern aber vor allem durch die Produktion von Süßwaren gemacht: Im Jahr stellen sie mehr als 30.000 Ostereier aus Schokolade her – einige davon sogar in besonders großer Ausführung. Auch traditionelles Gebäck zu den Weihnachts- und Ostertagen oder argentinische Alfajores produzieren die Nonnen. Von Papst Franziskus ist bekannt, dass er die Doppelkekse mit Karamell-Füllung und Schokoladenkuvertüre sehr gerne mag. Vielleicht ist das auch einer der Gründe, weshalb das Kirchenoberhaupt die argentinischen Benediktinerinnen in den Vatikan eingeladen hat?
Die Nonnen und der Papst teilen haben eine weitere Gemeinsamkeit: ihre besondere Beziehung zum verstorbenen Kardinal Eduardo Francisco Pironio (1920-1998). Der vor wenigen Tagen seliggesprochene Argentinier war Präfekt des Ordensdikasteriums und Präsident des päpstlichen Laienrates, zudem gilt er als Erfinder der Weltjugendtage. Franziskus war mit Pironio befreundet und hat noch als Erzbischof von Buenos Aires dessen Beatifikationsprozess ins Rollen gebracht. Die Abtei Heilige Scholastika besuchte der Kurienkardinal Pironio regelmäßig immer dann, wenn er auf Heimaturlaub in Argentinien war. Als Ordenspräfekt förderte er das Kloster in besonderer Weise. Die neuen Bewohnerinnen in "Mater Ecclesiae" zeigen, wie wichtig Papst Franziskus die Bande in seine Heimat Argentinien immer noch sind.