Ernannter Erzbischof Gössl: Wir brauchen keine zusätzlichen Gremien
Mit der Ernennung von Weihbischof Herwig Gössl hat sich Papst Franziskus bei der Besetzung des Bamberger Bischofsstuhls für einen Kirchenmann entschieden, der in der fränkischen Erzdiözese ein alter Bekannter ist. Der 56-Jährige ist im Erzbistum Bamberg aufgewachsen, dort zum Priester geweiht worden und seit 2014 Weihbischof in Bamberg. Als Diözesanadministrator nach dem Rücktritt von Erzbischof Ludwig Schick leitet Gössl das Erzbistum nun über ein Jahr lang. Im Interview mit katholisch.de will der künftige Erzbischof zwar keine umfassende Regierungserklärung abgeben. Gössl spricht aber dennoch über die Herausforderungen seiner kommenden Zeit als Oberhirte in Bamberg und seine Lehren aus dem Synodalen Weg.
Frage: Herr Weihbischof Gössl, wie lange mussten Sie überlegen, ob Sie die Ernennung zum neuen Bamberger Erzbischof annehmen?
Gössl: Diese Frage ist kompliziert. (lacht) Erstens wurde ich nicht gefragt, ob ich es werden will. Zweitens ist auch das Wollen eine schwierige Sache. Es war nicht mein Wunsch, Erzbischof von Bamberg zu werden. Aber wenn ich schon Diözesanbischof werden sollte, dann ist es mir sehr recht, das in Bamberg zu sein. Das macht es zu einer Freude. Natürlich habe ich mich auch schon in der Zeit der Sedisvakanz mit dieser Frage beschäftigt. Ich habe bis vor wenigen Tagen immer noch gedacht, es werde nicht mich treffen. Aber ich habe mir gesagt, dass ich mich nicht dagegen sperren werde, wenn ich es sein sollte. Denn ich spüre eine gewisse Verantwortung innerhalb der Kirche, einem solchen Ruf zu entsprechen. Es ist eine Berufung, zu der ich Ja sagen kann.
Frage: Es gibt einige Parallelen mit dem anderen am Samstag ernannten Erzbischof, Weihbischof Udo Bentz: Sie haben das gleiche Alter, Freisemester in Innsbruck absolviert und eine Tätigkeit in der Priesterausbildung im Lebenslauf stehen. Sind das also gute Voraussetzungen, um heute Erzbischof zu werden?
Gössl: Ich finde es interessant, dass es diese Parallelen zwischen uns gibt. Ich kenne Weihbischof Udo Bentz gut aus der Bischofskonferenz und schon vorher aus seiner Zeit als Regens. Ich denke, für einen Bischof ist es gut, wenn er diese Wertschätzung für die Priesterausbildung mitbringt. Innerhalb der Bischofskonferenz waren zudem viele Mitbrüder in irgendeiner Weise in der Priesterausbildung tätig. Ich hoffe im Übrigen aber nicht, dass jemand das Bischofsamt als Karriereziel hat.
Frage: Aufgrund ihres recht jungen Alters werden Sie die Kirche in Bamberg voraussichtlich für eine lange Zeit prägen – es könnten fast 20 Jahre werden. Was ist die größte Herausforderung, die auf Sie als Erzbischof in dieser Zeit zukommen wird?
Gössl: Unsere Zeit ist von einer sehr großen Distanz vieler Menschen zur Religion geprägt. Das schlägt sich in der Kirche im liturgischen und im Gebetsleben nieder, aber auch im Glaubenswissen und der Glaubenspraxis. Hier ist es besonders wichtig, Menschen in eine Gottesbeziehung zu führen – das geht nur durch authentische Vorbilder im Glauben. Das Leben als Christ aus dem Glauben heraus soll sich in vielen Bereichen zeigen, wie etwa Ehe und Familie, Verantwortung in der Gesellschaft und Politik. Dort sollte man die eigenen religiösen Überzeugungen nicht verstecken. Darin die Gläubigen zu unterstützen, ist mein Auftrag als künftiger Erzbischof von Bamberg.
Frage: Was ist Ihre persönliche spirituelle Heimat?
Gössl: Mein geistliches Leben ist von einer Christus-Spiritualität getragen, also einer Beziehung zu Jesus Christus, den ich von Kindheit an verehrt und geliebt habe. Das schlägt sich auch in meinem bischöflichen Wappenspruch nieder: "Du allein bist der Herr". Ansonsten bin ich von der benediktinischen Ordensspiritualität geprägt, die meinem Wesen entspricht. Aber auch die Begegnung mit dem Karmel hat mich geprägt. In einer meiner Pfarreien war das Säkularinstitut Notre-Dame de Vie ansässig, das sich an der karmelitischen Spiritualität ausrichtet. Die Heiligen des Karmel, wie etwa Teresa von Avila, Therese von Lisieux oder auch Johannes vom Kreuz, können auch den Gottsuchern unserer Zeit wichtige Impulse geben.
Frage: Der Papst wünscht sich mehr Synodalität in der Kirche, das zeigt besonders der weltweite synodale Prozess der Kirche. Während Ihrer Amtszeit als Erzbischof wird das Thema sicherlich noch an Bedeutung gewinnen. Was verstehen Sie unter Synodalität?
Gössl: Ich bin da selbst noch auf einem Lernweg. Ich glaube, auch als Kirche haben wir noch nicht richtig verstanden, was Synodalität bedeutet. Genau das möchte Papst Franziskus aber. Wir haben schon viele synodale Elemente in der Kirche in Deutschland, etwa durch die vielen Gremien, in denen Laien an den Entscheidungsprozessen beteiligt sind, aber die Entscheidungen am Ende nicht selbst treffen – außer in der Frage der Finanzen. Für mich bedeutet Synodalität, aufeinander zu hören, einander ernst zu nehmen und zu versuchen, dadurch einen gemeinsamen Weg als Kirche zu finden. Ich habe das beim Synodalen Weg in Deutschland erleben dürfen. Nicht so sehr in der Synodalversammlung, aber dafür in den kleineren Synodalforen und Arbeitsgruppen, in denen wir uns aufeinander zu bewegt haben. Natürlich haben wir uns auch gestritten, aber immer in einer konstruktiven Weise. So stelle ich mir Synodalität vor. Wir Bischöfe werden aber nicht darum herumkommen, die Entscheidungen am Ende zu treffen. Man kann sich nicht hinter synodalen Beschlüssen verstecken, nach dem Motto: Ich wollte das ja eigentlich gar nicht, aber die Mehrheit hat anders entschieden. Diese Ambivalenz zwischen der hierarchischen und der synodalen Struktur der Kirche wird bestehen bleiben. Das können wir nicht auf eine Seite hin auflösen, sondern wir werden beides im Spiel halten müssen.
Frage: Wie werden Sie Synodalität als Erzbischof in Bamberg leben? Ganz konkret: Werden Laien in Ihrem Erzbistum künftig mehr Verantwortung bekommen?
Gössl: Eine Regierungserklärung kann ich hier noch nicht abgeben. (lacht) Ich kann mir aber nicht vorstellen, dass eine deutliche Vermehrung von Gremien die Zukunft sein wird. Wir müssen eher schauen, wie wir mit den bestehenden Gremien gut weiterarbeiten können. Dazu kommt: Weder die Zahl der Ehrenamtlichen noch die finanziellen Mittel nehmen zu. Bei uns im Erzbistum sind wir auch bisher schon in synodaler Weise vorgegangen, etwa in der Ordinariatskonferenz. Dort werden viele Dinge besprochen, die dem Erzbischof zur Entscheidung vorgelegt werden. Ich habe nie erlebt, dass sich mein Vorgänger, Erzbischof Schick, dagegen gesperrt hätte. Auf der Ebene der Pfarrgemeinden ist es ähnlich: Natürlich wird ein Pfarrer manchmal nicht so handeln können, wie es der Pfarrgemeinderat möchte. Aber wenn er andauernd anders als das Gremium entscheidet, wird er damit nicht glücklich werden. Wir werden vielleicht noch besser lernen müssen, einander ernst zu nehmen, aber ich glaube nicht, dass wir hier viel neu erfinden müssen – und erst recht keine zusätzlichen Gremien einführen.
Frage: Nach dem Synodalen Weg hat sich ein neues Gremium auf nationaler Ebene gegründet, der Synodale Ausschuss, der die Einrichtung des Synodalen Rates vorbereiten soll. Werden Sie als Erzbischof weiterhin dabei sein?
Gössl: Für mich ist klar, dass ich beim Synodalen Ausschuss dabeibleibe. Man muss aber dazu sagen, dass der Ausschuss erst einmal überlegt, wie der Synodale Rat aussehen wird – also was da mit Blick auf die Vorgaben aus dem Vatikan möglich ist und was nicht. Ich bin gespannt, wie wir das mit den Beschlussfassungen des Synodalen Wegs überein bringen.
Frage: Es ist kein Geheimnis, dass Sie sich mit einigen Themen und Beschlüssen des Synodalen Wegs schwertun. Lassen Sie uns einen Punkt herausgreifen: die Segensfeiern für homosexuelle Paare. Wird es mit Ihnen als Erzbischof solche Segnungen geben?
Gössl: Ich habe nie einen Hehl daraus gemacht, dass ich mir solche Segnungsfeiern erst vorstellen kann, wenn die Lehre der Kirche sich dahingehend weiterentwickelt, dass im Zusammenhang mit Homosexualität nicht mehr von schwerer Sünde die Rede ist. Ich weiß, dass bei diesem Thema noch dicke Bretter gebohrt werden müssen, aber ich merke auch, dass da wirklich etwas in der Kirche in Bewegung ist. Ich möchte auf keinen Fall ausschließen, dass es bei diesem Thema ein Weiterdenken geben wird – selbst angesichts der jüngsten Äußerungen aus Rom. Ich möchte nicht ausschließen, dass es irgendeine Form von Segnungsfeiern in der Zukunft gegeben wird, aber im Moment sehe ich das für unser Erzbistum noch nicht. Auch bei den Gesprächen auf Ebene der Bischofskonferenz zu diesem Thema ist noch nicht klar, wohin genau dieser Weg geht.
Frage: In den vergangenen Jahren sind die Polarisierungen innerhalb der katholischen Kirche größer geworden, wie sich in Deutschland, aber auch weltkirchlich zeigt. Beunruhigt Sie das? Oder ist das aus Ihrer Sicht in Ordnung, denn vor kurzem sagten Sie, dass es in der Kirche durchaus nicht immer harmonisch zugehen muss.
Gössl: Dass es nicht immer harmonisch in der Kirche zugehen muss, ist eine Beschreibung der Realität, denn es wird nicht immer harmonisch zugehen – im Übrigen war das auch noch nie so. Wir müssen uns aber schon um eine möglichst große Einheit in Ortskirche und Weltkirche bemühen, das ist auch Wesen des bischöflichen Amtes. Das Ringen um Einheit dürfen wir nicht aufgeben, bei allem Streit um Sachfragen und Befindlichkeiten, die es immer geben wird. Wir dürfen uns nicht damit abfinden, uns zu zerstreiten.
Frage: Machen Sie auch innerhalb der Bischofskonferenz tiefe Gräben zwischen verschiedenen Lagern aus?
Gössl: Ich bin nun fast zehn Jahre Mitglied der Bischofskonferenz, und dass es unterschiedliche Meinungen gibt, halte ich für normal – ebenso wie ein ernsthaftes Ringen miteinander. Man kann aber sicher nicht sagen, da ist die eine und dort die andere Fraktion. Nach außen hin stellt es sich so dar, sodass man die einzelnen Bischöfe in bestimmte Schubladen steckt. Die Positionen sind aber sehr durchwachsen, wenn man genau hinsieht. Und es ist keinesfalls so, dass wir permanent nur streiten.
Frage: Im Erzbistum Bamberg ist aufgrund der Diaspora-Situation in Franken das Thema Ökumene besonders wichtig. Wie steht es um die ökumenische Zusammenarbeit in Deutschland?
Gössl: Wir Katholiken sitzen mit den Protestanten und den anderen Konfessionen in einem Boot. Durch die neue Kirchenmitgliedschaftsstudie vor einigen Wochen ist deutlich geworden, dass die Unterschiede zwischen den Kirchen in der Wahrnehmung der Menschen marginal sind. Deshalb müssen wir ökumenisch miteinander auf dem Weg bleiben und Rücksicht aufeinander nehmen. Bei uns im Erzbistum habe ich das auch immer so erlebt, aber auch auf Ebene der Freisinger Bischofskonferenz, bei der wir Begegnungen mit den evangelischen Regionalbischöfen haben. Die Gesprächsatmosphäre ist dort immer sehr gut.
Frage: Aber wenn man etwa auf den Ausstieg der Protestanten aus der Woche für das Leben oder andere Signale schaut, steht es doch offensichtlich nicht gut um die Ökumene.
Gössl: Da sind die Positionen der Kirchen sicher unterschiedlich, aber gerade in der evangelischen Kirche gibt es auch viele widersprüchliche Meinungen, besonders bei den Fragen, die den Lebensschutz betreffen. Der Ausstieg aus der Woche für das Leben wurde auch unter Protestanten kritisch gesehen. Es ist mein Wunsch, dass wir uns ökumenisch gut abstimmen, bevor wir uns als Kirchen mit Äußerungen zu ethischen Fragen an die Gesellschaft richten. Das wäre wichtig, um nicht von den Positionen des anderen überrascht zu werden. Ich freue mich aber, dass die Woche für das Leben in Bayern auf bewährte Weise ökumenisch fortgesetzt werden soll.