Nun kündigt sich auch noch ein unschönes Zerren um ihre sterblichen Überreste an. Die Vereinigung "Zur Rückkehr von Bernadette Soubirous nach Lourdes" will genau das: die größte Tochter der Stadt aus ihrem Sterbeort Nevers zurück ans Ufer des Flüsschens Gave holen. Der Vorsitzende der Gruppierung, Jose Marthe, stützt sich laut Presseberichten mit seinem Anliegen auf die Nachkommen der Familien Soubirous väterlicher- und Casterot mütterlicherseits. Ein kommerzielles Interesse weist Marthe zurück. Das Anliegen sei "ganz rein".
In Nevers im Westen Burgunds kümmern sich die drei verbliebenen Ordensschwestern um die Kapelle mit den sterblichen Überresten der Heiligen. Der Orden könne sein großes Klosterareal nur aufgrund der Anwesenheit der Reliquien aufrechterhalten, hieß es. Das Tourismusamt von Nevers beziffert die Einnahmen in Zusammenhang mit der Seherin von Lourdes auf rund 2,5 Millionen Euro jährlich.
Bernadettes Orden verweist auf ihren Letzten Willen, an ihrem Sterbeort, bei ihrem Orden beigesetzt zu werden. So argumentiert auch die offizielle Verwaltung des Heiligtumsbezirks von Lourdes. Sie bezeichnet das Projekt einer Rückführung als von vornherein vergeblich. Dagegen Jose Marthe: "Das ist doch alles Hörensagen. Es gibt kein einziges entsprechendes Dokument aus der Hand von Bernadette."
Eine gebrochene Lebensgeschichte
Die Lebensgeschichte der Heiligen jedenfalls ist eine gebrochene, sowohl in ihrer Heimat als auch in ihrem Orden: ein Mädchen aus bettelarmem Elternhaus, Jahrgang 1844, kränklich, lernschwach und ob ihrer materiellen und körperlichen Mängel verachtet, erfährt mit 14 Jahren beim Schafehüten das Schlüsselerlebnis ihres kurzen Lebens: Zwischen dem 11. Februar und dem 16. Juli 1858 erscheint ihr nach eigener Schilderung in der Grotte von Massabielle bei Lourdes 18 Mal eine schöne Dame, die sich als die "Unbefleckte Empfängnis" zu erkennen gibt. Die Gottesmutter selbst habe sie beauftragt, eine Kapelle zu errichten und Wallfahrten abhalten zu lassen, berichtet Bernadette.
Nirgends zählt ein Prophet so wenig wie in seiner Vaterstadt - das Bibelwort gilt zunächst auch in dem verschlafenen Ort am Fuß der Pyrenäen. Pilgerströme und Journalisten fallen ein in das Provinzidyll; erste Berichte über unerklärliche Heilungen. Doch zu Hause wird Bernadette von ihrer Mutter der Lüge bezichtigt für ihren "Faschingsrummel".
Der Ortspfarrer und der Bischof unterziehen sie strengen Verhören. Und der Bürgermeister, dem die Behörden schon drohen, man werde die geplante Zugtrasse an Lourdes vorbeilegen, wenn der Ort nicht bald zur Besinnung komme, klagt: "Sie werden sehen, diese kleine Landplage hat uns die Eisenbahn vermasselt."