Pfarrer Markian Bukatchuk und sein Wunsch für Weihnachten

Priester aus Ukraine: Glaube an keinen Gott, der straft

Veröffentlicht am 23.12.2023 um 12:00 Uhr – Von Markian Bukatchuk – Lesedauer: 

Ivano-Frankivsk ‐ Pfarrer Markian Bukatchuk ist Priester, Familienvater und arbeitet als Schulleiter in der Ukraine. Seit fast zwei Jahren ist in dem Land Krieg. Wie der Seelsorger Weihnachten feiert und was sein größer Wunsch ist, davon schreibt er in einem Gastbeitrag für katholisch.de.

  • Teilen:

Obwohl wir in der Ukraine noch immer im Krieg sind, geht es mir und meiner Familie gut. Meine Frau und ich versuchen unseren beiden kleinen Kindern so gut wie möglich ein Stück Frieden in dieser Welt zu bieten. Ich bin Priester und arbeite als Schulleiter an einem katholischen Gymnasium in Ivano-Frankivsk. Unsere St. Basilius-Schule besuchen 365 Schülerinnen und Schüler. Der Unterricht läuft fast wieder so wie vor dem Ausbruch des Krieges. Nur wenn es Luftalarm gibt, dann flüchten alle so schnell wie möglich in den Schutzkeller der Schule. In letzter Zeit kam das leider sehr oft vor. 

Der Schulbetrieb ist trotzdem normal, denn die meisten Schüler, die anfangs auf der Flucht vor dem Krieg und der Gewalt weggezogen sind, sind wieder zurückgekehrt. Das ist für mich ein Hoffnungszeichen. Zwar ist es im Ausland sicherer als bei uns, aber die Familien wollen zu Hause sein, bei ihren Verwandten und Freunden. Daheim zu sein, das ist ihr größter Wunsch, auch an Weihnachten. Das erzählen mir auch die 13 Schüler aus unserer Schule, die noch im Ausland sind. Ich habe regelmäßig Kontakt zu ihnen. Sie nehmen an Kursen teil, die online stattfinden und erarbeiten sich den Unterrichtsstoff teilweise selbst. Als Schulleiter unterrichte ich auch zwei Klassen in den Fächern Geschichte und Rechnungswesen. Ich bin jeden Tag an der Schule. Ich bin auch neben vier weiteren Priestern einer der Seelsorger an unserer Schule. In unserer Kapelle feiern wie jeden Tag mit anderen Schülergruppen einen Gottesdienst, dazu gibt es auch die Möglichkeit, zu beichten.

Bild: ©Markian Bukatchuk

Auch das St. Basilius-Gymnasium in Ivano-Frankivsk ist trotz des Krieges in der Ukraine weihnachtlich geschmückt.

Wir griechisch-katholischen Christen sind in der Ukraine mit fast sechs Millionen Gläubigen eine Minderheit. Anders als unsere orthodoxen Brüder und Schwestern setzen wir neben der Liturgie stärker den Akzent auf das soziale Miteinander, auf Bildung und Nächstenliebe. Mir persönlich ist es wichtig, als Schulseelsorger den Kindern zu vermitteln, dass Gott da ist, dass wir ihn spüren können in unserem Leben. Auch wenn Krieg ist. In den letzten Wochen haben wir die Schule schon weihnachtlich geschmückt und sogar die Krippe in der Hauskapelle aufgestellt. Der Advent dauert bei uns etwas länger als in anderen Gemeinschaften: Wir haben nicht nur vier Adventssonntage, sondern insgesamt 40 Tage als Vorbereitung auf Weihnachten.

Ich freue mich sehr darauf, zu Hause den Tannenbaum aufzustellen und gemeinsam mit den Kindern die Kugeln draufzuhängen. Ich denke mit einem frohen Gefühl an diese Zeit, obwohl wir noch immer im Krieg sind. Es ist ein merkwürdiges Gefühl. Dieses Jahr ist es schon das zweite Kriegs-Weihnachten. Dennoch spüre ich, dass Gott bei uns ist, dass er uns mit seiner Liebe nicht verlässt. Ich glaube an keinen Gott, der straft, Gott ist gerecht. Ich glaube, Gott möchte, dass es uns gut geht und dass er mit uns leben möchte. Das feiern wir an Weihnachten. 

Mein Schwager kämpft im ukrainischen Militär an der Front

Bei mir zu Hause ist es so, dass wir den Heiligabend zusammen als Familie verbringen. Die Großeltern und Geschwister kommen zu Besuch. Dann gibt es ein großes Abendessen für alle, das aus 12 Gerichten besteht. Es sind vor allem fleischlose Gerichte wie gefüllte Piroggen oder Speisen mit Kraut und Gemüse. Sie werden alle zugleich auf den Tisch gestellt. Diese 12 Speisen erinnern an die 12 Stämme Israels und die 12 Apostel Jesu in der Bibel. Für mich ist dieses Essen immer ein sehr feierlicher Moment. Und dann freue ich mich auf die Gottesdienste und die feierliche Liturgie. Wenn ich in die Kirche gehe, nehme ich meine Familie meistens mit. Meine Frau und die beiden Kinder stehen dann vorne, ganz in der Nähe bei mir. Wenn meine kleinen Kinder lieber spielen wollen, gehen sie mit meiner Frau nach draußen, denn vor der Kirche gibt es einen Spielplatz. Über einen Lautsprecher kann man dort draußen den Gottesdienst mitverfolgen. An den Weihnachtsfeiertagen besuchen wir dann unsere Verwandten in meinem Heimatort, singen zusammen Weihnachtslieder und verbringen eine schöne Zeit miteinander. Nicht alle werden dabei sein, denn mein Schwager kämpft im ukrainischen Militär an der Front.

Bild: ©Markian Bukatchuk

Markian Bukatchuk ist Priester der ukrainisch-katholischen Kirche und lebt mit seiner Familie in Ivano-Frankivsk.

Für uns Ukrainer sowie für viele Russen ist Weihnachten ein bedeutendes Fest im Jahr. Obwohl wir beide Länder durch unseren christlichen Glauben verbunden sind, ändert dies nichts an dem Krieg. Warum? Nicht, weil die Ukrainer unchristlich oder rücksichtslos wären oder Freude an solch schrecklichen Ereignissen empfinden würden. Nein, sie verteidigen ihr Land. Das ist ihr Recht und ihre Pflicht, und das ist richtig so. Dieser Krieg dauert immer noch an, weil der russische Angreifer die Bedeutung von Weihnachten missverstanden hat. Die Heiligen Kirchenväter sagten über Weihnachten: "Gott ist Mensch geworden, damit wir vergöttlicht werden." Dieses Fest ist ein Moment, in dem sich jeder Mensch mit Gott verbindet. Jemand, der sich nicht auf dieses Treffen vorbereitet, kann keinen Frieden schaffen. Er ist eher bereit für das Gegenteil – Krieg, Gewalt und Mord zu verbreiten. Er strebt nicht danach, vergöttlicht zu werden, sondern selbst wie Gott zu sein. Dieser Wunsch führt zu nichts Gutem. Ein solcher erschöpfender Krieg kann noch lange andauern. Aber er kann genauso schnell beendet werden. Darauf hoffe ich.

Wenn ich in die Krippe schaue, sehe ich ein friedliches Bild und so viel Hoffnung. Als Priester und Vater von Kindern, die eine friedliche Zukunft verdienen, hoffe ich, dass die Menschen in verantwortungsvollen Positionen in der Welt die wahre Botschaft von Weihnachten verstehen und umkehren, um Frieden in der Welt zu schaffen, besonders für die Kinder. Das ist mein Weihnachtswunsch.

Von Markian Bukatchuk

Zur Person

Markian Bukatchuk (30) ist Priester des Erzbistums Ivano-Frankivsk und leitet dort das katholische St. Basilius Gymnasium. Von 2013 bis 2017 hat Bukatchuk in Fulda katholische Theologie studiert und sein Studium auch dort abgeschlossen.