Standpunkt

An Weihnachten wird Gott zur Frage

Veröffentlicht am 21.12.2023 um 00:01 Uhr – Von Dominik Blum – Lesedauer: 

Bonn ‐ Das Schicksal der Väter, die ihre Söhne im Krieg in der Ukraine oder im Heiligen Land verlieren, bewegt Dominik Blum. Er blickt auf seine eigene Familie – und begegnet zu Weihnachten einem Gott, der mit seinem Sohn ganz anders umgeht.

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Ja, das ist ein Männerthema. Ein Vater-Sohn-Ding, ein ganz trauriges. Kürzlich saßen wir in einer Männerrunde zusammen, Söhne und Väter. Trotz Weihnachten oder gerade mit Blick auf das Fest haben wir über die Kriege gesprochen, in der Ukraine, im Heiligen Land. Überall ist zu lesen, wie viele Zivilisten, Frauen und Kinder zu Tode gekommen sind. Furchtbar, kaum auszuhalten. Und dann fragt einer: "Und die Männer, die Soldaten? Ist das normal, dass die sterben? Gehört das zum Krieg dazu, ganz selbstverständlich? Wie geht es wohl den Vätern, deren Söhne verrecken?"

Die Söhne, das sind im russischen Krieg gegen die Ukraine oft halbe Kinder wie "Igor aus St. Petersburg". Heinz Rudolf Kunze hat ihn auf seinem neuen Album beschrieben. Kindlich, ängstlich, schmächtig. Kein Krieger, keine Killermaschine. Ein Junge aus Leningrad. Die Zahlen der getöteten Soldaten werden nicht veröffentlicht, in Russland angeblich nicht einmal offiziell gezählt. Schätzungen von Experten gehen von insgesamt 300.000 bis 500.000 toten Söhnen auf beiden Seiten der Front aus. Auch der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu äußert sich nicht zu den eigenen toten Soldaten im Krieg gegen den Hamas-Terror. Für ZAHAL, die israelische Armee, kämpfen offiziell auch Frauen.

Heute hat Reinhard Mey Geburtstag. Er wird 81. Der Pazifist hat sein Leben lang gegen den Krieg gesungen. Es gibt kaum ein Lied, das mir als Vater so sehr aus der Seele spricht wie "Nein, meine Söhne geb' ich nicht". Ich habe auch zwei Söhne, 21 und 24. Beide habe ich, so gut ich konnte, Erbarmen, Vergeben und Lieben gelehrt. Auch meine Söhne würde ich nicht geben. Ich würde sie verstecken, mit ihnen fliehen, die Jungs nie in den Krieg ziehen lassen. Nein, meine Söhne geb' ich nicht.

Mit dieser Überzeugung gehe ich auf Weihnachten zu. Und treffe da auf einen Gott, den ich Vater nennen darf, und der eine ganz andere Einstellung hat. Der Abba-Gott gibt seinen Sohn. Er gibt ihn als Mensch in diese Welt. Und wer als Mensch in dieser Welt ist, muss immer mit dem Tod rechnen. So sehr hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen einzigen Sohn gab, damit wir nicht verloren gehen, lese ich im Johannesevangelium (Joh 3,16).

Wir haben in der Männerrunde diesen Gott nicht verstanden. Und diese Welt auch nicht. Wir gehen mit einer Frage in die Weihnachtstage, haben wir uns versprochen.

Von Dominik Blum

Der Autor

Dominik Blum ist Pastoraler Koordinator in der Katholischen Pfarreiengemeinschaft Artland im Bistum Osnabrück.

Hinweis

Der Standpunkt spiegelt ausschließlich die Meinung der Autorin bzw. des Autors wider.