Schwester Jordana Schmidt über das Sonntagsevangelium

Wer bin ich, dass du mich suchst?

Veröffentlicht am 23.12.2023 um 12:00 Uhr – Lesedauer: 
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Schwalmtal-Waldniel ‐ Schwester Jordana Schmidt fällt es manchmal schwer, sich an Heiligabend auf die Geschehnisse von vor so vielen Jahren einzulassen. Aber gerade das Evangelium an diesem Vierten Advent zeigt, dass Gott bei uns sein möchte: Jeder Mensch darf sich mit Maria identifizieren.

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"Wer bin ich, dass du mich suchst, wie kommt es, dass es mich freut". Viele Male habe ich dieses Lied von Horst Christill aus dem Album "Lass dein Licht leuchten" in dieser Adventszeit gehört. Es ist wunderbar stimmungsvoll und handelt genau von der Episode des Lukasevangeliums heute: der Engel, der zu Maria kommt und die sich wundert, warum ICH? Wer bin ich, dass ICH gefragt werde, dass ICH gesucht werde? Die Stimmung dieses Liedes verzaubert mich jedes Mal und bringt mich diesem Geschehen, von dem Lukas erzählt, nahe: die Geburt unserer christlichen Religion. Sie beginnt mit dieser Begegnung. Eine normale junge Frau wird vom Himmel besucht und sie wird mit etwas Großem konfrontiert: Sie soll Gott in sich tragen, ihn gebären!

Diese Begegnung ist unglaublich zentral – fast noch mehr als die tatsächliche Geburt, die wir heute Abend feiern. Denn es beginnt mit diesem JA Mariens. Ohne dieses JA gäbe es alles andere nicht, von dem im Neuen Testament berichtet wird. Hier beginnt die Menschwerdung Gottes. Auch in uns, in mir, denn ich darf mich mit dieser Frau identifizieren (und als Mann dürfen Sie das auch). Ich und wir sind ebenfalls gewöhnlich, menschlich, fragend, unsicher.  Der christliche Glaube ist ein Miteinander von Gott und Mensch. Ein Verwobensein, denn es gibt keine tiefere Verbindung als die der Frau, die ein Kind in sich trägt. Mehr geht nicht. Und DAS ist das Bild der Weihnacht, das Bild meines Glaubens. Gott möchte mit uns verbunden sein, in uns, um uns. Dieser Text im Lukasevangelium macht mir aber auch klar, dass mein Einverständnis gewünscht ist. Gott ist niemand, der einfach in Besitz nimmt. Er fragt, er lässt sich hinterfragen und lässt mir die Freiheit, ihn willkommen zu heißen.

Heute Abend feiern wir die Heilige Nacht – Weihnachten! Selbst mir fällt es schwer, mich innerlich auf dieses Geschehen von vor so vielen Jahren einzulassen. Die Äußerlichkeiten dieses Festes beschäftigen mich sehr. Das kennen Sie sicher auch. Aber egal, wie wir heute das Fest feiern, wir sind nicht alleine. Gott möchte bei uns sein. Dafür braucht er kein geputztes Haus, keinen tollen Weihnachtsbaum oder Geschenke, keine Familie oder sonst etwas. Er braucht mich und dich! Erst dann wird Weihnachten Wirklichkeit und Teil unseres Lebens und kein Traditionsfest ohne Inhalt. Ich werde heute Abend kurz Innehalten und an diese Begebenheit von Gabriel und Maria denken und ich hoffe, es gelingt mir von Herzen einzustimmen in das Lied und mich zu freuen: Wer bin ich, dass du mich suchst, wie kommt es, dass es mich freut!

Von Herzen Frohe Weihnachten!

Evangelium nach Lukas (Lk 1,26-38)

In jener Zeit wurde der Engel Gábriel von Gott in eine Stadt in Galiläa namens Nazaret zu einer Jungfrau gesandt.

Sie war mit einem Mann namens Josef verlobt, der aus dem Haus David stammte. Der Name der Jungfrau war Maria.

Der Engel trat bei ihr ein und sagte: Sei gegrüßt, du Begnadete, der Herr ist mit dir.

Sie erschrak über die Anrede und überlegte, was dieser Gruß zu bedeuten habe.

Da sagte der Engel zu ihr: Fürchte dich nicht, Maria; denn du hast bei Gott Gnade gefunden.

Siehe, du wirst schwanger werden und einen Sohn wirst du gebären; dem sollst du den Namen Jesus geben.

Er wird groß sein und Sohn des Höchsten genannt werden. Gott, der Herr, wird ihm den Thron seines Vaters David geben.

Er wird über das Haus Jakob in Ewigkeit herrschen und seine Herrschaft wird kein Ende haben.

Maria sagte zu dem Engel: Wie soll das geschehen, da ich keinen Mann erkenne?

Der Engel antwortete ihr: Heiliger Geist wird über dich kommen und Kraft des Höchsten wird dich überschatten. Deshalb wird auch das Kind heilig und Sohn Gottes genannt werden.

Siehe, auch Elisabet, deine Verwandte, hat noch in ihrem Alter einen Sohn empfangen; obwohl sie als unfruchtbar gilt, ist sie schon im sechsten Monat. Denn für Gott ist nichts unmöglich.

Da sagte Maria: Siehe, ich bin die Magd des Herrn; mir geschehe, wie du es gesagt hast.

Danach verließ sie der Engel.

Die Autorin

Schwester Jordana Schmidt OP ist gelernte Familientherapeutin und Diplom-Heilpädagogin. Seit 1994 gehört sie den Dominikanerinnen von Bethanien an. Von 2002 bis 2012 arbeitete sie als Erziehungsleiterin im Bethanien Kinderdorf in Schwalmtal-Waldniel und war zwischen 2012 und 2020 Kinderdorfmutter. Heute lebt sie als SPLG Mutter (Sozialpädagogische Lebensgemeinschaften) mit zwei Kindern in Krefeld. Momentan sie ist mehrmals im Jahr im Radio bei "Kirche im WDR" zu hören. Ihre Bücher "Auf einen Tee in der Wüste" und "Ente zu verschenken" waren wochenlang auf der Spiegel-Bestsellerliste.

Ausgelegt!

Als Vorbereitung auf die Sonntagsmesse oder als anschließender Impuls: Unser Format "Ausgelegt!" versorgt Sie mit dem jeweiligen Evangelium und Denkanstößen von ausgewählten Theologen.