Heße verteidigt Papst: Gnade geht über normativen Weg hinaus
Der Hamburger Erzbischof Stefan Heße verteidigt das neue Vatikan-Papier zur Segnung homosexueller, unverheirateter und wiederverheirateter Paare. "Das Besondere an diesem Dokument ist, dass es in sogenannten 'irregulären Beziehungen' Wertvolles ausmacht", sagte Heße am Samstag im Interview von stern.de. "Es wird klar gemacht, dass jeder Mensch, wenn er Sehnsucht nach der Zuwendung Gottes hat, diese auch zugesagt bekommen soll."
Jeden einzeln zu segnen, sei auch bisher theologisch kein Problem gewesen, so der Erzbischof. "Es geht explizit um Paare, die nicht ins Schema passen." Es gehe darum, diese Beziehungen neu zu sehen. "Der Papst sagt hiermit, dass es viel mehr zu beachten gilt als die bloße Norm. Gnade geht weit über den normativen Weg hinaus. Eine starke Aussage."
Am Montag hatte die vatikanische Glaubensbehörde überraschend eine Grundsatzerklärung veröffentlicht. Sie erlaubt es Priestern, homosexuelle und auch unverheiratete und wiederverheiratete Paare zu segnen. Zugleich fordert der Vatikan, eine Verwechslung mit einer Eheschließung auszuschließen. Die katholische Lehre, wonach die sexuelle Vereinigung nur innerhalb einer Ehe von Mann und Frau erlaubt sei, bleibe unverändert. Auch dürfe die Segnung nicht in einem gottesdienstlichen Rahmen erfolgen.
Geteiltes Echo
Innerkirchlich löst das Dokument ein geteiltes Echo aus; in Afrika und Osteuropa stößt es auf massive Ablehnung. Der frühere vatikanische Glaubenspräfekt, der deutsche Kardinal Gerhard Ludwig Müller, sprach von "Gotteslästerung".
Nach den Worten Heßes handelt es sich nicht um eine neue Moraltheologie, sondern um eine Ausweitung des Segensbegriffs. Das sei ein plausibler Weg. "Viele gleichgeschlechtliche und geschieden wiederverheiratete Paare leben eine Zugewandtheit, eine Opferbereitschaft, eine Treue, die endlich gewürdigt wird."
Heße räumte ein, dass der Begriff "irregulär" abschätzig verstanden werden könne. Der Papst müsse aber mit Blick auf das Sakrament der Ehe deutlich unterscheiden. "Gleichzeitig geht er den wichtigen Schritt und sagt: keinen ausschließen, keinen diskriminieren, keinen herabwürdigen." Zu Franziskus sagte Heße: "Ich habe den Eindruck, dass er Schritt für Schritt Pflöcke setzt. Inzwischen ergibt das eine Linie, für die ich dankbar bin." Der Papst sei kein Theologieprofessor gewesen wie manche seiner Vorgänger. Seine Denkart sei anders. "Er klärt nicht jedes Detail vorab, und dennoch kommt man mit seinen Impulsen voran." (KNA)