Bischof Overbeck: Endlich mit Verklärung der Volkskirche aufhören
Der Essener Bischof Franz-Josef Overbeck hat in seiner Neujahrsbotschaft für ein anderes Verständnis von Kirche geworben. Es brauche Offenheit für Neues und Veränderung statt Verklärung des Vergangenen, sagte der Bischof laut Redemanuskript in seiner Neujahrspredigt. Die aktuelle Kirchenkrise sei "eine Wirklichkeit, die bleibt". Es gelte "auszuhalten, dass eine zunehmende Mehrheit in unserem Land keiner Religionsgemeinschaft mehr angehören will".
Der Bischof forderte von den Gläubigen Mut, "endlich damit aufzuhören, an einer verklärten Art von Volkskirche festzuhalten, die es so wahrscheinlich nie gegeben hat, nicht gibt und auch nie geben wird". Er verstehe Trauer, wenn Vertrautes verloren gehe. Es habe aber auch in der Vergangenheit Schattenseiten gegeben, zum Beispiel vielfach großen Druck, das eigene Leben an die oft strengen, religiösen und auch moralischen Vorstellungen der jeweiligen Zeit anzupassen. Viele hätten darunter gelitten, wenn sie die hohen kirchlichen Normen nicht erfüllen konnten, sagte der Ruhrbischof. Dies sei ein wichtiger Grund, warum sich viele Menschen vom Glauben abgewandt hätten.
Tradition "kein fest geschnürtes Paket"
Christinnen und Christen sollten heute "offen sein für wirklich Neues, ohne sich dabei jede beliebige Tendenz zu eigen machen zu müssen", sagte Overbeck. Der Glaube an Gott vertrage keinen Stillstand. Tradition sei "kein fest geschnürtes Paket, das unveränderlich durch die Zeiten getragen wird". Vielmehr gehöre zur Vielfalt des Katholischen, "den Glauben mit der jeweiligen Zeit und den Fragen der Menschen zu verbinden".
Overbeck forderte innerkirchlich mehr Bereitschaft dazu, andere Positionen zu verstehen. Es mache ihm Sorgen, "mit welcher Unbarmherzigkeit viele Auseinandersetzungen geführt werden". Wenn unter dem Mantel vermeintlicher Rechtgläubigkeit Christinnen und Christen mit anderen Ansichten das Katholisch-Sein abgesprochen werde, widerspreche dies der biblischen Botschaft, sagte Overbeck. "Stattdessen sollten wir für ein Christentum und ein Kirche-Sein eintreten, das Menschen in all ihrer Unterschiedlichkeit verbindet und für Ausgleich und Versöhnung sorgt." Das sei nicht nur für die Kirche wichtig, sondern stärke auch Demokratie, Freiheit, Frieden und Gerechtigkeit in der Gesellschaft. (KNA)