Eine unnötige Verbitterung der Menschen vermeiden
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Das geduldige Ertragen von Widrigkeiten – neuerdings Resilienz genannt – gilt allgemein als erstrebenswertes Erziehungsziel. In den Klöstern hat man diese Tugend früher gerne gefördert, indem man den Klosteranwärtern künstliche Erschwernisse auferlegt hat. Inzwischen ist das absichtsvolle Erfinden solcher Quälereien verpönt; der gewöhnliche Alltag bietet schon reichlich Plage, von Telefonschleifen und Cookies bis zum Ertragen gravierender menschlicher Unzulänglichkeit. Dem muss nicht noch künstlich anderes hinzugefügt werden. Auch nicht im Kloster.
Unsere Gesellschaft muss diese Lernkurve aber offensichtlich erst noch durchmachen. Jedenfalls wird das Alltagsleben in neuester Zeit durch allerlei absichtsvoll konstruierte Hürden mühsamer gemacht: Klimakleber, Eisenbahnerinnenstreiks und Bauernproteste, dazu die Deutsche Bahn, die in dieser Hinsicht in einer ganz eigenen Liga spielt – alle machen mit bei der künstlichen Erschwerung des Lebens für ziemlich unschuldige Menschen.
Das ist unerfreulich, auch wenn es für ausgeglichene Menschen immerhin den positiven Nebeneffekt hat, dass Geduld und Resilienz geübt und gekräftigt werden. Aber was ist mit den weniger gelassenen Gemütern? Die werden durch diese Widrigkeiten nicht gestärkt, eher im Gegenteil: Sie werden frustriert und bitter, verfallen in Traurigkeit oder gar Wut.
Das Verschaffen von Glückseligkeit ist bei uns kein Staatsziel. Aber die Vermeidung von unnötiger Verbitterung als Aufgabe für Verantwortungsträger erscheint nicht unbillig. In der Benediktusregel, einem Urdokument europäischer Gesellschaftsorganisation (um 529), heißt es, dass niemand im Hause Gottes betrübt werden solle. "Vermeide unnötige Betrübnis zu Lasten Dritter" ist eine vernünftige Vorgabe und, anders als Glückseligkeit, auch für Verantwortungsträger mit säkularem Hintergrund vorstellbar.
Der Autor
Jeremias Schröder OSB ist Abtpräses der Benediktinerkongregation von St. Ottilien.Hinweis
Der Standpunkt spiegelt ausschließlich die Meinung der jeweiligen Autorin bzw. des Autors wider.