Nach ForuM-Studie: Beauftragte fordert Regeln für Anerkennungszahlungen
Die Missbrauchsbeauftragte der Bundesregierung, Kerstin Claus, hat ihre Forderung nach verbindlichen Regeln für Anerkennungszahlungen für Missbrauchsbetroffene in der evangelischen Kirche erneuert. Auch müsse die Kirche Kosten für Therapieplätze und für Unterstützungs- und Hilfeangebote übernehmen, sagte Claus den Zeitungen der Funke Mediengruppe (Freitag). "Viele der Betroffenen sind traumatisiert. Ich finde es sehr gut, dass die hessische Landeskirche einen Sockelbetrag von 20.000 Euro für Betroffene von Missbrauch festgelegt hat, vielerorts sind es nur 5.000 Euro", erklärte Claus. "Es muss jetzt Transparenz und Verbindlichkeit bei den Anerkennungszahlungen hergestellt werden, verpflichtend für alle Landeskirchen."
Die erste bundesweite Missbrauchsstudie für evangelische Kirche und Diakonie war vergangene Woche in Hannover vorgestellt worden. Demnach finden sich in kirchlichen Akten Hinweise auf mindestens 2.225 Betroffene und 1.259 Beschuldigte in den Jahren 1946 bis 2020. Die Autoren kritisierten allerdings, dass 19 von 20 Landeskirchen entgegen der ursprünglich getroffenen Vereinbarung nur die weniger aussagekräftigen Disziplinarakten und nicht die wesentlich größere Menge der Personalakten ihrer Geistlichen ausgewertet hatten. Die Forscher gehen deshalb davon aus, dass bundesweit in den kirchlichen Akten weit höhere Zahlen nachzuweisen sind.
Claus betonte, dass die Studie sichtbar mache, dass die Missbrauchsfälle in der evangelischen Kirche keine Einzelfälle seien. "Genau das aber wurde den Betroffenen immer von Seiten der Kirche erzählt." Sie nannte es erschreckend, dass sich die Kirche gegen Meldestellen, externe Hilfeangebote und Aufklärung wehre, weil sich Verantwortliche angeblich unter Generalverdacht gestellt fühlten. "Die Kirche braucht aber die von den Forschern klar empfohlenen und von Betroffenen schon lange geforderten unabhängigen Meldestellen und Ombudsstellen, damit Betroffene sich melden und auch miteinander in Verbindung treten können", so Claus. Die evangelische Kirche ziehe sich beim Umgang mit sexualisierter Gewalt in Kirchengremien zurück, und vieles bleibe im Dunkeln für die Öffentlichkeit. "Das ist Hinterzimmer-Politik, und davon muss sich die Kirche verabschieden. Bischöfe müssen endlich Rede und Antwort stehen." (KNA)