Ordensmann zu Klosterschließung: Entscheidung erschütterte mich
Die Deutsche Franziskanerprovinz hat beschlossen, die Niederlassung auf dem Engelberg bei Großheubach in Unterfranken aufzulösen. Momentan lebt dort auch noch Bruder Othmar Brüggemann (Foto oben, links). Der 63-jährige Ordensmann und Franziskaner ist in dem Franziskanerkloster am Engelberg als Wallfahrtsseelsorger tätig. Das Aus des Klosters bewegt ihn. Im Interview mit katholisch.de spricht er über den Grund für die Auflösung und wie es ihm beim Abschiednehmen ergeht. Denn eigentlich wollte er länger dort bleiben.
Frage: Bruder Othmar, wie erging es Ihnen dabei, als Sie davon erfuhren, dass Ihr Kloster aufgelöst wird?
Bruder Othmar: Gefreut hat es mich nicht, dass wir Franziskanerbrüder gegen Ende Juli den Engelberg verlassen sollen. Ich kam erst vor gut einem Jahr hierher, hatte Projekte angestoßen, die auch schon gut anliefen und wollte eigentlich länger hierbleiben. Erst im Sommer vergangenen Jahres, als ich hierher versetzt wurde, habe ich gesagt, dass ich nur hierher gehe, wenn das Kloster nicht aufgelöst wird. Es war nämlich schon darüber nachgedacht worden, das Kloster aufzugeben. Damals im Sommer sah es aber noch so aus, dass wir es erhalten können. Aber dann kam es kurzfristig anders. Engelberg liegt sehr schön oberhalb vom Main. Man sieht hier weit in die Landschaft hinein. Ich hätte es mir wirklich vorstellen können, hier länger zu sein. Ich fühlte mich hier angekommen. Dann kam das Aus. Das war wie eine Vollbremsung auf voller Fahrt.
Frage: Wie sind Sie damit umgegangen?
Bruder Othmar: Es hat etwas Zeit gedauert, das zu verdauen. Die Entscheidung des Ordens hat mich erschüttert. Ich war ärgerlich, ich war wütend. Gefühlt bin ich mit voller Kraft vor die Mauer gefahren. Ich fühlte mich wie benommen, und brauchte Zeit, um das zu verarbeiten. Ich hatte 14 Tage daran zu tun, um Kraft zu sammeln und dann wieder aufzutauchen. Die Ordensleitung hat sich dann bei mir entschuldigt, weil es nicht absehbar war, dass es so kommen würde. Das tägliche Gebet hat mir geholfen, das anzunehmen. Es war schwer, aber ich habe gesagt: "Herr, dein Wille, nicht mein Wille geschehe. Dass wir hier weggehen müssen, ist Gottes Wille." Mein Mitbruder ist schon viel länger da als ich, schon sieben Jahre. Ihn trifft es noch mehr. Aber dass wir nun gehen müssen, hat vernünftige Gründe.
Frage: Was sind denn die Gründe für das Klosteraus?
Bruder Othmar: Es ist eine Notlage entstanden. Es sind woanders Brüder ausgefallen und wir beiden übrig gebliebenen Patres werden woanders gebraucht. Das war der Auslöser. Es kann auch woanders gut weitergehen. Bis vor kurzem waren wir noch zu dritt hier im Kloster auf dem Engelberg. Doch unser dritter Mitbruder musste Mitte Januar krankheitsbedingt versetzt werden. Jetzt sind wir nur noch zu zweit da. Das ist keine gute Zahl. Wenn man nur noch zu zweit ist, dann ist nicht mehr viel möglich. Wenn einer unterwegs ist, dann ist der andere viel allein.
Frage: Zu dritt in einem Konvent, wäre das gegangen?
Bruder Othmar: Ja, das wäre theoretisch noch gegangen. Das ist die kleinste mögliche Zahl für einen Konvent. Das sind praktische Lebenserfahrungen. Es gab auch einen Versuch, einen dritten Mitbruder zu finden. Jemand hätte sich bei uns bewerben können. Aber es fand sich niemand.
Frage: Würden Sie denn gerne weiter hier auf dem Engelberg sein?
Bruder Othmar: Ich will nicht hier sein. Also bitte verstehen Sie mich richtig. Ich will schon hier sein. Doch meine Berufung ist die Berufung Gottes. Gott hat mich in den Orden der Franziskaner gerufen und unser Kloster ist die Welt. Das ist Afrika, Brasilien, Deutschland. Egal, wohin ich gerufen werde, dort werde ich gebraucht. Wir treten nicht ein, um ein Leben lang an einem Ort zu bleiben. Wir werden alle paar Jahre versetzt.
Frage: Ich denke an Pater Stephan Senge in Himmerod, der sich nicht aus seinem Kloster vertreiben ließ und einfach dort geblieben ist. Wäre das für Sie auch eine Option?
Pater Othmar: Diese Haltung entspricht nicht unserer Ordensspiritualität. Wir führen ein Ordensleben, das an die Gemeinschaft gebunden ist. Da werden Entscheidungen auch gemeinsam getragen. Wir treten nicht in ein Kloster ein, um an diesem Ort zu sterben, wie andere Gemeinschaften etwa die Trappisten oder die Zisterzienser. Wir sind Wanderbrüder, unser Leben ist ein Pilgerweg und unser Kloster ist die Welt. Wir fühlen uns also nicht an einen einzigen Ort gebunden, sondern machen uns immer wieder neu auf den Weg. Es ist ein stetiges Verabschieden und Neuanfangen. Ähnlich wie bei Jesus und seinen Aposteln. Das hat unser Ordensgründer der heilige Franziskus sich als Vorbild genommen. Wir Franziskaner sind der Deutschen Franziskanerprovinz zu geordnet. Dort gibt es über 200 Brüder und noch 26 Niederlassungen. Die müssen alle betreut sein. Die meisten Mitbrüder sind allerdings über 70 Jahre alt, nur noch sechs Brüder sind unter 50. Wir können nicht alle Standorte der Franziskaner in Deutschland halten. Wir müssen Schwerpunkte setzen. Bei der kleiner werdenden Zahl der Mitbrüder in Deutschland, bei immer mehr kranken Brüdern, müssen wir schauen, wer Unterstützung braucht. Wir mussten Klöster auflösen, wenn eine Gemeinschaft nicht mehr lebensfähig ist. Und wir am Engelberg waren nicht mehr lebensfähig. Engelberg war schon 2019 im Gespräch, es aufzulösen. Jetzt ist der Zeitpunkt gekommen. Es gab keine andere Wahl. Jetzt gilt es den Abschied zu gestalten.
Frage: Was waren denn die Aufgaben der Franziskaner vor Ort am Engelberg?
Bruder Othmar: Wir Franziskaner sind hier seit fast 200 Jahren in der Wallfahrtspastoral tätig. Davor waren Kapuzinerbrüder hier. Der Ort war immer schon franziskanisch geprägt. Früher hatten wir auch eine Klosterschänke mit Biergarten. Die ist zum Glück schon länger verpachtet und wird weiterbetrieben. Weil hier schon so viele Menschen mithelfen und am Weiterbestehen des Ortes beteiligt sind, kann vieles erhalten bleiben. Auch der Weinberg, der zum Kloster gehört, ist schon längt verpachtet. Aber wir konnten eben nicht alles behalten.
Frage: Treibt Sie das um, dass so viele Klöster der Gemeinschaft schließen müssen?
Bruder Othmar: Ja, schon. Ich war auch schon bei der Auflösung eines anderen Klosters dabei, das schon 400 Jahre in Betrieb war. Das war ein schwerer Abschied. Letztlich sind die vielen Klosterauflösungen bei uns eher ein deutsches, ein europäisches Phänomen. Die Franziskaner werden bei uns weniger, aber weltweit gesehen werden wir mehr wie in Afrika oder im Vietnam. Dort sind wir am Wachsen. Auch für den Engelberg sucht das Bistum Würzburg eine Nachfolgegemeinschaft, damit der Ort hier nicht verwaist bleibt. Vielleicht werden es wieder Franziskaner werden, etwa indische Schwestern mit einem Priester, italienische Brüder oder ein deutscher Brüderorden. Man wird sehen. Ich hoffe es zumindest sehr, dass sich eine Gemeinschaft findet.
Frage: Wo werden Sie hingehen? Wissen Sie das schon?
Bruder Othmar: Ja, es ist schon entschieden. Ich komme auf den Kreuzberg in der Rhön. Das ist auch ein schöner Ort.
Frage: Was werden Sie mitnehmen?
Bruder Othmar: Es ist nicht viel. Eine Autoladung voll wird es werden, was ich an Habseligkeiten besitze und mitnehmen werde. Vieles bleibt hier. Denn, wenn eine neue Gemeinschaft herkommt, kann sie das Inventar, die Möbel und die Küchenutensilien übernehmen. Wir Brüder hatten auch eine Klosterkatze, die schon lange auf dem Engelberg lebte. Der Mitbruder, der sich immer um sie kümmerte, ist schon seit längerem in einem Altenheim untergebracht. Daher haben wir die Katze schon in gute Hände abgegeben. Und am 31. Juli ist dann auch für uns Schluss hier.
Zur Person
Franziskanerbruder Othmar Brüggemann wurde 1960 in Halle an der Saale geboren und ist katholischer Priester, Wallfahrtsseelsorger, Logotherapeut und existenzanalytischer Begleiter.