Monika Metternich über Antisemitismus in Deutschland

Tacheles reden!

Veröffentlicht am 15.05.2015 um 00:00 Uhr – Von Monika Metternich – Lesedauer: 
Standpunkt

Bonn ‐ Monika Metternich über Antisemitismus in Deutschland

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Ein Thema ist untergegangen bei den Debatten über die Ergebnisse der Vollversammlung des Zentralkommitees der Katholiken (ZdK): Die Rede des Vorsitzenden des Zentralrats der Juden in Deutschland, Dr. Joseph Schuster, in der er über "Jüdisches Leben in Deutschland heute" sprach. In diesem Thema, so Schuster, sei oft die bange Frage versteckt, ob jüdisches Leben in Deutschland eine Zukunft habe.

Siebzig Jahre nach der Befreiung der Konzentrationslager sei dies ein deutlicher Indikator dafür, dass etwas nicht stimme in unserer Gesellschaft. Das erscheint nicht übertrieben angesichts von Umfragen, die 20% der deutschen Bevölkerung als latent oder offen antisemitisch ausweisen, einer Steigerung antisemitischer Gewalttaten um 25 Prozent und Rufen auf pro-palästinensischen Demonstrationen wie "Juden ins Gas" und "Judenschwein, kämpf allein".

Antisemitismus kommt heute von rechts, von links und aus extremistischen Teilen der muslimischen Gemeinschaft. In Schulen mit hohem muslimischem Anteil ist "Jude" ein Schimpfwort. Es nützt nichts, mit weit ausgestrecktem Finger auf "die Rechten", "die Linken" oder "die Muslime" zu zeigen. Die erschreckende Indifferenz unserer Gesellschaft, der es zur Normalität geworden ist, dass jüdische Kindergärten, Schulen und Einrichtungen polizeilich geschützt werden müssen, geht uns alle an.

Interreligiöser Dialog ist großartig. Aber schöne Worte ersetzen kein ziviles Engagement. Der antisemitische Bodensatz beispielsweise, der sich anlässlich der Beschneidungsdebatte in sozialen Netzwerken und Leserbriefen löste, war und bleibt alarmierend. Hier hat die Kirche klar Stellung bezogen und so ihr immer noch bestehendes Gewicht in der Gesellschaft genutzt. In einer Zeit, in der in Ländern wie England und Frankreich tausende von Juden ihre Heimat verlassen, weil sie sich nicht mehr sicher fühlen können, muss die Kirche klar und mit erhobener Stimme Tacheles reden, wo immer es nötig ist.

Und "Kirche", das sind nicht nur Gremien und Bischöfe, sondern jeder, der sich zu Jesus Christus bekennt.

Die Autorin

Monika Metternich ist Religionspädagogin, Schriftstellerin und Journalistin.

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Von Monika Metternich