Historiker Großbölting: Missbrauch in beiden Kirchen ähnlich
Die Ende Januar veröffentlichte Missbrauchsstudie der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) zeigt nach Ansicht des Historikers Thomas Großbölting, dass sexualisierte Gewalt in beiden Großkirchen "ähnlich funktioniert". Die "Pastoralmacht" sei in beiden Kirchen relativ ähnlich, "unabhängig von den theologischen Grundlegungen", sagte Großbölting der Zeitschrift "Publik-Forum".
Dies sei für ihn der überraschendste Punkt, so Großbölting, der an der Studie mitgearbeitet hat. "Es scheint fast gleichgültig zu sein, ob Sie einen geweihten Priester oder einen ordinierten Pfarrer in einer lutherischen oder einer reformierten Gemeinde haben", sagte der Direktor der Forschungsstelle für Zeitgeschichte (FZH) in Hamburg.
Landeskirchen hätten Aufgabe unterschätzt
Zum Streit zwischen den Forschern und den Landeskirchen um die Durchsicht von Personalakten sagte Großbölting, die Landeskirchen hätten die große Aufgabe der Aktensichtung wohl unterschätzt. Zudem habe es wohl auch an dem Willen gemangelt, "das entsprechend anzupacken".
Kerstin Claus, Unabhängige Beauftragte der Bundesregierung für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs, sagte "Publik-Forum": "Sich heute hinzustellen und zu sagen, die EKD hätte etwas unterschrieben, das auf landeskirchlicher Ebene nicht umsetzbar ist, ist für mich nicht akzeptabel." Claus, die in einer gemeinsamen Erklärung mit den evangelischen Kirchen unabhängige regionale Aufarbeitungskommissionen verabredet hat, erklärte, diese seien erforderlich, "damit Betroffene sich nicht an Kirche wenden müssen, wenn sie Fälle sichtbar machen wollen".
Letztlich gehe es ihr dabei auch um die Frage, ob die Kirchen wirklich wissen wollten, was passiert sei, ob Veränderungen wirklich gewollt seien und angegangen würden, so Claus. Großbölting ergänzte: Als Nächstes müsse über Verantwortlichkeiten geredet werden: "Wer hat was gewusst, wer hat was vertuscht." (KNA)