Dominik Blum über das Verhältnis von Deutschen zu Muslimen

Gute Nachbarschaft

Veröffentlicht am 19.05.2015 um 00:01 Uhr – Von Dominik Blum – Lesedauer: 
Standpunkt

Bonn ‐ Dominik Blum über das Verhältnis von Deutschen zu Muslimen

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Wir sind einfach hingegangen. Nach einem kurzen Telefonanruf steigen wir zu zweit vor der kleinen Moschee in unserer Stadt aus dem Auto. Ob wir vorbeikommen dürften, nur zum Kennenlernen und zum Austausch? Das sei kein Problem, jederzeit, hatte man uns gesagt. Jetzt sitzen wir bei starkem türkischen Kaffee und süßem Zitronentee im Gruppenraum an einem großen Tisch. Wäre da nicht die Flagge des DITIB-Verbandes an der Wand, wir könnten auch in einem etwas in die Jahre gekommenen Pfarrheim sein. Der Hodscha ist da, der Vorbeter. Er spricht nur türkisch. Ein Ehepaar soll für ihn übersetzen. Überall Kisten mit Öl und Feta, Tee und Gemüse. Die Gemeinde bereitet sich auf ein Straßenfest am Wochenende vor.

Zuerst herrscht Schweigen, die Gesprächseröffnung ist nicht einfach. Dann sage ich, worum es uns geht: Dass wir Christen sind in dieser Stadt, in einer kleinen Gemeinschaft in der Bibel lesen und zusammen beten. Dass uns auffällt, wie das Klima zwischen Christen und Muslimen schlechter wird in der letzten Zeit, nicht nur in unserer Region, sondern im ganzen Land. 57 Prozent der Deutschen empfinden laut einer Studie der Bertelsmann-Stiftung den Islam als Bedrohung, über 60 Prozent glauben, diese Religion passe nicht in die westliche Welt. Tendenz steigend. Und – wir müssen das leider eingestehen an diesem Tisch in der Nachbarschaft – dass wir zu wenig wissen über die Muslime in unserer Stadt, wie sie leben, was sie bewegt, was sie bedrängt.

Das ist der Durchbruch. Die Frau mit dem Kopftuch spricht perfekt deutsch. Und es platzt förmlich aus ihr heraus: Ja, so ist es. Wir werden nicht mehr gegrüßt, die Leute schauen oft weg, sind misstrauisch. Keiner fragt: Wie geht es dir? Und selbst die gelegentlichen Besuche der Schulklassen in der Moschee werden seltener. "Dabei sind wir doch Nachbarn!" Wir bleiben dann länger als geplant und plaudern über Essen und Beten, über Christi Himmelfahrt und Miradsch, die Himmelsreise des Propheten. Als wir schließlich gehen, haben wir die Einladung zum Straßenfest in der Tasche und fühlen uns beschenkt von so viel Willkommenskultur. Ja, wir sehen uns wieder, versprochen. "Aber bitte vor dem Fasten, sonst können wir keinen Tee oder Kaffee anbieten!" In einem Monat, am 18. Juni, ist der 1. Ramadan, der Beginn des Fastenmonats für die etwa 4 Millionen Muslime in Deutschland. Wissen Sie, wo die nächste Moschee ist in Ihrer Nachbarschaft? Gehen Sie doch mal hin – nur zum Kennenlernen.

Der Autor

Dominik Blum leitet das Referat Erwachsenenseelsorge beim Bischöflich Münsterschen Offizialat in Vechta.

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Von Dominik Blum