Mehr Gastfreundschaft in unseren Kirchen wagen
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Die jungen Männer stehen mit leuchtenden Augen und großer Freude in unserer kleinen, unscheinbaren Kirche: "Wow", meint einer der beiden aus tiefster Seele. Schon lange habe ich keinen Katholiken mehr erlebt, den der Blick in den eigenen Kirchenraum so sehr begeistert. Die jungen Ukrainer hatten gefragt, ob sie mit ihrer baptistischen Gemeinde bei uns Gottesdienst feiern dürften. Etwa 60 Leute seien sie sonntags, in der Woche etwas weniger. Viele kämen aus jungen Familien, eine ältere Frau sei dabei. Das Vereinsheim, in dem sie bis jetzt gefeiert hätten, stünde nicht mehr zur Verfügung.
Vor einem kappen Jahr haben katholische Bistümer und evangelische Landeskirchen in NRW vereinbart, ihre Kirchengebäude öfter gemeinsam zu nutzen, und dazu einen Praxisleitfaden veröffentlicht. Das ist im Blick auf die Ökumene und die allseits geringer werdenden Ressourcen für den Gebäudeunterhalt ein Schritt in die richtige Richtung. Allerdings sind katholischerseits bei den Absichtserklärungen über die "ökumenische Wohngemeinschaft" vor allem (unierte) orthodoxe und stark verfasste evangelische Kirchen im Blick. Viele Vereinbarungen stehen zudem unter einem aufwendigen Regelungsanspruch und dem bischöflichem Genehmigungsvorbehalt.
Bisweilen aber muss es schneller gehen. Um das genannte Beispiel zu vertiefen: Viele ukrainische baptistische Christinnen und Christen kommen aus dem Südosten des Landes, der besonders schwer vom russischen Angriffskrieg betroffen ist – aus den Regionen Donezk, Saporischschja und Cherson. Selbstverständlich ist der Anschluss an baptistische (deutsch-) russische Gemeinden derzeit keine Option. In deutschsprachigen Gemeinden verhindert oft die Sprachbarriere einen Gottesdienst mit geistlichem Gewinn. So feiern ukrainische Christen sonntags in Schützenhallen und Tanzsälen ihren Gottesdienst.
Manchmal höre ich den Vorbehalt, zunächst müsse geklärt werden, welche Botschaft und Haltung diese oder jene christliche Freikirche vertreten würde, bevor man sie in den eigenen Räumen beherbergen könne. Abgesehen davon, dass eine solche theologische Begutachtung in diesem Fall sprachlich schwierig ist: Wie würden wir wohl abschneiden, wenn die römisch-katholische Kirche anhand unserer Verkündigung in Predigt und Gottesdienst überprüft würde?! In unserem Kirchenvorstand jedenfalls war die Position: "Wie könnten wir den Wunsch anderer Christinnen und Christen nach Gebet und Gottesdienst nicht unterstützen? Und ist es nicht schön, dass in unserem Kirchenraum in Zukunft öfter gebetet und gefeiert wird?" Eine solche unbürokratische Gastfreundschaft ist dringlich und mehr als einen Versuch wert.
Der Autor
Dominik Blum ist Pastoraler Koordinator in der Katholischen Pfarreiengemeinschaft Artland im Bistum Osnabrück.
Hinweis
Der Standpunkt spiegelt ausschließlich die Meinung der Autorin bzw. des Autors wider.