Ex-Ordensfrau: Priester Marko Rupnik hat mich missbraucht
Es ist die Geschichte einer schleichenden Manipulation. Als die Italienerin Gloria Branciani am Mittwoch vor Journalisten berichtet, was der slowenische Priester und ehemalige Jesuit Marko Rupnik ihr angetan haben soll, wirkt die 59-Jährige gefasst. Dunkler Kurzhaarschnitt, fliederfarbener Pullover, die Haltung aufrecht. Nur am Ende der Pressekonferenz bricht die Stimme der früheren Ordensfrau. Ihr ganzes Leben sei tiefgreifend erschüttert worden – Körper, Seele und Geist.
Den international bekannten Mosaikkünstler habe sie bereits als Studentin in Rom kennengelernt, erzählt Branciani. Rupnik sei schon damals eine spirituelle Führungsperson gewesen und sie habe ihren Glauben vertiefen wollen. Er habe ihr Komplimente gemacht und sie bald körperlich berührt. Dies habe er stets religiös begründet: Die Berührungen trügen zu ihrem spirituellen und persönlichen Wachstum bei. Sie habe ihm geglaubt und gehofft, die Übergriffe würden enden, sobald sie reif genug sei.
Mitte der 1980er-Jahre gründete der Jesuit zusammen mit Ordensfrau Ivanka Hosta die Loyola-Gemeinschaft. Sie habe sich der Kommunität angeschlossen und sei nach Slowenien gegangen, erzählt Branciani. Dort seien die Übergriffe durch Rupnik aggressiver geworden. Wenn sie sich habe weigern wollen, habe er ihr Vorwürfe gemacht: Sie sei egozentrisch und verstehe es nicht, ihre Sexualität auf eine spirituelle Weise zu leben. Schließlich habe er eine weitere Ordensfrau beim Sex dabei haben wollen und dies mit der Heiligen Dreifaltigkeit begründet.
"Wir waren vollkommen isoliert"
Das Schlimmste sei gewesen, dass ihre Mitschwester und sie nie über das gesprochen hätten, was Rupnik mit ihnen getan habe, sagt Branciani: "Wir waren vollkommen isoliert." Die frühere Ordensfrau spricht wiederholt von Manipulation. Rupnik sei tief in ihr Denken eingedrungen und habe sie sich gefügig gemacht. Als einziger Ausweg sei ihr nur noch der Tod erschienen, so Branciani.
Schließlich habe sie sich Ivanka Hosta anvertraut, die jedoch nichts unternommen habe. Auch Gespräche mit Verantwortlichen des Jesuitenordens seien ins Leere gelaufen. Ihr sei geraten worden, die Loyola-Gemeinschaft zu verlassen, was sie 1994 auch getan habe. Erst 2021 habe die Gesellschaft Jesu sie erneut kontaktiert, um ihre Aussage in einem Verfahren gegen Rupnik zu verwenden.
Eine weitere frühere Ordensfrau, Mirjam Kovac (61), berichtet bei der Pressekonferenz ebenfalls von Manipulation und geistlichem Missbrauch durch Rupnik sowie durch Ordensfrau Hosta. Zudem habe sie 2021 die ausgetretenen Schwestern – darunter Branciani – für den Jesuitenorden kontaktiert und ihre Geschichten gehört. Sie gehe davon aus, dass Rupnik etwa 20 der rund 40 Schwestern missbraucht habe.
Anwältin: Nicht an kirchliche Stellen wenden
Anwältin Laura Sgro, die Branciani und Kovac vertritt, fordert Betroffene auf, sich nicht an kirchliche Stellen, sondern an die staatlichen Strafverfolgungsbehörden zu wenden. "Denn diese Leute gehören ins Gefängnis", so Sgro. Sie prüfe derzeit weitere Schritte gegen Rupnik.
Nachdem Vorwürfe der sexuellen Übergriffe gegen den Priester laut geworden waren, schlossen ihn die Jesuiten 2023 aus ihrem Orden aus. Untersuchungen des Bistums Rom verliefen allerdings zunächst zugunsten Rupniks. Im vergangenen Oktober ordnete Papst Franziskus schließlich an, die Ermittlungen erneut aufzunehmen und die Verjährungsfristen aufzuheben. Weiter wies er die Auflösung der Loyola-Kommunität an.
Indem sie ihre Geschichte erzähle, wolle sie das Schweigen brechen, das in der Kirche immer noch herrsche, vor allem bei sexueller Gewalt gegen Ordensfrauen, begründet Branciani ihren Schritt, an die Öffentlichkeit zu gehen. "Dieses Schweigen ist die wahre Ungerechtigkeit."
Das vatikanische Presseamt teilte derweil mit, dass der Fall derzeit vom Glaubensdikasterium untersucht werde. Die Vatikan-Behörde habe in den vergangenen Monaten Informationen gesammelt und werte diese nun aus.
21.02.24, 17.50 Uhr: Ergänzt um Statement des Vatikan im letzten Absatz.