40. Bischofstreffen verschiedener Konfessionen in Augsburg

Fokolar-Vorsitzende: Ökumenischer Dialog mehr als Meinungsaustausch

Veröffentlicht am 27.02.2024 um 00:01 Uhr – Von Christoph Paul Hartmann – Lesedauer: 

Wien ‐ Die Ökumene stagniert momentan, sagt die Co-Vorsitzende der Fokolar-Bewegung im katholisch.de-Interview. Für Fortschritte erinnert Ursula Schmitt an die richtige Form des Dialogs und gibt auch kulturelle Differenzen zu bedenken.

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In Augsburg treffen sich Bischöfe verschiedener Konfessionen, um den ökumenischen Austausch zu pflegen. Sie alle vereint ihre Nähe zur Fokolar-Bewegung. Deren Co-Verantwortliche für Deutschland, Österreich und die Schweiz ist Ursula Schmitt. Im Interview spricht sie über Potenziale der Ökumene und die richtige Form des Dialogs.

Frage: Frau Schmitt, das 40. Ökumenische Bischofstreffen steht unter dem Motto "Einheit wagen", dabei ist es um die ökumenische Bewegung gerade eher nicht gut bestellt. Ist das Leitwort daher nicht zu ambitioniert?

Schmitt: Das ist der Grund für diesen Titel. Allen ist bewusst, dass die ökumenische Bewegung nur zäh vorankommt. Vor 25 Jahren wurde die Erklärung zur Rechtfertigungslehre unterschrieben – ein riesiger Schritt! Einer der zentralen Streitpunkte zwischen den Konfessionen war beigelegt. Damals erwartete man völlig neue Entwicklungen. Wir mussten aber feststellen, dass es auf der offiziellen Ebene eher zu einem Stillstand gekommen ist, sich die Konfessionen zum Teil sogar weiter voneinander entfernen. Schauen Sie etwa auf die Woche für das Leben, aus der sich die evangelische Kirche zurückgezogen hat. Aber auch der Krieg in der Ukraine spielt eine Rolle. Denn in den ist auch die orthodoxe Kirche verwickelt, was für weitere Zerwürfnisse sorgt. Aber deswegen ist unser Ziel, das Streben nach der Einheit der Christen, umso wichtiger.

Frage: Sie haben es angesprochen: Die orthodoxe Kirche ist gerade weltpolitisch ein entscheidender Faktor. Gerade der Anlass des Treffens – die Erklärung zur Rechtfertigungslehre – zeigt aber, dass der Fokus der Ökumene hierzulande vor allem auf der protestantischen Christenheit liegt. Gehen Fortschritte in der Ökumene mit den Protestanten oft mit Rückschritten in den Verhältnissen zu den Orthodoxen einher?

Schmitt: Bei diesen Bischofstreffen sind neben den katholischen vor allem evangelische Bischöfe vertreten, es sind weniger anglikanische und orthodoxe Teilnehmer dabei. Natürlich gibt es Probleme: Geht man auf den einen zu, riskiert man, sich von dem anderen zu entfernen. Aber das sind auch kulturelle Fragen. Ein Indikator dafür ist z. B. der Umgang mit homosexuellen Menschen. Hier im Westen setzt man sich für Gleichbehandlung und Akzeptanz ein – das ist in vielen orthodox geprägten Ländern aber schlicht nicht verhandelbar. Da verbinden sich konfessionelle und kulturelle Problematiken. Das heißt aber nicht, sich von gemeinsamen christlichen Grundsätzen zu entfernen. Es bedeutet lediglich: Es gibt Gesprächsbedarf, auch und besonders bei diesen Bischofstreffen.

Frage: Gerade da gibt es aber auch Spaltungen in den einzelnen Gemeinschaften – zum Beispiel bei den Anglikanern um die Frage der Homosexualität. Ist das nicht auch ein Problem für die Ökumene?

Schmitt: Allerdings, auch mit Blick auf ethische Fragen. Da kommen wir nur weiter mit einem Dialog. Der sollte tiefer gehen als lediglich Meinungen auszutauschen. Wir brauchen einen Dialog, der es schafft, den anderen in seiner Gesamtheit, einschließlich seines kulturellen Hintergrunds, wirklich anzunehmen. Jeder muss bereit sein, aus diesem Dialog verändert herauszugehen, etwas zu lernen. Damit versuchen wir, Bewegung zu erzeugen. Mir ist bewusst, dass auf diesem Weg noch viel zu tun ist. Aber jeder Schritt zählt.

Bild: ©Privat, Montage: katholisch.de

Ursula Schmitt ist die Co-Verantwortliche der Fokolar-Bewegung für Deutschland, Österreich und die Schweiz.

Frage: Welche konkreten Mittel gibt es denn dafür?

Schmitt: Wir haben dafür in der Fokolar-Bewegung eine Tradition. Auch bei uns gibt es unterschiedliche Strömungen, die Einheit kommt nicht von allein. Wenn wir uns intern begegnen, kommt immer irgendwann der Moment, an dem man eine Verurteilung überwinden muss – zum Beispiel, wenn sich Mitglieder aus verschiedenen Ländern treffen. An einem solchen Punkt könnte man stehen bleiben, aber wir wollen da noch tiefer eindringen. Warum denkt der andere, wie er es tut? Welche Geschichte steckt dahinter? Diese Fragen stellen wir. Das bedeutet nicht, am Ende die Meinung des Gegenübers zu übernehmen. Aber wir wollen einen gegenseitigen Raum schaffen, in dem mehr möglich ist, als Meinungen abzuhandeln. Wir leben dazu miteinander, verbringen Zeit miteinander. Am Ende wollen wir uns trotz aller Differenzen gegenseitig als Geschwister begegnen. Diese Wurzel wollen wir stärken.

Frage: Es geht also im Grunde darum, sich gegenseitig mehr Zeit einzuräumen?

Schmitt: Es geht um – auch wenn das ein zwiespältiges Bild ist – eine innere Leere, die den anderen innerlich aufnehmen kann. Das ist wirklich Arbeit, weil man selbst bestimmte Überzeugungen hat und für bestimmte Sachen brennt. Man kann sich oft nicht vorstellen, den anderen nicht völlig überzeugen zu können. Aber das ist genau der Punkt: Einen Schritt zurücktreten und spirituell den Blick auf Jesus richten – denjenigen, der uns alle vereint, weil er selbst diese Leere seiner Verlassenheit am Kreuz gelebt hat.

Frage: Bei der Fokolar-Bewegung gibt es aber auch Muslime oder Nicht-Gläubige. Wie machen Sie das mit diesen Mitgliedern?

Schmitt: Wir haben seit etwa zehn Jahren eine Studiengruppe mit christlichen und muslimischen Theologen. Sie können sich nicht auf Grundlage des Evangeliums begegnen – aber sie begegnen sich im Geist der Geschwisterlichkeit. Das ist ihre Basis des Dialogs, darauf bauen sie in ihrer theologischen Arbeit auf. Auf dieser Grundlage können sie auch Themen besprechen, die weh tun, die trennen und verletzen. So sind auch diese Bischofstreffen aufgebaut: Was wir tun, ist möglich auf der Grundlage des gemeinsamen Lebens.

Frage: Was ist denn dann das Ziel dieser Ökumene? Die Vereinigung zu einer einzigen Konfession oder sich gegenseitig nur etwas netter zu finden?

Schmitt: Johannes Paul II. hat sinngemäß einmal gesagt, dass die Reformation wichtig war, um die Vielfalt, die Schönheit und den Reichtum der christlichen Botschaft mehr zu beleuchten. Die Trennung war ein Drama – aber ohne sie wären viele Facetten unseres Glaubens nicht zum Vorschein gekommen. Das heißt: Eine Vereinigung zu einer Konfession: das ist nicht unser Ziel. Wir wollen wegen dieser Trennung und gleichzeitigen Vielfalt eine tiefe Erfahrung von Geschwisterlichkeit machen – und diese auch in die Welt hinaustragen. Wir wollen nach außen hin präsentieren, was uns als Christen vereint. Das ist mehr, als sich nur gegenseitig nett zu finden.

Von Christoph Paul Hartmann