"Frausein ist noch kein Programm"
Frage: Frau Waschbüsch, Sie waren Sozialministerin, Vize-Präsidentin des saarländischen Landtags und Präsidentin des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK). Welche Aufgabe hat Sie am meisten gefordert?
Waschbüsch: Sowohl die Arbeit in der Politik als auch im Zentralkomitee war reizvoll, es waren aber unterschiedliche Aufgaben. Als Sozialministerin musste ich zum Beispiel täglich Entscheidungen treffen, die meist auch finanzwirksam waren. Das Amt im Zentralkomitee hat längeres Nachdenken ermöglicht und die Fragen waren doch tendenziell andere. Auch der Geist und die Art, wie man miteinander streitet, Lösungen sucht, ist dort anders. Die Menschen sind sich durch ihr Christsein näher als in der Politik, obwohl sie aus ganz unterschiedlichen Gruppierungen kommen.
Frage: Sie waren die erste Frau an der Spitze des ZdK. Wie schwer war es, sich in der "Männerdomäne" Kirche durchzusetzen?
Waschbüsch: Männerdomänen gab und gibt es bis heute in unserer Gesellschaft noch vielfach. Die katholische Kirche ist da keine Ausnahme. Das Zentralkomitee hatte aber immerhin im Gegensatz zu vielen Parlamenten, Zeitungs- und Rundfunkredaktionen und Unternehmen seit den 1920ger Jahren stets eine Vizepräsidentin und bei den Mitgliedern einen vergleichsweise hohen Frauenanteil. Die Frauen dort haben das Durchsetzen also eher vorgemacht. Ich selbst habe als weibliche Vorsitzende eher mal außerhalb Erstaunen erfahren, als dass ich kirchenintern hätte kämpfen müssen.
Frage: Was waren prägende Ereignisse ihrer Amtszeit?
Waschbüsch: Das schönste Ereignis meines kirchlichen Lebens war der Katholikentag 1990 in Berlin, wo sich die Menschen aus Ost und West in die Arme fielen. Auch der Katholikentag 1994 in Dresden hat mich sehr bewegt. Innerkirchlich war in meinen Jahren als ZdK-Präsidentin die Frage nach der stärkeren Einbindung der Laien in kirchliche Entscheidungen und die Umsetzung der Konzilsentscheidungen und der deutschen Synode von 1975 ein großes Thema. Als ich bei Papst Johannes Paul II. in Rom war, habe ich zum Beispiel die Frage des Diakonats für Frauen direkt bei ihm angesprochen.
Frage: Aktuell gibt es um Katholikentage vor allem in finanzieller Hinsicht große Diskussionen – die Stadt Münster hat für 2018 den angefragten Zuschuss von 1,5 Millionen Euro verweigert. Zudem scheinen die Treffen im Vergleich zu früheren Jahren an Kraft und Wirkung verloren zu haben. Wie beurteilen Sie das?
Waschbüsch: Viele große gesellschaftliche Institutionen wie etwa politische Parteien registrieren einen Kraftverlust, das wird nicht nur in der Kirche beklagt. Dennoch, das besorgt mich sehr. Die Diskussion um die Finanzierung des Katholikentags in Münster ist noch einmal eine spezielle. Es wird dort nicht gesehen, dass Katholiken genauso Steuerzahler sind wie andere auch. Wenn die zuständigen Politiker sagen, die Katholiken sollen ihren Katholikentag selbst bezahlen, dann müssen sie auch die Frage stellen, was mit anderen gesellschaftlichen Gruppen ist. Sollen die Theaterbesucher allein die Theater bezahlen und die Fußballfans allein die Stadien? Der Katholikentag ist ja keine rein innerkirchliche Veranstaltung, sondern er beschäftigt sich mit vielen gesamtgesellschaftlichen Fragen und wirkt mit seinen Diskussionen in die Gesellschaft hinein. Wenn die Stadt sich da aus der Finanzierung heraushält, ist das eine Diskriminierung einer großen Gruppe der Bürgerinnen und Bürger.
Frage: Wie können Katholikentage wieder mehr an gesellschaftlicher Relevanz gewinnen?
Waschbüsch: Das ist eine stetige Herausforderung. Der bevorstehende Katholikentag in Leipzig mitten in der Diaspora wird ein anderer sein als im katholischen Regensburg. Wenn man es richtig angeht, verstehen Menschen, die nicht zur Kirche gehören, dass es dort auch um ihre Anliegen geht. Wie sollte sich ein verantwortlicher Mensch zum Beispiel nicht interessieren für den Umgang der Generationen untereinander, oder dafür, wie die Familienpolitik gestaltet wird, wie eine friedliche Welt aussehen soll? Wir müssen herüberbringen, dass viele Themen des Katholikentags alle berühren und sie eingeladen sind mitzudiskutieren.
Frage: Als ZdK-Präsidentin sagten Sie, sie wollten das "Frauenthema" nicht in den Vordergrund rücken. Warum nicht?
Waschbüsch: Frausein allein ist ja noch kein Programm. Ich verstehe mich als jemand, der Politik für Menschen machte - Männer, Frauen, Kinder. Aber ich habe das Thema auch nie in den Hintergrund gedrängt. Da, wo Frauen benachteiligt sind, muss man das angehen in Staat und Kirche. Ihre andere Lebenssituation – Männer bekommen ja nun mal keine Kinder – darf ihnen nicht zum Nachteil sein. Kleines Beispiel: Im Saarland habe ich seinerzeit durchgesetzt, dass die Altersgrenze für Verbeamtungen bei Frauen mit Kindern angehoben wurde. Sie dürfen nicht benachteiligt sein, weil sie sich nach der Geburt von Kindern eine berufliche Auszeit nehmen.
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Der Stadtrat von Münster will den Katholikentag 2018 mit Sachleistungen unterstützen. Dennoch fand der konkrete Vorschlag von Oberbürgermeister Markus Lewe (CDU) in der jüngsten Ratssitzung keine Mehrheit.Frage: Die Rolle der Frau in der Kirche wird oft sehr kritisch betrachtet. Wie sehen Sie das?
Waschbüsch: Dass muss man von zwei Seiten kritisch betrachten. Ich bemängele, dass manche Frauen oft nicht genug Mut und Einsatz für ihre Ziele zeigen. Sie fühlen sich vielleicht zurückgewiesen – manchmal aber auch vorschnell und fälschlicherweise. Das ist das eine. Auf der anderen Seite weist das Konzil nachdrücklich in die richtige Richtung, dass Männer und Frauen gleichen Wert und gleiche Würde in der Kirche haben. Das muss Konsequenzen haben. Und auch Papst Johannes Paul II. hat in seinem Lehrschreiben "Christifideles laici" 1988 die Verantwortung der Laien, Männer und Frauen gleichermaßen betont. Danach sind sie dazu verpflichtet, ihren Bischöfen mit Rat und Tat zur Seite zu stehen und die Bischöfe – so der Papst – sollten auf diesen Rat hören. Einen Unterschied zwischen den Geschlechtern macht er da nicht. Darauf sollten sich Frauen energisch berufen.
Frage: Aber de facto gibt es in der Kirche einen großen Unterschied zwischen Frauen und Männern. Es sind ja kaum Frauen in Führungspositionen…
Waschbüsch: In unseren Ordinariaten, bei den Direktorenstellen der Caritas und ähnlichem, sehe ich durchaus Fortschritte für Frauen. Im Vergleich zu der gesamtgesellschaftlichen Entwicklung brauchen wir uns nicht zu verstecken. Überlegen Sie doch mal, wie wenige Richterinnen, Chefredakteurinnen, Rundfunkintendantinnen es bis heute gibt. Eine andere Frage ist natürlich die der Weihe, über die man im Vatikan und unserer Kirche endlich ernsthaft nachdenken muss.
Frage: Sie sind Gründungsmitglied und Bundesvorsitzende von "donum vitae", einem Verein, der Schwangere in Konflikten berät und auch Beratungsscheine ausstellt, die einen straffreien Schwangerschaftsabbruch ermöglichen. Das lehnen die Bischöfe ab, weswegen das Verhältnis lange angespannt war. Beim letzten Katholikentag in Regensburg kam es zu einem Gespräch. Wie sehen Sie das Verhältnis heute?
Waschbüsch: Regensburg war gar nicht so ein Einschnitt. Es gab immer Gespräche, wobei das in den einzelnen Diözesen sehr unterschiedlich war. Die meisten Bischöfe wissen ja auch, dass nur die Beratung im staatlichen System eine Chance bietet, Frauen zu erreichen, die einen Abbruch ernsthaft erwägen. Deshalb wollten sie 1999 ja auch in diesem System bleiben, Rom entschied anders. Trotzdem gibt es im Verhältnis zur Amtskirche einige Knoten. Ich hoffe, dass wir sie lösen können. Zum Beispiel kann nicht angehen, dass unsere Beraterinnen sich Sorgen machen müssen, ob sie sich bei einer kirchlichen Institution noch erfolgreich bewerben können, falls sie einmal umziehen. Fast alle Leute, die bei donum vitae sind, sind ja auch in der Kirche engagierte Mitglieder.
Frage: Sehen Sie Chancen, dass donum vitae offizielles Angebot der katholischen Kirche wird?
Waschbüsch: Das kann donum vitae nicht werden, weil wir ein bürgerlicher Verein sind. Es ist auch gar nicht unser Ziel. Aber wir wollen, dass das kirchliche Amt sieht, welche Chancen für das Leben wir durch die Teilnahme am staatlichen Beratungssystem schaffen – und das stärker als die kirchlichen Angebote, weil die nur Hilfe für Nicht-Konfliktfälle anbieten können. Wir wollen, dass man unsere Arbeit anerkennt und nicht behindert.