Winfried Reers ist Ständiger Diakon im Erzbistum Köln und Zauberer

Wenn der Diakon einen Bischof schweben lässt

Veröffentlicht am 01.04.2024 um 00:01 Uhr – Von Madeleine Spendier – Lesedauer: 

Bonn ‐ Das Zaubern macht Winfried Reers eigentlich nur noch nebenher. Seit einigen Jahren ist der Ständige Diakon in Rente. Doch er erinnert sich gerne an spezielle Zauberkunststücke und besondere Begegnungen. Einmal hat er sogar einen Bischof schweben lassen.

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Winfried Reers legt Fotobücher auf den Wohnzimmertisch. Mehrere. Sie sind voll mit Erinnerungen an seine Auftritte als Zauberer. Seine Frau, Monika Reers, sitzt neben ihm. "Die meisten Zaubertricks hat er immer mir zuerst vorgeführt", berichtet sie nicht ohne Stolz. Ihr 75-jähriger Ehemann sucht nach einem Zeitungsbericht, der ihn gemeinsam mit dem berühmten Magier Siegfried zeigt, von dem Künstlerduo Siegfried und Roy, die bekannt dafür waren, dass sie Kunststücke mit Tigern vor Publikum zeigten. Reers erinnert sich gerne an diese Begegnung in Dresden zurück und zeigt stolz auf das Foto. 

Schon als Kind begeistert sich Winfried Reers, der in Legden bei Ahaus geboren wurde, für das Zaubern. Seit sein Onkel bei seiner Erstkommunion kleinere Kunststücke vorführte, will er das auch können. Er bekommt zu Weihnachten einen Zauberkasten geschenkt und übt erste Tricks ein. Bei seinen Mitschülern und bei den Messdienern kommen die gut an. Damals besucht er ein katholisches Gymnasium in Broichweiden bei Aachen, dass von Ordensleuten, den Spiritanern, geleitet wird und ministriert dort öfters bei Gottesdiensten. Schon immer fühlt er sich in der Kirche wohl, der Glaube ist ihm wichtig, sagt der 75-jährige Diakon. Nach der Schule macht Reers eine Ausbildung zum Schrift- und Fotosetzer und beginnt in einer Druckerei zu arbeiten. Später studiert er vier Semester Religionspädagogik und wird Religionslehrer. 1970 heiraten er und seine Monika.

Bei einer Krankenkommunion lernt Reers einen Diakon kennen. Weil er so begeistert von diesem Beruf ist, entscheidet er sich, selbst Diakon zu werden und beginnt die Ausbildung dazu am Diakoneninstitut in Köln. Als er damit fertig ist, ist er 28 Jahre alt und erst einmal noch zu jung für die Weihe. Denn wenn man zum Diakon geweiht werden möchte, muss man mindestens 35 Jahre alt sein. 

Bild: ©katholisch.de/ msp

Der zaubernde Diakon Winfried Reers auf einem Foto mit Siegfried Fischbacher von dem Magierduo "Siegfried und Roy".

Als seine Kurskollegen zu Diakonen geweiht werden, darf Winfried Reers zwar dabei sein, aber nur ministrieren. "Mir war zum Heulen zumute", erinnert er sich. Danach arbeitet er hauptberuflich als Gemeindeassistent in Langenfeld und Opladen. Sechs Jahre später wird er dann endlich zur Weihe zugelassen. "Mit 34 Jahren und mit einer Sondererlaubnis von Kardinal Joseph Höffner", erinnert sich Reers und zeigt das Foto aus dem Jahr 1982 in seinem Album, das ihn bei seiner Weihe zum Ständigen Diakon in St. Remigius in Opladen zeigt. "Damals musste ich das zweite Mal Ja sagen", ergänzt seine Frau lachend. Bis heute ist es verpflichtend, dass der Bischof bei verheirateten Diakonen das Einverständnis der Ehefrau einholt, um zur Weihe zugelassen zu werden.

Ein älterer Pfarrer aus der Gemeinde wollte nicht mit ihm als Ehemann am Altar stehen 

Winfried Reers ist nach seiner Weihe vier Jahre als Assistent des Studienleiters am Kölner Diakoneninstitut beschäftigt und tritt danach eine Stelle im katholischen Seelsorgebereich Unkel am Rhein an. Mit seiner Frau, Tochter und Sohn, damals vier und ein Jahr alt, zieht er nach Rheinbreitbach und dort in das ehemalige Pfarrhaus ein. Doch einige Menschen in der Gemeinde reagieren darauf überrascht, ja unfreundlich, erinnert sich seine Frau. "Das war Mittelalter", sagt sie "Ein Geistlicher mit Familie war für viele ungewohnt", erklärt Reers. Auch ein älterer Pfarrer aus der Gemeinde wollte "damals nicht mit mir als Ehemann gemeinsam am Altar stehen", weiß Reers noch.

Doch Humor half dem Ehepaar Reers schon immer weiter. So erinnert sich Diakon Reers an eine Karnevalssitzung, in der sein Beruf so beschrieben wurde: "Jetzt haben wir einen Diakon, das ist ein halber Pastor mit einer ganzen Frau". Beide lachen und erzählen, dass sie damals auch viele von Anfang an unterstützt haben. So baute Winfried Reers im Seelsorgebereich Unkel ein Familiennetzwerk auf, führte Familiengottesdienste ein. Außerdem gestaltete er als Diakon Wortgottesfeiern, spendete Taufen und Krankenkommunionen, assistierte bei Trauungen, leitete Beerdigungen und predigte in Gottesdiensten. Zudem begleitete er viele Erstkommunionkinder und Firmlinge und bildete Ministranten aus. "Ich bin ganz in meinen Aufgaben aufgegangen", beschreibt er das Gefühl dahinter. Seine Frau unterstützte ihn als Katechetin, betreute Kleinkindgruppen, half im Pfarrbüro aus und übernahm damals auch Küsterdienste. Die Familie fühlte sich wohl in Rheinbreitbach, wohnt bis heute dort. Ein Kollarhemd hat Diakon Reers bei seinen Einsätzen nie getragen. "Dann lieber den Zauberhut", lacht er.

Bild: ©katholisch.de/ msp

Winfried Reers und seine Frau, Monika Reers, lachen gerne gemeinsam.

Und dann erzählt Reers, wie es dazu kam, dass er wieder zu zaubern begann. Seine Kinder baten ihn einmal im Advent, als sie noch klein waren, den Zauberkasten zu holen, den er schon länger besaß. Als er dann ihre strahlenden Augen sah, beschließt er, das Zaubern nun offiziell zu erlernen. Reers bringt sich das Zaubern selbst bei, übt neue Zauberstücke ein und erlernt sogar das Bauchreden. Ein Jahr später tritt er das erste Mal auf einem Pfarrfest in der Gemeinde auf. "Die Begeisterung war groß", weiß er noch. 1989 macht er offiziell die Zauberprüfung vor Jury und Publikum und ist seitdem Mitglied im "Magischen Zirkel von Deutschland", einem Verein von rund 3.000 Zauberkünstler, zu denen auch Zauberdoktor Eckhard von Hirschhausen gehört. Winfried Reers ist dort sogar mit eigenem Künstlernamen eingetragen: Als "der zaubernde Diakon". Darauf ist er besonders stolz, denn er ist der einzige hauptamtliche Diakon im Magischen Zirkel, betont er.

Seine gesamte Gage, also das Geld, das er für seine Auftritte als Zauberer verdient hat, investiert er von Anfang an in verschiedene soziale Projekte, berichtet Winfried Reers. Mit einem Teil des Geldes hat er zum Beispiel die Schwester des Magiers Siegfried unterstützt. Diese arbeitet nämlich als Ordensfrau in Rumänien und leitet dort ein Kinderheim. Dass er seine Gage immer spenden möchte, hatte er vorab mit seinem Arbeitsgeber geklärt, erzählt Reers. Auch habe er für das Zaubern auf seinen freien Arbeitstag verzichtet. So ging beides gut zusammen, meint er. "Doch ohne die Unterstützung meiner Frau und meiner Kinder hätte ich das alles nie so machen können", fügt er hinzu. Monika Reers nickt und erinnert ihn daran, dass er oft beim Mittagessen zu Hause fehlte, weil er unterwegs war. 

Bild: ©katholisch.de/ msp

Winfried Reers zeigt das Foto mit dem "schwebenden Bischof". Bei einem Treffen von Diakonen des Erzbistums Köln lässt er den damaligen Kölner Weihbischof Friedhelm Hofmann im Kapitelsaal in Altenberg ohne körperliche Berührung in die Lüfte schweben.

In manchen Jahren waren es bis 60 Auftritte im Jahr. Reers trat mit seinen Zaubershows in Kindergärten, Schulen, Altenheimen, sozialen Einrichtungen und bei Familienfesten auf. Die leuchtenden Kinderaugen und das Staunen der Menschen dort bestärkten ihn immer wieder, weiterzumachen. "Ich habe so viele positive Reaktionen erlebt", blickt er zurück und er erzählt, dass ihm einmal eine ältere Dame nach einer Aufführung gesagt habe, dass sie nach sieben Jahren erst wieder bei seiner Zaubershow gelacht habe. Das habe ihn sehr gefreut, sagt Reers. Und er erinnert sich an Zauberkurse mit Inhaftierten der JVA Siegburg. "Denen konnte ich mit den Zauberstücken ein Stück Selbstvertrauen zurückgeben", ist Reers überzeugt.

Auch der Generalvikar schwebte

Diakon Reers zeigt auf ein besonderes Foto in seinem Erinnerungsalbum. Darauf sieht man, wie der frühere Würzburger Bischof Friedhelm Hofmann auf drei Meter Höhe, mit geschlossenen Augen, scheinbar in der Luft liegt. "Den Bischof habe ich schweben lassen", freut sich Reers. Bei einem Familientag für die Familien von Diakonen in Altenberg fand dieses besondere Zauberkunststück statt, erinnert sich Reers. Auch habe er einmal einen Generalvikar und sogar den Bürgermeister von Unkel auf diese Weise schweben lassen. "Hin und wieder hat er mich auch in der Garage schweben lassen, und die Kinder", ergänzt seine Frau schmunzelnd. "Nur zum Üben", lacht ihr Mann. In der Garage des Pfarrhauses steht bis heute der Schwebebalken, den man für dieses Zauberstück braucht. 

Vor fünf Jahren wurde Winfried Reers von der Gemeinde in den Ruhestand verabschiedet. 34 Jahre lang war Winfried Reers hauptberuflicher Diakon in den vier Pfarreien St. Maria Magdalena in Rheinbreitbach, St. Pantaleon in Unkel, St. Severinus in Erpel und St. Johann Baptist in Bruchhausen. Und seit 1987, bald genauso lange, steht er als Zauberer auf der Bühne. Doch ein Diakon ist nie in Rente, erklärt Reers. Weiterhin ist er als Diakon-Subsidiar im Seelsorgebereich Unkel bei Bad Honnef tätig, begleitet die Kinder im Schulgottesdienst und unterrichtet in einer Grundschule Religion. Für ihn ist dieser Dienst ein Herzensanliegen. "Und das Zaubern", fügt er hinzu. Bis heute tritt er auf. Vor allem seine Enkel freuen sich über die Tricks des zaubernden Opas. Über eine Internetseite kann man den "zaubernden Diakon" für Auftritte oder Zauberkurse buchen. Bis zu 300 Tricks beherrsche er, behauptet der 75-Jährige und holt sein quietschendes Zaubersalz hervor. "Noch ein Knotentrick?", fragt er. Der Faden löst sich, seine Frau lacht. Sie kennt das Zauberstück schon.

Von Madeleine Spendier