Misereor: Deutsche Enthaltung zu EU-Lieferkettengesetz beschämend
Das Hilfswerk Misereor hat die Bundesregierung dafür kritisiert, sich beim Entwurf für ein Lieferkettengesetz enthalten zu haben. Es sei beschämend, dass Deutschland auch dem abgeschwächten Entwurf nicht zugestimmt habe, so der Misereor-Experte Armin Paasch. Die EU-Staaten hatten am Freitag im zweiten Anlauf mehrheitlich für den Entwurf für ein Lieferkettengesetz gestimmt. Wie auch bei der ersten Abstimmung im Februar hat die deutsche Bundesregierung sich trotz Änderungen enthalten, dafür stimmten Frankreich und Italien dem abgeschwächten Vorschlag zu.
Gravierend sei, so Paasch, dass die Richtlinie perspektivisch nur für Unternehmen ab 1.000 Mitarbeitenden sowie ab einer Umsatzschwelle von 450 Millionen Euro greife. Dadurch werde das Lieferkettengesetz nach Schätzung von Misereor nur zwischen 800 und 1.500 Unternehmen betreffen. "Trotz der Abschwächungen appellieren wir an alle Europaabgeordneten, der Richtlinie im Plenum rasch zuzustimmen, damit Mensch und Natur in globalen Geschäften europäischer Unternehmen künftig besser geschützt werden", betonte Paasch.
Das Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) warf der Bundesregierung Haltungslosigkeit vor. Die deutsche Blockadehaltung sei dafür verantwortlich, dass das Gesetz "deutlich hinter dem ursprünglichen beachtlichen Kompromiss zurückbleibt, der im Dezember gefunden worden war", erklärte ZdK-Präsidentin Irme Stetter-Karp. "In der Umsetzung gilt es nun, jene kleinbäuerlichen Betriebe im Globalen Süden adäquat zu unterstützen, für welche die vorgesehenen Berichtspflichten eine Herausforderung darstellen."
Ähnlich wie Misereor sieht auch das kirchliche Hilfswerk Brot für die Welt den Gesetzesbeschluss trotz Abschwächung als Meilenstein. Es verbessere Vorkehrungen zu zivilrechtlicher Haftung sowie den Rechtsschutz von Betroffenen von Menschenrechtsverletzungen, sagte Brot für die Welt-Präsidentin Dagmar Pruin. "Das Gesetz ist ein großer Schritt für die Menschenrechte und im Kampf gegen Kinderarbeit."
Die Umweltorganisation Germanwatch fürchtet als Folge der deutschen Enthaltung einen massiven Einflussverlust der Bundesregierung auf EU-Ebene. Ihr Ruf als verlässlicher Verhandlungspartner sei dadurch nachhaltig beschädigt, sagte der Leiter des Berliner Büros von Germanwatch, Lutz Weischer. "Dass das Gesetz nun zunächst nur noch für schätzungsweise 0,01 Prozent der europäischen Unternehmen gelten soll, ist äußerst bitter." Ähnlich äußerte sich auch die Entwicklungsorganisation Oxfam: "Hier werden demokratische Prozesse unterlaufen, um Großkonzerne zu schützen."
Der FDP-Entwicklungspolitiker Christoph Hoffmann nannte dagegen die Verabschiedung des Gesetzes bedauerlich. Dieses sei "praxisfern und ignoriert den schwindenden Kaufkraftanteil Europas auf dieser Welt". Die FDP hatte innerhalb der Bundesregierung mit ihrem Veto dafür gesorgt, dass Deutschland sich bei der Abstimmung enthielt. Hoffmann kritisierte "undurchsichtige Haftungsregeln" im Gesetz, die dazu führen würden, "dass nicht mehr, sondern weniger Investitionen in Entwicklungsländern getätigt werden". Der TÜV-Verband begrüßte die Einigung hingegen. Diese sorge nun für Planungs- und Rechtssicherheit bei Unternehmen. (mpl/KNA)