Die bisherigen Berliner Erzbischöfe haben Spuren hinterlassen

Große Fußstapfen

Veröffentlicht am 09.06.2015 um 00:01 Uhr – Von Markus Kremser – Lesedauer: 
Erzbistum Berlin

Berlin ‐ Mit der Ernennung zum Erzbischof von Berlin übernimmt Heiner Koch ein besonderes Amt. Oberhirten wie Alfred Bengsch, Julius Döpfner oder Joachim Meisner haben die Latte hoch gelegt. Jeder Berliner Erzbischof hat die Diözese auf seine ganz besondere Weise geprägt.

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Kardinal Julius Döpfner gehört sicher zu den Vorgängern des neuen Erzbischofs, die Berlin besonders nachhaltig geprägt haben. Mehr als 50 Jahre nach seinem Weggang aus Berlin ist in der Öffentlichkeit zwar eher seine Rolle als Erzbischof von München und Freising in Erinnerung geblieben, doch Döpfners Herz hing lange an Berlin.

"Eminenz sind sauer." Mit diesen drei dürren Worten kommentierte 1961 angeblich ein Mitarbeiter des Berliner Ordinariats gegenüber dem Nachrichtenmagazin "Der Spiegel" Döpfners Gemütsverfassung, als dieser von seiner Versetzung nach Bayern erfuhr. Bis zur letzten Minute habe sich der Kardinal gesträubt, berichtete das Blatt damals. Der Bayer Döpfner, der zuvor bereits die Diözese Würzburg geleitet hatte, habe "lieber in der Berliner Diaspora Gott eine Stufe tiefer dienen wollen", statt als Erzbischof in den Schoß der Heimat zurückzukehren, so schrieb das Hamburger Magazin.

Berlin war damals noch nicht Erzbistum und die Stadt Frontstadt zwischen Ost und West. Als "erfolgreichsten Kommandeur katholischer Bataillone" bezeichnete ihn dann auch der "Spiegel" aufgrund seiner Erfahrungen im geteilten Berlin. Mitten in der schwierigsten Zeit im geteilten Berlin, nur einen Tag nach dem Mauerbau, wurde Julius Döpfner jedoch 1961 im Münchener Mariendom in das Amt des Erzbischofs von München und Freising eingeführt.

Bild: ©KNA

Als Frontstadt des Kalten Kriegs (hier ein Bild vom Bau der Berliner Mauer) war Berlin auch für die katholische Kirche von besonderer Bedeutung.

Döpfner hatte tatsächlich einen Kampf gegen die Behörden in der DDR geführt. Dem in West-Berlin residierenden Bischof hatten die DDR-Behörden seit Mai 1958 jeden Besuch der ebenfalls zu seinem Bistum gehörenden Gemeinden in Brandenburg und Vorpommern verwehrt. In der Pfarrchronik von Anklam, einer Gemeinde in Vorpommern, ist unter dem 6. Mai 1958 verzeichnet: "Bischof Döpfner war zur Firmung in Heringsdorf gewesen und verweilte anlässlich seiner Durchfahrt nach Strasburg eine halbe Stunde im Pfarrhaus Anklam. Da erschienen Beamte der Kriminalpolizei mit dem Bescheid: 'Der Döpfner darf zwar durch Anklam fahren, aber keinen Besuch im Pfarrhaus machen. Innerhalb von 24 Stunden muss er das Gebiet der DDR verlassen.'"

Die Probleme, die Döpfner mit den DDR-Behörden hatte, sollte sein Nachfolger nicht mehr haben. Nicht ohne Kalkül machte Papst Johannes XXIII. Alfred Bengsch zum Nachfolger Döpfners auf dem Berliner Bischofsstuhl. Bengsch war bereits seit 1959 Weihbischof in Berlin und konnte als DDR-Bürger, anders als Döpfner, die Gemeinden seines Bistums ohne Einschränkungen besuchen. Bengsch unterschied sich aber nicht nur darin von seinem Vorgänger. Als Stratege war er vor allem in den politischen und wirtschaftlichen Fragen des Alltags herausgefordert.

Modell für den gesamten Ostblock

Bengsch setzte auf Abgrenzung von der DDR und auf den nahezu vollständigen Verzicht auf politisches Engagement der Kirche. Ein Treffen mit dem Staatsratsvorsitzenden Erich Honecker lehnte Bengsch stets ab. Statt dessen waren seine theologischen und pastoralen Seiten prägend für den Katholizismus in der DDR in den sechziger und siebziger Jahren. Auch im Vatikan sah man das Verhältnis zwischen Kirche und Staat in Ostdeutschland damals als ein Modell für den gesamten Ostblock an.

Den Kurs gegenüber Honecker änderte erst Bengschs Nachfolger Joachim Meisner. Der gebürtige Schlesier Meisner hatte als Weihbischof in Erfurt auf einer Wallfahrt den damaligen Erzbischof von Krakau, Kardinal Karol Wojtyla, kennengelernt. Fünf Jahre später, als Papst Johannes II., ernannte dieser Meisner 1980 zum Bischof von Berlin, 1983 zum Kardinal und 1988 zum Erzbischof von Köln.

Stichwort: Erzbistum Berlin

Das Erzbistum Berlin umfasst das Land Berlin, den größten Teil Brandenburgs sowie Vorpommern und einen kleinen Teil Sachsen-Anhalts. Auf dem Gebiet des Erzbistums leben rund 407.000 Katholiken, davon mehr als 330.000 in Berlin. Während die Zahl der Katholiken im Raum der Bundeshauptstadt wächst, geht sie in den ländlichen Gebieten zurück. In seiner jetzigen Form wurde das Erzbistum 1994 errichtet. Die historischen Wurzeln der Erzdiözese reichen bis ins 10. Jahrhundert. Die alten Bistümer Brandenburg, Havelberg, Kammin und Lebus gingen während der Reformation unter; erst im 18. Jahrhundert gab es wieder eine nennenswerte katholische Minderheit in der Region. Seit 1821 bestand eine "Fürstbischöfliche Delegatur für Brandenburg und Pommern" im Erzbistum Breslau. 1930 erhob Papst Pius XI. die dazu gehörenden Gebiete zum selbstständigen Bistum. Nach dem Zweiten Weltkrieg fiel der Teil östlich der Oder einschließlich der Hafenstadt Stettin an Polen und kam 1972 zu neu gegründeten polnischen Diözesen. Das Bistum Berlin wurde im selben Jahr unmittelbar dem Heiligen Stuhl unterstellt. Während der Teilung Deutschlands war es bis zum Ende der DDR eine der wenigen innerdeutschen "Klammern"; der Bischof war Mitglied der Deutschen Bischofskonferenz und der damaligen Berliner Bischofskonferenz. Zu der nach der Vereinigung Deutschlands errichteten Kirchenprovinz Berlin gehören die Bistümer Dresden-Meißen und Görlitz. (KNA)

Meisners Zeit in Berlin wirkt bis heute nach. Die Diaspora-Christen zwischen Rügen und Erzgebirge, zwischen Harz und Oder mögen den ehemaligen Berliner Bischof unterschiedlich beurteilen oder wertschätzen. Eine Einschätzung Meisners teilen aber fast alle Katholiken, die die DDR-Zeit selbst erlebt haben. "Ich habe die Kirche nie anders erlebt, als dass ihr der Wind ins Gesicht geblasen hat", so Meisner.

Wie Kardinal Döpfner verließ auch Meisner Berlin nicht freiwillig. "Ich bin zum Papst gefahren, um ihm zu sagen, dass ich das nicht will", erzählte der emeritierte Erzbischof im vergangenen Jahr dem Kölner "Express". Johannes Paull II. habe ihn in der päpstlichen Sommerresidenz Castel Gandolfo empfangen, der Papst habe im Bademantel auf dem Liegestuhl gelegen, es sei sehr heiß gewesen. Er habe dem Papst erklärt, dass er in Berlin bleiben wolle. Der Sitz des Bistums sei ja im Osten gewesen. "Ich wollte dortbleiben, um Christus zu verkünden und den Menschen in der DDR eine Perspektive zu bieten."

Vom grauen Osten in den "Goldenen Westen"

Tatsächlich hatte Meisner acht Wochen vorher beim Katholikentreffen in Dresden vor 150.000 DDR-Katholiken gesagt: "Wir können nicht alle in den Westen gehen. Wir haben in diesem Land, der DDR, unsere Berufung". Ein Satz, dem ihm einige krumm nahmen. Denn auch unter den Katholiken hatten 1988 schon zehntausende Ausreiseanträge gestellt. Und nur wenige Wochen nach diesem Satz ging Meisner selbst aus dem grauen Osten in den "Goldenen Westen".

Nicht nur Döpfner, Bengsch und Meisner prägten Berlin. Georg Sterzinsky führte das Bistum durch die schwierige Zeit der Wiedervereinigung und eine schwere Finanzkrise. Wilhelm Weskamm setzte sich in den fünfziger Jahren besonders für die Errichtung von Ausbildungsstätten für Priester ein und stellte die Weichen für die Entwicklung der Kirche in der DDR. Neben dem 75. Deutschen Katholikentag 1952 legte Weskamm einen weiteren Akzent auf den Wiederaufbau der St. Hedwigs-Kathedrale als "Kathedrale auf den Schnittlinien".

Ein Bauzaun und andere Absperrungen stehen vor der Kirche
Bild: ©KNA

Die geplante Sanierung der Hedwigskathedrale ist eines der wichtigsten Projekte, um die sich der neue Berliner Erzbischof kümmern muss.

Und schließlich führte Konrad Kardinal von Preysing die Berliner Katholiken durch die Zeit des Nationalsozialismus. In seinen Predigten und Hirtenbriefen war er ein scharfer Gegner des Nationalsozialismus und trat gegen das Unrecht des Zweiten Weltkriegs ein. Er wandte sich gegen die Euthanasie-Morde und setzte sich nachdrücklich für die Verfolgten des NS-Regimes, besonders für Juden und christliche "Nichtarier", ein.

Unter anderem gründete er das "Hilfswerk beim Bischöflichen Ordinariat Berlin", vor allem zur Vermittlung von Auswanderungsmöglichkeiten, Versorgung mit Lebensmitteln und Beschaffung von Wohnraum. Als 1941 dessen Leiter, der Berliner Dompropst Bernhard Lichtenberg, verhaftet wurde, übernahm Preysing persönlich die Leitung des Hilfswerks beim Bischöflichen Ordinariat, um nicht weitere Mitarbeiter zu gefährden.

Noch ganz frisch sind die Eindrücke, die der heutige Kölner Erzbischof Rainer Maria Woelki als Erzbischof in Berlin hinterlassen hat. Als echter "Hauptstadtbischof" hat sich Woelki auch auf politischem und diplomatischem Parkett sicher bewegt. Erstmals nach der Wende wurde Berlin als "Hauptstadtbistum" wahrgenommen. "Wo Glauben Raum gewinnt" heißt ein Prozess, mit dem Woelki das Bistum fit machen wollte für die Zukunft. Die Sanierung der Hedwigskathedrale ist ein weiteres Projekt, das Woelki seinem Nachfolger hinterlassen hat.

Von Markus Kremser