Ehemalige Franziskanerin Sarah Elisa Kreutzer über ihren Austritt

Nach 19 Jahren im Kloster – Wenn eine Ordensfrau geht

Veröffentlicht am 23.04.2024 um 00:01 Uhr – Von Madeleine Spendier – Lesedauer: 
Nach 19 Jahren im Kloster – Wenn eine Ordensfrau geht
Bild: © privat

Bonn ‐ Sarah Elisa Kreutzer hieß früher Schwester Elisa. 19 Jahre lang lebte sie als Franziskanerin in Reute. Bis sie sich im Jahr 2021 entscheidet, die Gemeinschaft zu verlassen. Unter anderem auch weil sie den Schleier nicht mehr tragen wollte. Heute blickt sie versöhnt zurück.

  • Teilen:

Es war nicht leicht für sie, die Gemeinschaft der Schwestern zu verlassen und zu gehen. Nach so langer Zeit. Vor drei Jahren hat sich Sarah Elisa Kreutzer für den Klosteraustritt entschieden. Doch ihren Ordensnamen hat die 42-Jährige behalten, denn sie fühlt sich bis heute als Franziskanerin. 

2002 tritt Kreutzer ins Kloster der Franziskanerinnen von Reute ein. Dort erhielt sie den Ordensnamen Elisa. Als sie Schwester Elisa wird, ist sie knapp 21 Jahre alt und mitten in der Ausbildung zur Lehrerin. Das Leben in der Gemeinschaft der Reuter Schwestern nahe dem schwäbischen Ort Bad Waldsee erfüllte sie ganz. Von Anfang an fühlt sich Kreutzer dort angekommen und angenommen. Auf zahlreichen Fotos auf der Internetseite des Klosters fällt sie durch ihr strahlendes Lachen auf. Begeistert organisierte die Franziskanerin damals Freizeiten für Kinder und Jugendliche, wirkte in der Öffentlichkeitsarbeit und im Sekretariat des Klosters und war mitverantwortlich in der Ordensausbildung. "Ich war voll drin in der Gemeinschaft", sagt Kreutzer im Rückblick. Und das an die 19 Jahre lang.

Doch im Laufe der Zeit kommen der Franziskanerin Zweifel und sie fragt sich, ob das Klosterleben noch zu ihr passt, ob sie noch Ordensfrau sein kann und wie sie eigentlich als Franziskanerin leben möchte. All diese Fragen beschäftigen sie. Intensiv sucht sie Antworten und tauscht sich dazu auch mit Mitschwestern aus. Die Generaloberin der Gemeinschaft ermöglicht ihr schließlich, sich außerhalb des Klosters auszuprobieren. 2018 zieht Schwester Elisa in eine Schwestern-WG, den sogenannten "Wengenkonvent", nach Ulm und beginnt dort in der Cityseelsorge zu arbeiten. "Das war ein Versuch, ob es vielleicht nur einen anderen Ort für mich braucht", blickt die ehemalige Ordensfrau zurück. Sie spürt in ihren Aufgaben und in den Begegnungen, wie geschwisterlich Kirche auf Augenhöhe sein kann. "Genau so wollte ich Schwester sein, mitten unter den Menschen", erinnert sie sich. Ihr Dienst in Ulm wird gleichzeitig ein "Experimentierraum", denn sie erlebt dort verschiedene Freiheiten. So lässt sie zum Beispiel das Ordenskleid und den Schleier zeitweise weg und ist in ziviler Kleidung unterwegs. Sie nimmt wahr, wie unterschiedlich die Menschen auf sie als Ordensfrau mit oder ohne Tracht reagieren. In normaler Kleidung unterwegs zu sein, erlebt sie als Befreiung und Bereicherung. "Plötzlich wurde ich nicht mehr nur als Ordensfrau, sondern einfach als Mensch unter Menschen wahrgenommen", weiß sie noch. Sie bringt das Thema rund um die Kleidung in die Ordensleitung ein. In diesem Kontakt wird Kreutzer deutlich, wie wichtig und wertvoll der Gemeinschaft die Tracht ist und auch bleiben soll.

Bild: ©privat

Gemeinsam und geschwisterlich mit einem Kapuziner unterwegs. In Habit und mit Eis. Heute würde Elisa Sarah Kreutzer keinen Schleier mehr tragen wollen.

"Auch wenn ich die Ordenstracht viele Jahre lang gerne als Zeichen der Einfachheit und der Zugehörigkeit zur Gemeinschaft getragen habe", sagt Elisa Kreutzer, "passte vor allem der Schleier, als ein von Männern gemachtes Zeichen", für sie als Frau in der heutigen Zeit nicht mehr. Nachdenklich fügt sie hinzu: "Es ging für mich auch darum, wie wir als Frauen in der Kirche wahrgenommen werden, welche Rolle ich und wir als Frauen in unserer Kirche haben." Sie könne Ordensfrauen verstehen, die ihre Tracht aus Überzeugung, der Tradition oder aus Gründen der Erkennbarkeit gerne tragen. Für sie selbst stimmte es jedenfalls nicht mehr. Doch "die Kleiderfrage" war nur eines von vielen Themen, die Elisa Kreutzer zu ihrem Schritt bewegten. Innerlich spürt sie, dass sie und die Gemeinschaft sich in unterschiedliche Richtungen entwickelt haben. Vor allem der innere Konflikt spitzte sich zu. "Das war eine jahrelange Entwicklung. Verschiedene Ereignisse und Erfahrungen machten es notwendig, meine gewählte Lebensform zu überprüfen", sagt sie nachdenklich. Sie kam gesundheitlich an Grenzen, aber auch emotional und in ihrem geistlichen Leben, in ihrer Gottesbeziehung.

Ring und Taukreuz hat sie beim Austritt zurückgegeben

Ende April 2021 tritt sie aus dem Orden der Franziskanerinnen aus. Vor allem, weil sie sich selbst, Gott und der Gemeinschaft gegenüber ehrlich und wahrhaftig bleiben wollte. Doch sie geht in Frieden, wie sie sagt. Es gab viele klärende Gespräche, Raum für Aussprachen sowie eine hörende und begleitende Ordensleitung, blickt sie versöhnt zurück. Vor allem der Abschied von den älteren Mitschwestern geht ihr nahe. Denn "für sie ging mit mir ein Stück Hoffnung und Zukunft", meint die ehemalige Ordensfrau. Manche waren enttäuscht, doch "viele wussten um mein jahrelanges Ringen", gibt sie zu. "Ich war aus vollem Herzen Franziskanerin." Weil die Gemeinschaft bischöflichen Rechts ist, musste der Bischof aus Rottenburg-Stuttgart dem Austritt zustimmen und sie in Form eines offiziellen "Austrittsindultes" von ihren Gelübden, also von Armut, Keuschheit und Gehorsam entpflichten. Damit war der Austritt dann kirchenrechtlich vollzogen.

Ihren Professring und ihr Taukreuz hat sie beim Austritt der Generaloberin zurückgegeben. Auch ihr Ordenskleid ließ sie dort. Nur ihr Christuslob, das Gebetsbuch der Gemeinschaft, hat sie behalten. "Meine Liebe zu den Franziskanerinnen und zur franziskanischen Familie bleibt", freut sich Kreutzer. Sie hat es sich sehr gewünscht, "im Guten aus dem Kloster zu gehen". Denn sie möchte ihrer franziskanischen Berufung treu bleiben und weiterhin nach dem Evangelium leben. Ihre Entscheidung brauchte zwar Mut und Kraft, doch Familie, Freunde und gute Wegbegleiterinnen standen ihr zur Seite. Denn ohne eigene Möbel, kaum zivile Kleidung und ohne Konto komplett neu anzufangen, war schon eine Herausforderung, berichtet die frühere Ordensfrau.

Bild: ©privat

Sarah Elisa Kreutzer im Urlaub. Ihren Ordensnamen hat die ehemalige Franziskanerin behalten.

Heute arbeitet Sarah Elisa Kreutzer als Seelsorgerin in Bad Waldsee bei der St. Elisabeth-Stiftung, die in Süddeutschland unter anderem zahlreiche Einrichtungen im Bereich der Alten- und Behindertenhilfe, einige Hospize und Kindertagesstätten betreibt. Nebenberuflich ist sie zudem mit ein paar Stunden als Lehrerin tätig. "Zum Glück habe ich damals bei meinem Eintritt ins Kloster - auf Anraten der damaligen Ordensleitung - meine Ausbildung zur Lehrerin fertig gemacht", schaut sie dankbar zurück. Überhaupt verdanke sie der Reuter Schwesterngemeinschaft viel, sagt sie. "All die Jahre haben mich zu der Frau werden lassen, die ich heute bin!" Ihr Austritt aus dem Orden scheint geglückt zu sein.

Nicht jeder, der einen Orden oder eine klösterliche Gemeinschaft verlässt, kann das so sagen. Manche ehemalige Ordensleute seien mittellos, haben kaum eine Altersvorsorge, sind ohne Wohnung komplett auf sich gestellt und setzen bewusst einen Schnitt zu ihrem bisherigen Ordensleben, berichtet Kreutzer. Es fehle oft eine Austrittskultur in den einzelnen Ordensgemeinschaften, wie auch bei jenen, die austreten. Sie meint, dass viel an den einzelnen Personen läge. "Geht jemand in Kränkung, aufgrund von Frust oder Enttäuschung, gelingt es leider oft nicht, den Austritt versöhnt miteinander zu gestalten." Kreutzer geht mit ihrem Lebensweg transparent um, hält sogar Vorträge zu dem Thema. Sie möchte Menschen anregen und ermutigen, sich mit dem eigenen Lebens- und Glaubensweg zu versöhnen, "Ja" zu scheinbar gescheiterten Wegen zu sagen und der eigenen Berufung zu trauen. Denn "Gott geht all unsere Wege mit", ist sie überzeugt.

Mit einigen der ehemaligen Mitschwestern ist Kreutzer bis heute freundschaftlich verbunden. Das trägt sie. Hin und wieder passiert es, dass sie in der Schule oder auf der Straße als "Schwester Elisa" angesprochen wird. Darüber freut sie sich. Denn ihren früheren Ordensnamen Elisa hat sie behalten wollen und am Standesamt offiziell als Vornamen in ihrem Pass eintragen lassen. "Die Gute Beth von Reute, also die selige Elisabeth, war schon immer ein Vorbild für mich", freut sich Kreutzer. Das soll auch so bleiben. Ob sie eines Tages vielleicht sogar wieder in einen franziskanischen Orden eintreten würde, schließt sie nicht ganz aus. Kirchenrechtlich wäre es möglich. Doch gerade ist Sarah Elisa in eine neue Wohnung gezogen, richtet sich ein, möchte einfach hörend unterwegs bleiben. "Ich finde, mein Leben ist gar nicht so spannend", sagt die ehamlige Ordensfrau lachend. "Eigentlich bin ich nur meinen Weg mit Gott gegangen und meiner Berufung gefolgt."

Von Madeleine Spendier