Kreuzweg-Prozessionen erinnern an Jesu Tod

Karfreitag: Deutsche Bischöfe rufen zu Mitmenschlichkeit auf

Veröffentlicht am 29.03.2024 um 17:06 Uhr – Lesedauer: 

Bonn ‐ Mit Kreuzweg-Prozessionen haben Christen am Karfreitag des Leidens und Sterbens Jesu gedacht. In ihren Predigten haben die deutschen Bischöfe auf das Leid der Menschen in Kriegsgebieten hingewiesen.

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Mit Kreuzweg-Prozessionen haben Christen in ganz Deutschland am Karfreitag des Leidens und Sterbens Jesu gedacht. In ihren Predigten nahmen viele Bischöfe Bezug auf das Leiden der Menschen in der Ukraine, in Israel und Gaza.

Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz (DBK), Bischof Georg Bätzing, hat die Menschen an Karfreitag dazu aufgerufen, Gott stärker zu suchen. "Wem es ernst damit ist, der kann Antwort finden: heute, im Kreuz, am helllichten Tag", sagte Bätzing in seiner Karfreitagspredigt in Limburg laut Manuskript. Weiter fragte der Limburger Bischof, wer sich heute den Luxus leiste, "in einer Zeit der Polykrisen, in der pragmatisch wirksame Strategien relevant und überlebensnotwendig geworden sind, gründlich nach dem wirklichen, menschlichen Menschen zu suchen?" Der Bischof riet dazu, die Antwort in den Evangelien der Bibel und in den Ostergottesdiensten zu suchen.

Kardinal Reinhard Marx warnte davor, Religion in politischen Konflikten zu instrumentalisieren. "Es ist ein Skandal, wenn Religionen zum Unfrieden beitragen", sagte der Erzbischof von München und Freising laut Redemanuskript in seiner Predigt zum Karfreitag im Münchner Liebfrauendom. In den Augen vieler Menschen erschienen die Religionen nicht mehr als Werkzeuge des Friedens, die zum Dialog beitragen könnten, sondern als "Aggressionsverstärker und Polarisierer, die Menschen voneinander trennen".

Der neue Erzbischof von Bamberg, Herwig Gössl
Bild: ©KNA/Katharina Gebauer (Archivbild)

Das Kreuz Jesu sei ein Zeichen des Wandels zum Besseren, sagte der Erzbischof von Bamberg, Herwig Gössl.

Der Bamberger Erzbischof Herwig Gössl hat die Menschen dazu aufgerufen, das Kreuz Jesu als Zeichen des Wandels zum Besseren zu begreifen. "Damit wird die unendliche Spirale von Gewalt und Gegengewalt durchbrochen, werden der sich ständig steigernde Hass und alle Rufe nach Rache und Vergeltung überwunden", sagte Gössl laut Manuskript am Karfreitag im Bamberger Dom. Unter dem Kreuz werde ein Neubeginn möglich.

Wahrheit nicht mit Macht verwechseln

Der Aachener Bischof Helmut Dieser warnte vor einer Verwechselung der Wahrheit mit Macht. "Sie geschieht in nicht enden wollender Weise in der Ukraine: Russland will mit seiner Macht sein Geschichtsbild durchsetzen", sagte er laut Manuskript seiner Karfreitagspredigt. "Wessen Macht siegt, auf dessen Seite ist die Wahrheit, so der bittere, mörderische Fehler." Wahrheit verträgt sich laut Dieser nicht mit Fehlern und Irrtümern. "Das wissen und spüren und das erleiden alle, die auf der schwächeren Seite stehen, die noch mutig protestieren und doch alles verlieren: die Weggesperrten in den Gefängnissen und Folterkellern, die in Schauprozessen Verurteilten, die als hinzunehmende Opfer ums Leben Gekommenen in Gaza oder die willkürlich in Terrororgien Ermordeten in Israel oder zuletzt im Konzertsaal in Moskau."

Russlands Führung ist nach Auffassung von Fuldas Bischof Michael Gerber nicht dazu legitimiert, den Terrorakt in der Crocus City Hall bei Moskau mit mehr als einhundert Toten für eigene Ziele zu instrumentalisieren. Trotz der Grausamkeit solcher Attentate müsse die Würde der mutmaßlichen Täter immer gewahrt bleiben, sagte Gerber am Karfreitag im Fuldaer Dom laut Manuskript. Er mahnte dazu, zu differenzieren. "Die Solidarität der Menschen und unsere Gebete müssen ganz klar bei den Opfern dieser grausamen Attentate sein", so Gerber. Ein funktionierendes Staatswesen erweise seine Kraft aber nicht nur in der Prävention solcher Terrorakte, sondern eben auch in der rechtsstaatlichen Bestrafung der potenziellen Täter, wenn solche Taten doch geschehen.

Bild: ©KNA/Julia Steinbrecht

"Die Solidarität der Menschen und unsere Gebete müssen ganz klar bei den Opfern dieser grausamen Attentate sein", so Gerber an Karfreitag im Fuldaer Dom.

Aus dem Tod Jesu am Kreuz ergibt sich nach Aussage des Münsteraner Bischofs Felix Genn auch "ein geradezu politisches Programm". Dies bestehe darin, "niemals mit Waffen zu versuchen, Recht zu bekommen, Land zu erben", sagte Genn in seiner Karfreitagspredigt in Münster. "Es ist das Programm einer gewaltlosen Liebe, ein Programm für den einzustehen, der ungerecht angegriffen und verfolgt wird", so der Bischof laut vorab veröffentlichtem Redemanuskript. Dies gelte auch für den Krieg gegen die Ukraine, in dem die westliche Welt stehe.

Gewalt und Tod haben nie das letzte Wort

Die Würde des Menschen zeigt sich laut Mainzer Bischof Peter Kohlgraf darin, dass sie den anderen Menschen nicht zu einer Nummer werden lasse, sondern in ihm einen Bruder oder eine Schwester sehe. "Daher werden menschenverachtende Diktaturen am Ende nie das letzte Worte haben, wie auch Gewalt und Tod nicht", gab sich der Mainzer Bischof überzeugt.

Im Speyerer Dom wurde in der Liturgie zum Karfreitag mit Bischof Karl-Heinz Wiesemann und Weihbischof Otto Georgens des Leidens und Sterbens Jesu gedacht. Dieser habe, wie der Weihbischof in seiner Predigt ausführte, auch im Angesicht der Gewalt nicht auf Rache und Vergeltung gesinnt, sondern wurde "der Gewalt Herr und überwindet sie durch Erbarmen und Liebe".

Beim 30. Kreuzweg auf der Halde an der ehemaligen Zeche Prosper Haniel in Bottrop setzte der Essener Bischof Franz-Josef Overbeck die Behandlung des Kremlkritikers Alexej Nawalny mit dem Gerichtsprozess gegen Jesus vor dem römischen Statthalter Pontius Pilatus in Beziehung. "Die Zeiten, in denen wir leben, drängen danach, mehr nach der Wahrheit zu suchen und zugleich auszuhalten, dass sie sich im paradoxen Sinne oft nicht nur einsinnig und eindeutig beantworten lässt", sagte er. Oftmals werde die Frage nach der Wahrheit daher bewusst verschwiegen, so der Bischof. An dem Kreuzweg nahmen trotz kräftiger Regenschauer rund 800 Menschen teil. (mtr/KNA)