Nigeria hofft weiter auf die Rückkehr der Mädchen von Chibok

"Wir haben euch nicht vergessen!"

Veröffentlicht am 29.05.2015 um 00:01 Uhr – Von Karin Gänsler (KNA) – Lesedauer: 
Nigeria

Abuja ‐ Über ein Jahr schon sind die Mädchen aus Chibok verschwunden. Noch immer hoffen die Menschen Nigerias, sie eines Tages wieder zu sehen. Besondere Erwartungen haben sie daher in ihren neuen Präsidenten Muhammadu Buhari. Er wird an diesem Freitag offiziell vereidigt.

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Dabei hatte der bisherige Staatspräsident Goodluck Jonathan stets versprochen, dass die Mädchen "bald befreit" würden. "Wir sind besonders betroffen, weil wir das Gefühl hatten, dass die Mädchen hätten befreit werden können. Aber zu viele Fehlentscheidungen haben dazu geführt, dass das bislang nicht geglückt ist", so Ezekwesilis ernüchterndes Fazit zur Amtszeit des scheidenden Präsidenten.

Rund um den Brunnen der Einheit stellt ihm niemand ein gutes Zeugnis aus. Man Ist froh über das Ende seiner Amtszeit und hofft nun auf Nachfolger Buhari (72), der an diesem Freitag offiziell vereidigt wird. Gleich neben den Aktivisten hat dessen Partei, der All Progressives Congress (APC), ein Plakat aufgehängt, mit dem ebenfalls die Befreiung der verschleppten Schülerinnen gefordert wird.

"Wahrheit ist so wichtig"

Buhari selbst sagte allerdings kurz nach seiner Wahl, er könne nicht versprechen, die Mädchen zu finden, wolle aber alles dafür tun. Es ist eine Aussage, die zwar nicht befriedigend ist, aber zumindest ehrlich zu sein scheint. "Wahrheit ist so wichtig zwischen den Regierenden und den Regierten", findet Ezekwesili. "Mit der Wahrheit können Bürger umgehen."

Ein Wahlplakat in Nigeria zeigt den neuen Präsidenten Muhammadu Buhari.
Bild: ©KNA

Auf dem neuen Präsidenten lasten hohe Erwartungen. Hier ist Muhammadu Buhari (links) noch auf einem Wahlplakat zu sehen.

Trotzdem: Es liegt ein immenser Druck auf den neuen Präsidenten. Viele Nigerianer erwarten Großes von dem General, der das Land bereits von 1983 bis 1985 führte und eisern gegen Korruption und Disziplinlosigkeit kämpfte. Die Nigeria-Analystin der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW), Mausi Segun, sieht im Konflikt mit Boko Haram die größte Herausforderung überhaupt. "Mehr als 7.000 Zivilisten wurden seit 2010 getötet, eine knappe Million Menschen wurde vertrieben", so die Expertin. Nun müsse die Spirale der Gewalt durchbrochen und all jene zur Rechenschaft gezogen werden, die für die Menschenrechtsverletzungen verantwortlich seien: "Boko Haram, die Armee und die Polizei."

Doch bis dahin ist es noch ein langer Weg. Die Terrormiliz ist weiterhin für zahlreiche Anschläge im Norden verantwortlich. Alarmierend für das Kinderhilfswerk Unicef ist außerdem, dass mittlerweile drei Viertel aller Angriffe von Mädchen und Frauen verübt würden. Häufig drohten ihnen die Terroristen damit, dass sie sonst ihre Familien auslöschen, heißt es.

Gegen das Vergessen

Bei diesem Gedanken steigen in der Hauptstadt Abuja auch der 16-jährigen Sarah Gideon die Tränen in die Augen. Das schlanke Mädchen ist selbst in Chibok zur Schule gegangen, hatte aber Glück: In der Nacht zum 15. April 2014 wurde es nicht entführt. Zwei ihrer engsten Freundinnen sind aber bis heute nicht wieder aufgetaucht. "Ich möchte Sarah und Elisabeth sagen, dass wir sie nicht vergessen haben. Ihr seid immer bei mir! Wir versuchen, dass die nigerianische Regierung etwas für euch tut. Ich möchte euch wiedersehen!"

Um Druck zu machen, ist das Mädchen selbst zur Chibok-Botschafterin geworden. Mit einer Gruppe anderer Schülerinnen fordert sie die Freilassung der Freundinnen und Mitschülerinnen, spricht vor Journalisten und Politikern. Sie selbst lebt heute aber nicht mehr in Borno, sondern im Bundesstaat Nasarawa, wo es weniger gefährlich ist. "In Chibok konnte ich nachts nicht mehr schlafen. Immerzu habe ich gelauscht, ob sie wiederkommen." Diese Angst wird sie wohl noch lange begleiten.

Von Karin Gänsler (KNA)