Schwester Teresa Zukic: Kirche braucht einen "Mutausbruch"
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Zuerst war sie Leistungssportlerin. Dann wurde sie Ordensfrau und schrieb Musicals für Kinder. Schwester Teresa Zukic hat einen besonderen Lebensweg hinter sich – zu dem auch eine schwere Krebsdiagnose gehörte. Im Interview spricht die Ordensschwester von der "Kleinen Kommunität der Geschwister Jesu", Buchautorin und Gründerin über ihr Leben und gibt Hinweise für die Gegenwart und Zukunft der Kirche.
Frage: Sie werden oft bezeichnet als die "deutsche Antwort auf Sister Act". Passt das für Sie?
Sr. Teresa: In den Jahren, als ich die Musicals gemacht habe, auf jeden Fall. Natürlich habe ich das nicht bezweckt, sondern das war einfach eine Gabe Gottes, Ich habe neun Musicals komponiert und aufgeführt – mit fast 100 Leuten. Die jüngste war fünf, die älteste 80. Wir waren auch auf vielen Katholikentagen oder ökumenischen Kirchentagen. Da habe ich auch gerappt und getanzt und ich glaube, das strahlt einfach meine Lebensfreude aus. Ich kann mich in Sister Act wirklich wiederfinden und finde den Film auch großartig. Es hat ja viel aufgebrochen, sodass man auch ein anderes Bild von Schwestern kriegt. Von daher bin ich voll einverstanden.
Frage: Ich glaube, man kann sagen, Sie sind auf jeden Fall eine besondere Frau. Wie würden Sie sich denn beschreiben?
Sr. Teresa: Ich würde sagen, ich bin wirklich verliebt in Gott und die Menschen. Mein Leben war bis zu meiner Bekehrung ein lebenslustiges Lied und seitdem ist es eine Symphonie. Ich sehe, dass ich ein Mensch bin, der unglaublich gerne Gott dient und den Menschen und dafür jeden Tag alles tut. Das ist einfach mein Leben. Ich bin ein bisschen verrückt, denn wie Papst Franziskus sagt, sind wir ja nicht mit Zitronenwasser getauft, sondern mit dem Heiligen Geist – und der ist kreativ und lebendig. Ich bin einfach eine Schwester, die Gott und die Menschen liebt.
Frage: War das auch noch so, als Sie stark krank wurden? Vor vier Jahren ist bei Ihnen Gebärmutterkrebs diagnostiziert worden. Die Aussichten auf Heilung waren denkbar schlecht.
Sr. Teresa: Meine erste Reaktion war: warum ich nicht? Was privilegiert mich, so was nicht zu bekommen? In der Corona-Zeit habe ich das sehr unschön über Telefon nach tagelangem Warten erfahren. Für mich ist es immer schlimm, wenn man ein Wort sagt und es nicht hält. Wenn die Ärzte versprechen, am Mittwoch anzurufen, weil dann das Ergebnis da ist und sie immer angedroht haben, es sehe nicht gut aus und man wartet und die rufen dann erst am Freitag an, dann hat sich die Angst natürlich so in die Seele gekrochen. Wenn du dann erfährst, du hast einen bösartigen, schnell wachsenden Tumor und sie geben dir nicht viel Hoffnung. Als ich fragte, ob ich denn die Operation überleben werde und dann sagten die gar nichts, bin ich wirklich zum ersten Mal in meinem Leben zusammengebrochen. Ich habe einen Weinanfall gekriegt und geschluchzt, aber dann habe ich plötzlich wieder angehalten und gesagt: Nein, das glaube ich noch nicht. Gott hat das letzte Wort. Und ich wollte außerdem sehen, ob das alles stimmt, was ich den Menschen jeden Tag gesagt und womit ich sie motiviert habe. Ich habe gesagt: Gott, jetzt will ich sehen, dass das alles stimmt – und es war wirklich abenteuerlich.
Frage: Das Thema Durchhalten ist Ihnen nicht ganz fremd. Sie sind eine Kämpfernatur, im Profisport zum Beispiel: Sie waren Kunstturnerin am Schwebebalken. Dann kam die Leichtathletik und der Siebenkampf. Sie hatten als junge Frau sportlich einiges vor?
Sr. Teresa: Auf jeden Fall. Ich bin auf ein Sportinternat gekommen und sie haben dort sehr schnell gesagt, dass ich eine Begabung habe. Hessische Meisterin im Schwebebalken zu werden, war natürlich großartig. Ich war aber noch sehr jung und meine Hand hat sich irgendwie verwachsen durch die Stützen. Jedenfalls musste ich mit zwölf aufhören mit dem Turnen. Das war ein Schock, denn das war mein Leben. Wir waren keine gläubigen Menschen. Für mich war das mein Lebensinhalt. Dann hat eine Freundin von meiner Mutter in der Sparkasse gesagt: Komm doch ins Leichtathletikstadion. Dann bin ich an einem Dienstag dahin gegangen und hatte am Samstag meinen ersten Wettkampf. So ist es losgegangen. Durch das Turnen bin ich so sehr Autodidakt, sodass ich die Disziplinen sehr schnell gelernt habe. Dann war ich Mehrkämpferin. Und es stimmt, man lernt sehr viel, seinen Schweinehund zu überwinden. Ich habe mächtig viel trainiert und ich wollte wirklich Karriere machen. Ich wollte erfolgreich sein. Ich war bei den Deutschen Meisterschaften. Im Grunde war alles ausgerichtet auf Erfolg. Ich war auch sehr diszipliniert. Wenn der Trainer sagte "zehn Läufe", dann machte ich zehn Läufe. Wenn der mal nicht da war und die anderen sagten: Ach komm, wir schenken uns zwei – nein, das gab es bei mir nicht.
Frage: Da ist es umso erstaunlicher, dass der Sport, Ihr damaliger Lebensinhalt, von Ihnen selbst von heute auf morgen komplett über Bord geworfen wurde.
Sr. Teresa: Ja, das ist das Verrückte. Es fing in einer Nacht im Sportinternat an. Meine Freundin war 400-Meter-Läuferin und wir haben zusammen diese kleine Wohnung gehabt. Sie sagte zu mir: "Du, ich habe ein paar Bücher, die will ich aussortieren, ich lege sie dir mal ins Zimmer." Ich habe mir nichts dabei gedacht. Die lagen neben meinem Bett auf dem Boden. Gegen 2:00 Uhr früh wachte ich auf. Ich konnte nicht schlafen, hatte aber am nächsten Tag ein Basketballspiel und dachte mir: Mensch, ich muss doch schlafen. Dann dachte ich: Hör Queen – meine Lieblingsgruppe, aber das hat auch nichts genutzt. Ja und dann dachte ich mir: Lies was, vielleicht wirst du wieder müde. Und ich griff wirklich zum erstbesten Buch, was da war. Es war die Bibel. Ich hatte noch nie in die Bibel geschaut und ich schlug irgendwo auf. Dann stand da "Bergpredigt". Was ist das denn? Als ich den Satz gelesen habe "Selig, die ein reines Herz haben, denn sie werden Gott schauen" (Mt 5,8), wurde ich existenziell berührt. Ich habe eine Liebe gespürt, die man nicht in Worte fassen kann. Gleich am nächsten Tag im Basketballspiel war ich wie verändert. Ich wurde im Spiel sehr böse gefoult. Und früher hätte ich mich da bestimmt revanchiert. Dann habe ich aber anders reagiert und irgendwas Nettes gesagt. Da habe ich wieder diesen Frieden gespürt. Ich bin wieder nach Hause und habe wieder in diesem Buch gelesen. So fing es an. Bis zu diesem Moment dachte ich ja immer, man muss Bedingungen erfüllen, um geliebt zu sein. Wenn – dann. Wenn du viel trainierst, dann wirst du die Nummer eins. Wenn du gute Noten schreibst, dann ist die Mama zufrieden. In dieser Nacht erfuhr ich: "Weil du geliebt bist, darfst du leben!"
Frage: Kann dieser Gott, der bedingungslos liebt, die Kirche retten?
Sr. Teresa: Wir sind müde. So kommt es mir vor im Christentum, wir sind so müde. Die Priester sind müde. Die Gemeinde ist müde. Alle sind so müde und wissen nicht weiter. Aber Gott wird nicht müde.
„Ich wünsche mir, dass wir wieder den Mut haben, an dieser Begeisterung und an dieser Verliebtheit für uns selber zu arbeiten und uns das wieder schenken zu lassen.“
Frage: Was wünschen Sie sich für Ihre Kirche?
Sr. Teresa: Ich wünsche mir, dass wir wieder den Mut haben, an dieser Begeisterung und an dieser Verliebtheit für uns selber zu arbeiten und uns das wieder schenken zu lassen. Denn ich kann doch niemanden begeistern, wenn ich nicht selber begeistert bin, wenn ich so müde bin und frustriert bin. Einfach mehr beten, mehr Bibellesen, mehr leben und auch einfach genießen. Die Leute wollen ja auch sehen: Wenn es wirklich diese großartige Botschaft der Welt ist, dann gehören da auch Freude und Humor dazu. Das ist mein Ding. Ich muss einfach viel lachen. Bei manchen Christen würde ich schon manchmal sagen: Kannst du deinem Gesicht sagen, dass du Christ bist – einmal die Woche vielleicht? Ich will die Menschen glücklich machen. Ich will Zeugnis geben. Dazu habe ich ein schönes Bild: Ich war bei einem großen Festgottesdienst, da war die ganze Feuerwehr vorne. Da habe ich gesagt: Stellen Sie sich vor, es brennt. Da sind zehn schlafende Feuerwehrleute und Sie haben einen Eimer Wasser in der Hand. Wo schütten Sie das hin? Ins Feuer oder über diese zehn Schlafenden? So kommt es mir vor. Wie sollen wir denn die Brandherde dieser Welt retten, wenn wir nicht wach sind, wieder begeistert sind, erfrischend sind und mutig sind? Wir brauchen einen "Mutausbruch". Deswegen war ja mein neuestes Buch: "Vergiss das Schöne nicht." Wir haben das vergessen, dass es Gott noch gibt. Vergiss das Schöne nicht! Wir brauchen einen "Mutausbruch"! Wir müssen wieder das Gute wagen – auch mit sich selbst.
Frage: Alles, was Sie da sagen, klingt so leicht.
Sr. Teresa: Es ist schwer. Es ist manchmal so herausfordernd. Ich habe letztes Jahr so viel Verlust erlebt und so viel Umbruch in meiner Gemeinschaft. Jetzt muss ich gucken, wie ich das alleine stemme. Ich habe schon eine neue Mitschwester und viele, die mir im Freundeskreis helfen wollen. Es wird aber auch einen Förderverein geben, aber ich gebe nicht auf. Ich mache einfach mit seiner Liebe jeden Tag weiter. Das Leid kann ich nicht lösen – ganz ehrlich. Ich kann den Krieg nicht beenden. Ich kann aber jeden Tag versuchen, ein bisschen mehr zu lieben, froh und dankbar zu sein und die Welt zu verzaubern.