Nach Omas Tod: Wohin mit geerbten Kreuzen und Madonnen?
Dinge, die man ausrangieren will, kommen entweder in den Hausmüll oder auf den Wertstoffhof. Doch was macht man eigentlich mit religiösen Gegenständen? Ein Gespräch mit Maria Baumann, Leiterin der Abteilung Kunst und Denkmalpflege im Bistum Regensburg, die sich mit religiöser Volkskunst auskennt. Sie weiß, wie man mit solchen Hinterlassenschaften umgehen sollte.
Frage: Frau Baumann, wer einen Haushalt auflöst, stößt auch auf Rosenkränze, Heiligenfiguren, Weihwasserkessel oder Kreuze. Kann man Ihnen damit eine Freude für die diözesanen Museen machen?
Baumann: Das hängt davon ab, ob es sich um Massenware oder tatsächliche Kunst handelt. Für unsere Sammlung von Volkskunst nehmen wir nur Stücke auf, die eine außergewöhnliche Darstellung eines christlichen Motivs zeigen, von besonderem Material sind oder mit der Region zu tun haben. Wichtig ist vor allem, welche Geschichte hinter einem Objekt steckt. Massenprodukte, wie ein etwa tausendfach hergestellter Rosenkranz, zählen da nicht dazu.
Frage: Ihr Anliegen?
Baumann: Wir möchten potenzielle Erben – denn wenn man etwas erbt, ist es meist zu spät – dazu aufrufen, sich schon früher mit Großeltern oder Eltern darüber zu unterhalten, was diesen bestimmte Dinge bedeuten. Wenn sich jemand wirklich damit auseinandersetzt, will er die ererbten Werke möglicherweise gar nicht mehr hergeben. Oft aber wissen Erben nicht, wie die Oma oder der Vater zu einem Stück kamen und was es ihnen bedeutet hat. Weiß man aber, die Mutter hat das Kreuz zur Hochzeit geschenkt bekommen, dann ist das vielleicht nicht unbedingt ein Stück für den Flohmarkt, sondern eines mit Familiengeschichte. Diese Erfahrung durfte ich tatsächlich schon öfter machen.
Bistum Regensburg schafft Zentrum für christliche Bilderwelten
Es gibt Glaubenszeugnisse, die finden Platz in einer Glasflasche. Das Bistum Regensburg verfügt über eine Sammlung religiöser Volkskunst, die ihresgleichen sucht. Für sie soll neuer Platz geschaffen werden – in einem bundesweit einzigartigen Projekt.
Frage: Was wurde Ihnen angeboten, wo Sie sagten, das ist wirklich was Besonderes?
Baumann: Vor Kurzem kam jemand mit einer Passionscollage. Damit wurde der Weg des Leidens Jesu bis zur Kreuzigung mit filigran ausgeschnittenen Papierfiguren in einem Kasten nacherzählt. So etwas hatte ich in dieser Qualität zuvor noch nie gesehen.
Frage: Und wann erklären Sie Leuten, dass deren Stücke beim besten Willen nichts für Ihr Museum sind?
Baumann: Regelmäßig wird mir von Erben die "Sixtinische Madonna" von Raffael angeboten, weil sie glauben, große Kunst zu besitzen. Aber die gibt es als Reproduktionen in allen Variationen als Druck und Gemälde. Das Original hätte ich auch gerne (Baumann lacht), aber das hängt nun mal in der Gemäldegalerie Alte Meister in Dresden. Auch Behältnisse mit Schraubverschluss in Form von Madonnen, in die Wasser der Lourdes-Quelle abgefüllt werden kann, sind Massenware. Das nehmen wir nur einmal auf und nicht im Dutzend.
Frage: Die eigene Wohnung ist in der Regel eingerichtet. Man kann ja nicht fünf Kruzifixe aufhängen. Was also tun?
Baumann: Bei wertvolleren Objekten gibt es die Möglichkeit, dass wir die unter Umständen vermitteln, etwa nach Kroatien. Dort wurden und werden nach dem Bürgerkrieg die zerstörten Kirchen wiederaufgebaut. Die Menschen sind oft dankbar für die religiösen Andachtsobjekte. Nach Afrika schicken wir bewusst nichts. Dazu ist die gedankliche Verknüpfung von Missionierung und Kolonisierung trotz ihrer widerstrebenden Logiken noch zu eng. In Einzelfällen, wenn eine konkrete Anfrage da ist, arbeiten Diözesen aber durchaus zusammen und geben etwas ab.
Frage: Noch eine Alternative?
Baumann: Religiöse Volkskunst wird nach wie vor auf Auktionen gehandelt, aber bei Weitem nicht mehr zu so hohen Preisen wie etwa noch vor zehn Jahren. Die Nachfrage hat nachgelassen, weil die Bindung zu Religion nachlässt und damit auch der Bezug zu entsprechender Kunst. Dennoch gibt es bisweilen Überraschungen. Findet sich ein interessierter Sammler, zahlt der durchaus einen enormen Preis. Aber es werden weniger.
Frage: Und die nicht so wertvollen Heiligen und Gekreuzigten? Viele dürften nach wie vor eine Hemmschwelle haben, diese in den Müll zu werfen?
Baumann: Eine Anlaufstelle könnten Pfarrbüros sein. Einfach nachfragen. Aber in der Regel wird dort auch nichts mehr gebraucht. Massenware hat vielleicht einen individuellen, aber keinen Sammlerwert. Bei religiösen Gegenständen aus natürlichen Materialien könnte man den Pfarrer fragen, ob er diese vielleicht beim nächsten Johannisfeuer mitverbrennen kann. Das funktioniert allerdings nur mit Holz. Kunststoff schafft Umweltprobleme. Da bleibt nichts anderes als das Objekt kleinzuschneiden und zum Wertstoffhof zu bringen. Oder der Flohmarkt.
Frage: Wie schaut es bei Engeln aus? Werden die eher behalten?
Baumann: Engel gehen immer, selbst bei jenen Leuten, die nicht so religiös gebunden sind. Das Bild des Schutzengels, dass mich jemand begleitet, ist vielen Menschen nach wie vor nah. Zum Engel haben viele eher einen Bezug als zum Beispiel zur Figur des heiligen Rochus. Denn so heißen nun mal nicht mehr viele.
Frage: Und wie soll man mit kleinen Medaillons umgehen?
Baumann: Das hängt wiederum vom Material ab. Wenn es sich um Medaillons oder gar Münzen aus Gold oder Silber handelt, dann ist es durchaus eine Wertanlage. Bei vergoldetem Kupfer gilt das nicht. Wenn der ideelle Wert für den Besitzer nicht mehr da ist, dann gegebenenfalls einen Numismatiker draufschauen lassen.
Frage: Und wenn Medaillons nicht ganz so wertvoll sind, vielleicht in den Geldbeutel legen?
Baumann: Warum nicht? Beim Hineinschauen kann uns das für den Moment das Gefühl des Beschütztseins im Alltag geben. Früher glaubte man sogar, dass dem Besitzer damit das Geld nicht ausgeht. Der Mensch verändert sich im Laufe des Lebens. Deshalb bitte überlegen, ob man wirklich vorschnell etwas weggeben möchte. Denn zehn Jahre später hat man vielleicht einen anderen Zugang dazu und schätzt dann das Stück als Erinnerung an die Mutter als besonders wertvoll ein.