Rekordhoch bei Taufen: Was macht die Kirche in Frankreich anders?
Man spricht von einem Rekord: Mehr als 12.000 Menschen haben sich in der diesjährigen Osternacht in Frankreich taufen lassen. Auf den ersten Blick eine überraschende Zahl, zumal immer wieder von einer zunehmenden Säkularisierung, gar einer "Entchristlichung" die Rede ist, wenn es um die Kirche in Frankreich geht. Doch die Zahl der Erwachsenentaufen in Frankreich nimmt seit rund zehn Jahren stetig zu, wie aus einem kürzlich veröffentlichten Bericht der Französischen Bischofskonferenz hervorgeht. Dieser Trend sei in fast allen Diözesen Frankreichs zu beobachten.
Unter den Neugetauften sind laut Bischofskonferenz 7.135 Erwachsene, von denen 36 Prozent zwischen 18 und 25 Jahre alt sind, und 5.000 Jugendliche im Alter von 11 bis 17 Jahren. Olivier Leborgne, Bischof von Arras und Vorsitzender der Kommission für Katechese und Katechumenat der Französischen Bischofskonferenz, spricht von einer "Bewegung verwirrenden Ausmaßes". "Die Zahl derer, die sich an die Kirche wenden, um Taufe, Firmung und Eucharistie zu empfangen, ist nicht gerade gering", so Leborgne. Es könne sein, so der Bischof, dass "Gott die Dinge selbst in die Hand nimmt" angesichts der heutigen, teilweise orientierungslosen und verwirrten Welt und Kirche.
Eine Art Nachholbedarf
Es handele sich um ein massives Phänomen, das in den vergangenen zehn Jahren begonnen habe und stetig wachse, sagt Jugendpfarrer Vincent Breynaert, Leiter des Büros für Jugendpastoral und Berufungen der Französischen Bischofskonferenz, gegenüber katholisch.de. Das Phänomen betreffe nicht nur Großstädte, sondern auch Arbeiterstädte und ländliche Gebiete. Ein typisches Profil der jungen Katechumenen in Bezug auf soziale Herkunft und persönlichen Hintergrund gebe es nicht, so Breynaert. Und weiter: "Diese jungen Menschen sind nicht in erster Linie Ausdruck einer Identitätssuche, sondern eines echten spirituellen Durstes und einer Sinnsuche in einer säkularisierten Gesellschaft. Viele nennen Glaubenszeugnisse im Internet als Motivation, andere die Schönheit der Liturgie oder die beruhigende Stille in einer Kirche".
Bei manchen Jugendlichen gebe es aber auch eine Art Nachholbedarf, betont Breynaert. "Sie bedauern die Entscheidung ihrer Eltern, sie nicht getauft zu haben", so der Jugendpfarrer. Für andere wiederum sei das Zeugnis der Großeltern entscheidend – "vor allem die Einfachheit, mit der sie von Gott sprechen". Papst Franziskus habe bereits in seinem 2019 veröffentlichten nachsynodalen Schreiben an die Jugend "Christus Vivit" ähnliche Gedanken geäußert, als er sagte, dass die Großeltern mit ihrer religiösen Erziehung einen entscheidenden Beitrag leisteten.
Den Wert der Großeltern beim Weg zum Glauben bestätigt auch Béatrice Schenckery, Leiterin eines Katechumenatsteams in Evreux in der Normandie. Viele Katechumenen hätten ihr erzählt, dass sie von ihren Großeltern das Beten gelernt hätten, sagte sie der französischen Zeitung "La Croix". Eine andere Leiterin, Anne-Sophie Dubecq, sagte der Zeitung, ein häufiges Szenario sei, dass die Jüngeren eine gewisse Verbitterung verspürten, weil ihre älteren Geschwister noch getauft wurden. "Diese jungen Leute sagen, ihre Eltern hätten ihnen die freie Wahl gelassen, aber ich spüre in ihnen eine Verbitterung und die Frage, warum die Eltern auf eine christliche Erziehung verzichtet haben", so Dubecq.
Kein spezielles Programm
Doch allein damit lassen sich die Taufzahlen, gerade bei Jugendlichen, nicht erklären. Was macht die Kirche in Frankreich anders? Während in anderen europäischen Ländern die Kirche nach der Firmung für die meisten keine Rolle mehr spielt, hatte sich die Situation in Frankreich umgekehrt, sagen die Verantwortlichen. Die Frage, ob es ein neues, spezielles Programm für Jugendliche gebe, verneinen sowohl Bischof Leborgne als auch Jugendpfarrer Breynaert. Zwar hätten die Diözesen ihre Angebote für Jugendliche verstärkt, aber auch die katholischen Bewegungen leisteten einen großen Beitrag. Dazu gehörten die Pfadfinder mit über 150.000 Jugendlichen oder die charismatischen Gemeinschaften, die neben spirituellen Angeboten auch Freizeitaktivitäten wie Ferienlager und Fahrten zu bekannten Orten wie Taize oder Lourdes organisierten. Letztere, so Breynaert, seien eine Möglichkeit, das Jugendliche mit anderen jungen Christen über den Glauben ins Gespräch kommen.
„Ihr Weg und ihre Entscheidung, Christen zu werden, sind eine Herausforderung für ihre Familien und ihre Freunde in der Schule. Sie fordern aber auch die Jugendpastoral und die Pfarreien heraus.“
Das Bedürfnis nach Gemeinschaft, Brüderlichkeit und Beziehungen betont auch Catherine Chevalier, Leiterin des nationalen Dienstes für Katechese und Katechumenat der Bischofskonferenz. "Die jungen Menschen gehen unbefangener an die Glaubensfrage heran als frühere Generationen", so Chevalier. Sie wollen dazugehören und Gemeinschaft erleben, für andere geht es um die Wiederentdeckung des Familienglaubens. Wieder andere nennen Begegnungen mit Freunden, die Liturgie oder andere kirchliche Feiern, bei denen sie den Wunsch verspürten, sich taufen zu lassen.
Es sind also nicht unbedingt "missionarische Bemühungen" der Kirche, wie der Bischof von Limoges, Pierre-Antoine Bozo, sagte, sondern vor allem verschiedene Begegnungen und Ereignisse, die zu dieser Entscheidung geführt haben. Für die Zukunft weiß Jugendpfarrer Breynaert, dass die Aufnahme und Integration der neuen Katechumenen eine wichtige Aufgabe sein wird. "Ihr Weg und ihre Entscheidung, Christen zu werden, sind eine Herausforderung für ihre Familien und ihre Freunde in der Schule. Sie fordern aber auch die Jugendpastoral und die Pfarreien heraus, die sich auf die Aufnahme und Integration vorbereiten müssen", so der Jugendpfarrer weiter. Doch dabei werde es nicht bleiben, denn man wisse bereits, dass die Zahl der Jugendlichen, die sich im Jahr 2025 taufen lassen, "zweifellos höher sein wird".