"Kirche mit Visionen"
"Er soll lebensklug und authentisch sein, nicht lügen, die Menschen lieben, glaubhaft verkündigen und dienen wollen, statt zu herrschen", heißt es in einer Mitteilung Pressestelle der Diözese vom Sonntag über die Wünsche der Diözesanversammlung. Teilnehmer an der Veranstaltung war auch Domdekan Günter Geis. Er sprach von einer "nicht geringen Möglichkeit", dass die Diözesanversammlung im Domkapitel Einfluss auf die Meinungsbildung über einen neuen Oberhirten haben könne. Dies hatte zuvor auch Ingeborg Schillai, Präsidentin der Diözesanversammlung, unterstrichen. Es sei wichtig, dass die synodalen Gremien aus den Erfahrungen der vergangenen Amtszeit ihre Erwartungen an einen neuen Bischof formulierten. Derzeit wird die Diözese übergangsweise von Weihbischof Manfred Grothe geleitet. Wann es einen Nachfolger für Tebartz-van Elst gibt, ist noch offen.
Schillai ging auch allgemein auf die derzeitige Situation der Kirche ein, die sie im Umbruch sieht: "Wir stehen mitten drin in großen Herausforderungen", sagte sie. Diese seien vor allem durch gesellschaftlichen und demographischen Wandel, aber auch durch einen Glaubwürdigkeitsverlust bedingt. Es brauche nach ihren Angaben "positive Gestaltungsvorschläge, wie kirchliches Leben unter veränderten Strukturen erhalten und weiterentwickelt werden könne".
Gastredner bei der Veranstaltung war Markus Konkolewski, Leiter des Prozessbereichs Kommunikation im Bischöflichen Ordinariat Magdeburg. "Gemeindeleitung ohne kanonischen Pfarrer ist machbar", sagte er in seiner Ansprache. Als Beispiel nannte er Gemeinden in Bad Liebenwerda, einem großflächigen, aber dünn besiedelten Gebiet seiner Diözese, in der die Katholiken "die absolute Minderheit" darstellten. Hier werde derzeit in sechs Gemeinden ein neues Gemeindemodell mit einem Leitungsteam – darunter ein Claretinerpater sowie mehrere Ehrenamtliche – umgesetzt.
"Das ist kein Experiment", betonte Konkolewski, sondern bezeichnete das Modell stattdessen als "neuen Weg". "Kirchenentwicklung ist gestaltbar." Es sei ein Hoffnungszeichen, dass die Menschen vor Ort Verantwortung in der Gemeindeleitung übernähmen. Er plädiere dafür, "katholisch erlöst, statt katholisch griesgrämig" an der Gemeindegestaltung mitzuwirken. Auch wenn sich Kirche und Menschen veränderten, versiege der Glaube nicht, sondern drücke sich nur anders aus, so Konkolewski. "Wir müssen endlich wieder eine Kirche mit einer Vision sein."
Neuentdeckung der Tauf- und Firmberufung
Als wesentliche Voraussetzung für diesen Prozess nannte der Sozialarbeiter die Entdeckung der Tauf- und Firmberufung jedes einzelnen Gläubigen sowie eine stärke Gestaltung des Dienstcharakters des Weiheamtes. Dem stimmte auch Regens Christof Strüder vom Limburger Priesterseminar zu, der ebenfalls als Gastredner auftrat. Das Priesteramt sei ein kirchliches Dienstamt, sagte er. Gemeindeleiter sei der Priester, der dafür vom Bischof eingesetzt werde. Gleichzeitig gelte es, den Dienst der Laien auf ein vernünftiges Fundament zu stellen. So könne seiner Meinung nach an vielen Punkten etwas verändert werden, um das "gemeinsame Priestertum aller Gläubigen" deutlicher zu machen.
Linktipp: Zurück zur Seelsorge
Die Kirche in Deutschland wandelt "offensichtlich auf einem Irrweg", sagt der Paderborner Theologe Herbert Haslinger. In der "Herder Korrespondenz" rechnet er mit diözesanen Strukturprozessen ab und fordert eine "Rückkehr zur Seelsorge".Die Debatte um diözesane Strukturprozesse ist nicht neu: So hatte erst vor kurzem der Paderborner Theologe Herbert Hasslinger in einem Beitrag für die Zeitschrift "Herder Korrespondenz" Kritik an der Neuordnung der Seelsorgestrukturen geäußert (siehe Linktipp). Die Kirche in Deutschland wandele seiner Meinung nach "offensichtlich auf einem Irrweg". Er halte es für einen falschen Weg, dass viele Diözesen ihre Seelsorgebereiche vergrößerten und den gemeindeleitenden Priestern eine wachsende Zahl Gläubige anvertrauten.
So gestaltete Strukturen würden laut Haslinger weder dem pastoralen Bedarf noch der Lebensrealität der Menschen gerecht. Im Mittelpunkt der Reformüberlegungen stünden vielmehr die Begrenzungen des Weiheamts. Dessen "Beschränkung auf Männer, Verpflichtung auf den Zölibat" oder auch die "klerikale Sonderstellung" entschieden letztlich darüber, "was möglich ist und was nicht möglich ist, und unter keinen Umständen verändert oder in Frage gestellt" werden könne.
Kritik äußerte er auch an der starken Beanspruchung von Laien als ehrenamtliche Mitarbeiter in der Pastoral: "Besonders bedenklich ist das Schema, den Gläubigen die Mitarbeit in der Gemeinde als Erfordernis ihrer 'Berufung' zu vermitteln". Passivität der Gläubigen würde ihnen demnach als Glaubensmangel vorgeworfen. Die Gemeinden würden, so warnt Herbert Haslinger, nicht mehr länger die Orte der Seelsorge sein, weil den Seelsorgern zunehmend die Möglichkeit zum unmittelbaren Kontakt mit den Menschen fehle.