Nach zwei Jahren Großteil der Forderungen nicht erfüllt

OutInChurch-Initiator fordert Aufarbeitung kirchlicher Diskriminierung

Veröffentlicht am 18.04.2024 um 12:06 Uhr – Lesedauer: 

Essen ‐ Rainer Teuber von #OutInChurch zieht gut zwei Jahre nach dem Coming-out kirchlicher Beschäftigter eine nüchterne Bilanz: Von sieben Forderungen habe die Kirche nur eine erfüllt. Eine Aufarbeitung ihrer Schuldgeschichte stehe noch aus.

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Die Initiative "#OutInChurch" fordert eine Aufarbeitung der Schuldgeschichte der katholischen Kirche in Bezug auf die Diskriminierung queerer Menschen. Der #OutInChurch-Mitinitiator Rainer Teuber stellt im Online-Magazin "Feinschwarz" (Donnerstag) fest, dass über zwei Jahre nach dem öffentlichen Coming-out von 125 queeren Kirchenbeschäftigten nur eine von sieben Forderungen der Initiative erfüllt wurden. Lediglich das kirchliche Arbeitsrecht sei reformiert und diskriminierungsfreier gestaltet worden. "Das bedeutet: Wir stehen zwei Jahre nach unserer Kampagne noch immer ganz am Anfang des Weges", so Teuber.

Zur Aufarbeitung brauche es eine unabhängige Studie, um bestehende Strukturen zu analysieren und offenzulegen, wie und wo Diskriminierung stattgefunden hat. "Verantwortungsträger müssen zugeben, dass es in 'ihrer' Kirche strukturelle Diskriminierung von queeren Menschen gibt", betont Teuber. Kirchenleitende müssten Schuld anerkennen und dafür Verantwortung übernehmen. Das sei eine wichtige Voraussetzung, um eine diskriminierungsfreie Kirche ohne Angst zu schaffen.

Revision der kirchlichen Lehre gefordert

Nach Ansicht Teubers braucht es eine Veränderung der klerikal-hierarchischen Struktur und des Wahrheitsanspruchs des kirchlichen Lehramts. "Diffamierende und nicht zeitgemäße Aussagen" der kirchlichen Lehre zu Geschlechtlichkeit und Sexualität müssten auf der Grundlage gesicherter theologischer und humanwissenschaftlicher Erkenntnisse auf den neuesten Stand gebracht und schlussendlich revidiert werden: "Nur so kann das Paradoxon aufgelöst werden, dass queere Beschäftigte den katholischen Arbeitgeber einerseits angeblich bereichern, sie andererseits aber als Personen 'schwere Sünder' bleiben, weil sie gegen die Regeln des Katechismus verstoßen."

Konkret fordert der Sprecher von #OutInChurch Wiedergutmachung, wo das noch möglich ist. So soll queeren Menschen, denen die "Missio canonica" entzogen wurde, diese wieder angeboten werden, wie es das Bistum Trier bereits getan hat. Zur Aufarbeitung innerkirchlich erlebter Traumata müsse die Kirche die Kosten einer professionellen psychologischen Begleitung übernehmen. Gebete und Gottesdienste sollen so gestaltet werden, dass sie die Vielfalt der Gemeinden widerspiegeln: "Liturgie darf die Strukturen, die sexuelle Gewalt und Diskriminierung ermöglicht haben, nicht durch Sprache und Inszenierung fortsetzen." Weiter müsse Macht kontrolliert und durch verbindliche Mitbestimmung eingehegt werden.

Ende Januar 2022 hatten sich 125 kirchliche Mitarbeitende als queer geoutet. Gegenüber der Kirche stellten sie sieben Forderungen auf: in der Kirche als queere Menschen ohne Angst leben zu können, einen diskriminierungsfreien Zugang zu allen Handlungs- und Berufsfeldern, eine Änderung des kirchlichen Arbeitsrechts, eine Revision der Lehre der Kirche zu Geschlechtlichkeit und Sexualität, den Zugang von queeren Paaren zu Segen und Sakramenten, die Förderung einer Kultur der Diversität und die Übernahme von Verantwortung durch Bischöfe durch eine Aufarbeitung der institutionellen Schuldgeschichte. Im November 2022 haben sich die deutschen Bischöfe auf eine neue Grundordnung des kirchlichen Dienstes geeinigt, die den "Kernbereich privater Lebensgestaltung, insbesondere Beziehungsleben und Intimsphäre", rechtlichen Bewertungen entzogen und Vielfalt als Bereicherung für die Kirche anerkannt hat. (fxn)