Femen-Aktivistin erneut verurteilt
Für die Aktivistin hatte der Auftritt durchaus ein aufregendes Nachspiel. Im Dezember 2014, fast ein Jahr nach der Aktion, verurteilte das Kölner Amtsgericht Witt zu einer Geldstrafe von 60 Tagessätzen zu jeweils 20 Euro – wegen grober Störung der Religionsausübung. Dieses Urteil hat am Dienstag auch das Kölner Landgericht bestätigt, allerdings das Strafmaß nach unten korrigiert: Nach einem Urteil muss Witt nun nur noch 600 Euro zahlen, die Hälfte der ursprünglich vorgesehenen Strafe.
Gericht: Nicht nur eine Jugendverfehlung
Den Antrag der heute 21-Jährigen und ihrer Anwältin Eva Steiner, Witt nach dem Jugendstrafrecht zu verurteilen, wies das Gericht ab. Für eine Reifeverzögerung oder eine Jugendverfehlung sah es ebenso wenige Anhaltspunkte wie zuvor das Amtsgericht.
Die Aktivistin und ihre Anwältin machten außerdem das Recht auf freie Meinungsäußerung geltend. Eine Institution wie die katholische Kirche müsse sich - auch im Gottesdienst - Kritik an ihrer frauenfeindlichen Haltung gefallen lassen. Steiner sprach von einer Jugendverfehlung, da sich ihre Mandantin keine Gedanken über die empörten Reaktionen gemacht habe. Oberstaatsanwalt Ulf Willuhn betonte, Witt habe zwar das Recht, ihre Meinung zu äußern. Zugleich sei aber das Grundrecht auf Religionsausübung zu achten. Ob Witt das Urteil akzeptiert oder erneut Berufung einlegt, blieb zunächst noch offen.
Für ihre Aktion hat die in Hamburg lebende Frau jedenfalls viel Aufmerksamkeit bekommen – auch das Interesse an der Berufungsverhandlung war groß. Dabei hatte der Protest selbst nur wenige Sekunden gedauert. Lediglich mit einem Slip bekleidet war Witt während des Weihnachtsgottesdienstes auf den Altar gesprungen und hatte die Worte "Ich bin Gott" geschrien. Auf ihre nackten Brüste hatte sie mit schwarzer Farbe die Worte "I am God" geschrieben. Nach kurzer Zeit brachten die Domschweizer die Frau unter ihre Kontrolle.
Witt: Wollte provozieren
Im Anschluss hatte Witt betont, es sei ihr nicht primär darum gegangen, die Gläubigen zu stören. Vielmehr sei es eine Aktion mit politischem Charakter gewesen. Kardinal Meisner - inzwischen im Ruhestand - habe sich mehrfach abfällig über Frauen geäußert, Abtreibung mit dem Holocaust verglichen. "Wir richten uns nicht gegen Gläubige, sondern gegen die Institution und Menschen wie Meisner, die sie nutzen, um Frauen zu unterdrücken", begründete sie gegenüber dem Nachrichtenmagazin "Der Spiegel" ihre Aktion. Sie selbst halte sich nicht für Gott, "das war natürlich eine Provokation". Sie habe jedoch schockieren wollen. Die Erinnerung an eine nackte Frau auf dem Altar sei "ein Bild, das bleibt".
Der Auftritt im Kölner Dom war Teil einer ganzen Reihe von Protesten der Aktivistin. So war Witt bereits im April 2013 an einer "Oben-Ohne-Aktion" gegen den russischen Präsidenten Vladimir Putin bei der Hannover-Messe beteiligt. Kurz vor der Aktion im Kölner Dom hatte sie in der ZDF-Sendung "Markus Lanz" leichtbekleidet gegen die Fußballweltmeisterschaft 2022 in Katar demonstriert.
Doch ob die Aktion nun politisch oder religiös motiviert war: Es gab deutliche Kritik. So verurteilte Alois Glück, der Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken, den Protest als Provokation, die andere habe verletzen wollen. Auch der religionspolitische Sprecher der Grünen, Volker Beck, nannte die Aktion respektlos und eine unnötige Störung der Gläubigen im Gottesdienst. Gelassen kommentierte das Vorgehen dagegen Joachim Meisner: "Wissen Sie", sagte der Kardinal Deutschen Presse-Agentur. "Ich bin 80 Jahre alt. Ich habe so viel erlebt: Erst die Nazizeit, dann die ganze kommunistische Zeit - da kann mich sowas doch nicht schrecken." (mit Material von KNA und dpa)