Das Lob der Tüchtigkeit: Arbeit in der Bibel
Sechs Tage arbeiten und einen Tag ausruhen: Dieses Prinzip prägt bis heute in unterschiedlichen Spielarten den Arbeitsrhythmus zahlreicher Menschen. Über viele Jahrhunderte war es Gang und Gäbe, sechs Arbeitstage in der Woche zu haben. Denn die Fünf-Tage-Woche mit ihren 39,5 Stunden Arbeitszeit ist ja erst eine recht junge Erfindung. Die Sechs-Tage-Woche hingegen findet man schon in der Bibel und zwar ganz am Anfang: Auf den ersten Seiten des Buches Genesis wird erzählt, wie Gott die Welt in sieben Tagen erschafft. Sechs Tage benötigt er, um Himmel und Erde und alles, was auf ihr ist, zu erschaffen. "Und Gott ruhte am siebten Tag, nachdem er sein ganzes Werk gemacht hatte", heißt es schließlich (Gen 2,2). Sechs Tage kommen also der Arbeit zu, ein Tag in der Woche ist Ruhetag. Das ist sozusagen der göttliche Wochenrhythmus, der in diese Schöpfung eingeschrieben ist.
Mit Arbeit hat auch der Mensch von der ersten Stunde seines Daseins an zu tun: Wenn man im Buch Genesis bleibt, wird dort erzählt, dass der Mensch in den Garten Eden gesetzt wird, um ihn zu bebauen und zu kultivieren (vgl. Gen 2–3). Mit anderen Worten: Der Mensch soll sich in der Schöpfung nicht ausruhen, sondern er soll sie sich "Untertan" machen (vgl. Gen 1,28) und zwar im Sinne einer sorgfältigen Kultivierung. Die Schöpfung kann nur "sehr gut" bleiben, wenn es einen "sehr guten" Hüter gibt, der den Segen Gottes, den er selbst empfangen hat, beständig an die Schöpfung weitergibt. Das ist Arbeit! Denn es geht darum, die Schöpfung nicht auszubeuten oder nur für das eigene Dasein auszunutzen. Ziel muss es vielmehr sein, jedem Geschöpf einen Lebensraum zu eröffnen, indem sich seine uranfängliche Gutheit weiter entfalten kann. Es geht darum, das Entwicklungspotential von allem, was in dieser Schöpfung ist, zu fördern. Und zwar in dem Maße, dass auch der Mensch in der Schöpfung leben und existieren kann. Das Behüten der Schöpfung ist die grundlegende und grundsätzliche Arbeit, die dem Menschen von seiner Erschaffung an ins Stammbuch geschrieben ist.
Arbeit bedeutet von diesem schöpfungstheologischen Ansatz ausgehend daher: In dieser Schöpfung so zu wirken, dass die Schöpfung ihre uranfängliche Gutheit bewahren und weiter ausfalten kann. Oder anders formuliert: Arbeit heißt, den Segen, den man selbst vom Schöpfergott empfangen hat, an die ganze Schöpfung weiterzugeben und dafür Sorge zu tragen, dass die ganze Schöpfung unter der Zugewandtheit ihres Schöpfers lebt und existiert. Die Arbeit ist keine Strafe, wie das zum Beispiel im siebten Kapitel des Ijobbuches zum Ausdruck kommt: "Ist nicht Kriegsdienst des Menschen Leben auf der Erde? Sind nicht seine Tage die eines Tagelöhners?" (Ijob 7,1) Oder noch prägnanter im dritten Kapitel der Genesis, in dem der Fall des Menschen beschrieben wird: "Da schickte Gott, der Herr, ihn aus dem Garten Eden weg, damit er den Erdboden bearbeite, von dem er genommen war" (Gen 3,23). In diesem Sinne wird Arbeit als Strafe für ein Vergehen verstanden, das der Mensch begangen hat. Man müsste dementsprechend annehmen, dass es ein uranfängliches Leben des Menschen gab, das keine Arbeit kannte. Folgt man hingegen der Perspektive der Schöpfungsberichte, ist dem Menschen schon von Anfang seines Daseins an eine Arbeit aufgegeben: Nämlich die Sorge um das gemeinsame Lebenshaus. Arbeit ist dementsprechend auch keine Strafe oder Bestrafung, sondern sie verweist auf das, was Schöpfer und Geschöpf gemeinsam haben: Der Mensch übernimmt das Mandat Gottes, für die Schöpfung zu sorgen. Er ist Treuhänder Gottes, der sich in seinem Namen für den Fortbestand der Schöpfung verantwortlich fühlt. Die Arbeit macht deutlich, dass der Mensch eine Gottebenbildlichkeit besitzt, die sich gerade darin konkretisiert, dass dem Menschen wirklich eine Sorge für die Schöpfung anvertraut ist. Und dieser Prämisse ist Arbeit etwas, das auf die Bedeutsamkeit des Menschen und seine enge Beziehung zu Gott verweist. Überall, wo Menschen heute ihrer Arbeit nachgehen, verwirklichen sie in geringerem oder höherem Maß den Auftrag Gottes, die Schöpfung zu kultivieren.
Erhaltung des Lebens
Arbeit ist mit der Erhaltung des Lebens verbunden: "Was deine Hände erarbeitet haben, wirst du genießen", heißt es in Psalm 128 (V. 2). Der Mensch wird daher aufgefordert, weise zu handeln, damit er von seiner Hände Arbeit zehren kann und nicht mutwillig sein Leben und das Leben seiner Familie aufs Spiel setzt. Das Buch der Sprüche regt deshalb an, sich an der Ameise zu orientieren, die im Sommer fleißig Futter sammelt, damit sie im Winter davon zehren kann (Spr 6,6ff): "Wer im Sommer sammelt, ist ein kluger Mensch" (Spr 10,5). Bekannt ist aus dem Buch der Sprüche auch das "Lob einer tüchtigen Frau", das bis heute noch an manchen Heiligengedenktagen als Schriftlesung im Gottesdienst gelesen wird (vgl. Spr 31,10-31). Die Tüchtigkeit erweist sich darin, dass die Frau sorgfältig ihrer Arbeit nachgeht und all das im Haushalt erledigt, was anfällt. Mehr noch: Sie sorgt auch für den Lebensunterhalt der Familie, indem sie Tücher webt und diese auf dem Markt feilbietet. Tüchtigkeit erweist sich – und das gilt für Mann und Frau gleichermaßen – darin, wie sorgfältig ein Mensch einer Arbeit nachgeht und wie gewissenhaft er sie erledigt.
Das Gegenteil von Arbeit ist nämlich die Faulheit und sie wird mit allem Nachdruck abgelehnt: "Das Verlangen des Faulen regt sich vergebens, das Verlangen der Fleißigen wird befriedigt" (Spr 13,4). Faulheit zeugt nämlich von Untüchtigkeit und davon, dass sich jemand auf die Gemeinschaft verlässt, anstatt für die Lebensgemeinschaft zu sorgen. "Die Tür dreht sich in der Angel und der Faule in seinem Bett", kann das Buch der Sprüche daher nur abschätzig urteilen (Spr 26,14).
Dennoch muss Arbeit auch im rechten Maß ausgeübt werden. Sowohl das Alte als auch das Neue Testament lehnen die Anhäufung von Eigentum im Übermaß ab: "Ich werde meine Scheunen abreißen und größere bauen; dort werde ich mein ganzes Getreide und meine Vorräte unterbringen", spricht ein Reicher (Lk 12,18). Doch wenn Gott das Leben des Reichen zurückfordert, kann er nichts mitnehmen. Das letzte Hemd hat bekanntermaßen keine Taschen. Es braucht daher für die Arbeit das rechte Maß: Man darf nicht zu wenig arbeiten, um nicht faul zu werden, aber auch nicht zu viel, um nicht dem Übermut zu verfallen.
Verschiedene Berufe in der Bibel
Übrigens kennt die Bibel auch eine ganze Reihe an unterschiedlichen Berufen, denen Menschen nachgehen. Der bekannteste von ihnen ist wohl Josef aus Nazareth, der einer Beschäftigung als Zimmermann nachgegangen ist. Auch Jesus selbst hat wohl diesen Beruf von seinem Ziehvater erlernt, wenn man Mk 6,3 glauben darf: "Ist das nicht der Zimmermann, der Sohn der Maria (…)?" Wenn man meint, dass Josef und Jesus zusammen Tische hergestellt oder Schränke gezimmert haben, so wie das auf manch romantisierenden Darstellungen zu finden ist, geht man übrigens fehl. Josef hatte einen Beruf, den man früher "Tekton" nannte (vgl. Mt 13,55): Er war Bauhandwerker und konnte damit alles ausüben, was zum Bau eines Hauses nötig war. Und das war tatsächlich etwas mehr als die Herstellung der Innenausstattung in einer Schreinerwerkstatt.
Auch von einigen Aposteln werden uns Berufe überliefert: Simon und Andreas waren Fischer, auch Jakobus, Johannes und Philippus. Matthäus hingegen arbeitete beim Zoll, er war also dafür zuständig, mit Geld umzugehen. Einen anderen Beruf hatte der Apostel Paulus: Von ihm heißt es in Apg 18,3, dass er den Beruf des Zeltmachers ausübte, ehe er sich ganz in den Dienst Christi stellte. Noch eine Vielzahl weiterer Berufe lassen sich in der Bibel finden: Lukas zum Beispiel war Arzt, ein gewisser Tertullus arbeitete als Anwalt (Apg 24,1) und Asaf war wohl das, was man heute Förster nennen würde (vgl. Neh 2,8).