Auch das Asylrecht müsse als "heiliges Recht" geschützt werden

Neymeyr ruft Christen zur Verteidigung der Menschenwürde auf

Veröffentlicht am 09.05.2024 um 09:45 Uhr – Lesedauer: 

Wachstedt ‐ Erfurts Bischof Ulrich Neymeyr hat insbesondere Christen zum Einsatz für die Menschenwürde aufgerufen. Konkret forderte er etwa, die Würde des Menschen "von Anfang bis zum Ende seines Lebens" zu schützen. Auch die Kirche nahm Neymeyr in die Pflicht.

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Erfurts Bischof Ulrich Neymeyr hat alle Christen zum Einsatz für die Menschenwürde aufgerufen. Der Satz von der unantastbaren Würde des Menschen, der in Artikel 1 des Grundgesetzes stehe, müsse heute verteidigt werden – "erst recht von uns Christen", sagte Neymeyr an Christi Himmelfahrt in seiner Predigt zur Männerwallfahrt des Bistums Erfurt im Thüringer Eichsfeld. Der Grundgesetzartikel sei eine Lehre aus der NS-Diktatur, in der die Würde vieler Menschen mit Füßen getreten worden sei. "Juden, Sinti und Roma, Behinderte, Homosexuelle, Menschen mit anderer Hautfarbe, sie galten nicht als Menschen. Ihnen wurde eine Nummer auf den Arm tätowiert. Die Menschenwürde wurde ihnen abgesprochen." Jeder Mensch sei wertvoll, weil er ein Mensch sei – "unabhängig davon, wie er aussieht, was er leisten kann, wie er lebt, auch wenn er ein Verbrecher ist", so der Bischof.

Neymeyr: "Heiliges" Asylrecht verteidigen

Unter anderem rief Neymeyr konkret dazu auf, die Würde geflüchteter Menschen zu schützen: "Wir müssen sie wie Menschen behandeln und über sie reden wie über Menschen." Auch das Asylrecht müsse verteidigt werden. Es sei ein "heiliges Recht" und müsse vor Missbrauch geschützt werden. Zur Menschenwürde gehöre zudem, dass Menschen ihren Lebensunterhalt selbst verdienen könnten. "Das muss möglich sein und dazu muss es auch deutliche Anreize geben. Wir brauchen Arbeitskräfte in vielen Bereichen unserer Wirtschaft und in der Pflege." Das betreffe nicht nur geflüchtete Menschen, sondern auch die vielen Menschen, die aus osteuropäischen Ländern nach Deutschland kämen, weil sie hier für ihre Arbeit besser entlohnt würden. "Es kann doch nicht sein, dass wir über Osteuropäer reden wie die Nazis", sagte der Bischof.

Gekämpft werden müsse darüber hinaus auch für die Würde von Menschen mit anderer Hautfarbe. "Viele leben ja schon lange hier oder haben deutsche Staatsangehörigkeit. Die Hautfarbe zeigt die Buntheit der Schöpfung, die Freude des Schöpfergottes an dieser Vielfalt, aber sie darf doch nicht zu Herabsetzung führen", betonte der Bischof, der zugleich allen Menschen dankte, die sich um Integration bemühten, in aller Welt Hilfe leisteten und Gemeinsamkeit lebten. "Das ist tatkräftiger Einsatz für Menschenwürde!"

"Geht es um ungeborene Kinder oder den deutschen Volkskörper?"

"Und wir müssen auch um die Würde des Menschen von Anfang bis zum Ende seines Lebens kämpfen. Der Kampf gegen Schwangerschaftsabbrüche darf sich nicht im politischen Engagement erschöpfen", sagte Neymeyr weiter. Die Botschaft der Kirche sei, dass es keine abgestufte Menschenwürde gebe. "Der Lebensschutz fängt damit an, einen werdenden Menschen willkommen zu heißen, auch wenn er kein Wunschkind ist." Ohne die AfD beim Namen zu nennen, appellierte der Bischof in diesem Zusammenhang an die Wallfahrer, die Motivation bestimmter Politiker, die für ein Verbot von Abtreibungen einträten, kritisch zu hinterfragen: "Geht es ihnen um die ungeborenen Kinder oder um den deutschen Volkskörper, dem durch Abtreibungen jährlich mehr als 100.000 nicht geborene Kinder fehlen", fragte der Oberhirte.

Die eigene Kirche forderte Neymeyr schließlich dazu auf, die Würde von Menschen mit anderer sexueller Orientierung oder Identität zu wahren. "Es gibt Menschen, die sich mehr zum gleichen Geschlecht hingezogen fühlen. Wer Homosexualität vehement ablehnt, der sollte darauf gefasst sein, dass eines Tages sein Sohn kommt und sagt: 'Ich lebe mit einem Mann zusammen'." Hinzu komme, dass Menschen, die sich ihrer eigenen sexuellen Identität nicht sicher seien, Akzeptanz brauchten. Das heiße allerdings nicht, "dass alle Kinder sich prüfen müssen, ob sie ein Junge oder ein Mädchen sind", sagte Neymeyr wohl mit Blick auf die Debatte um das vor Kurzem vom Bundestag verabschiedete Selbstbestimmungsgesetz. (stz)