Die jetzige Form der Erstkommunionkatechese ist missionarisch impotent
Regionen scheint es zu geben in Deutschland, in denen steht seit 2010 die Zeit still. Zumindest was die Erstkommunionkatechese betrifft. Von 2010-2012, vor mehr als zwölf Jahren also, wurden die Daten erhoben, die DFG-gestützt der Erstkommunionkatechese eine hohe Wirksamkeit bei der Förderung der Beziehungsqualität in Eltern- und Kindgruppen im gemeindlichen Kontext attestierte. Was die drei Religionspädagogen Albert Biesinger, Reinhold Boschki und Bernd Hillebrand – übrigens auch Autoren des vielleicht meistverkauften Kursbuches zur Kommunionvorbereitung – in ihrem Beitrag über die Eucharistiekatechese schreiben, entspricht heute in keiner Weise der Realität in der Praxis. Zumindest nicht in der nordwestdeutschen Diaspora.
Hier ist die demografische Situation völlig anders als beschrieben. Viele der Eltern in den Kommunionfamilien haben einen Migrationshintergrund. Sie sprechen nur wenig Deutsch, sind weit davon entfernt, gemeinsam singen zu können oder komplexe FamilienBeziehungsBücher mit ihren Kindern durchzuarbeiten. Zudem arbeiten in den meisten Familien beide Eltern, nicht selten in prekären Beschäftigungsverhältnissen, im Schichtbetrieb, am Wochenende. Ich habe Väter erlebt, die bei den verpflichtenden Eltern-Treffen einschlafen. Manche Eltern schicken stattdessen ältere Geschwister. Hier von der Meditation zu einem Nolde-Bild eine familienorientierte religiöse Bildung aller Beteiligten zu erwarten, ist meines Erachtens eine religionssoziologische Fehleinschätzung auf dem Hintergrund bildungsbürgerlicher Milieuverengung.
Katechese kann heute nur der mögliche nächste Schritt in Sachen Glaubensentwicklung sein. Dieser Schritt ist für Kinder, Eltern und Familien immer individuell. Eine glaubensdidaktische Differenzierung spricht nicht gegen Gemeinschaftserfahrungen, im Gegenteil. Kinder machen in Schule und Religionsunterricht, im Sportverein und Freundeskreis jederzeit gemeinsame Lernerfahrungen, die durchaus differenzieren im Blick auf Fähigkeiten und Fertigkeiten der Lernpartner. Beziehungen beim Weg zur Erstkommunion und beim Glaubenlernen gelingen meiner Erfahrung nach in Patenschaften, kleinen Weggemeinschaften und freiwilligen Netzwerken viel nachhaltiger als bei Großgruppentreffen in Pastoralräumen und mit dem Bischof. Katechese ohne konsequente didaktische Differenzierung ist aus meiner Sicht heute ein religionspädagogisches Missverständnis.
Weniger als zehn Prozent erreicht
Und zuletzt: Der Anteil der Kinder und Eltern, die sich für den Weg zur Erstkommunion entscheiden, sinkt selbst unter den katholischen Familien rapide. Mit der Erstkommunionkatechese erreichen wir in der Diaspora inzwischen weniger als zehn Prozent der Kinder einer Alterskohorte. Trotzdem hat die Erstkommunionkatechese in vielen Pfarreien absolute Priorität angesichts vieler anderer Entscheidungen und Termine. Sie beschäftigt leider angesichts sinkender Personalressourcen pastorale Mitarbeiterinnen mit mehr als 100 Prozent ihres Beschäftigungsumfangs für einen Großteil des Jahres. Die katholischen Familien, die sich gegen den Weg zur Erstkommunion entscheiden, erfahren ebenso wenig vom Evangelium wie alle Nichtchristen. Weil wir leider keine Zeit und keine Kraft mehr haben. Die Kommunionfamilien aber nehmen trotz leuchtender Kinderaugen und spiritueller Verzauberung beim Familienfest keine dauerhafte Beziehung zur Gemeinde oder zu Jesus Christus auf. Zugespitzt gesagt: Die jetzige Form der Erstkommunionkatechese macht missionarisch impotent.
Wir brauchen, das ist meine feste Überzeugung, eine Transformation und keine Optimierung (Jan Loffeld) der Katechese. Fangen wir endlich damit an. Die konsequente Individualisierung und Differenzierung ist nur ein erster Schritt.
Der Autor
Dominik Blum ist Pfarrbeauftragter in der Katholischen Pfarreiengemeinschaft Artland im Bistum Osnabrück.