Schwester Johanna Domek über das Sonntagsevangelium

Sich Zeit nehmen – zu verstehen und zu leben

Veröffentlicht am 01.06.2024 um 12:15 Uhr – Lesedauer: 
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Köln ‐ Das heutige Evangelium lehrt uns das Gebot, den Sabbat zu heiligen. Doch Schwester Johanna Domek versteht das nicht als eine "Zwangsjacke": Es geht nicht um das buchstäbliche Befolgen von Geboten, sondern darum, frei und offen zu bleiben für Gott und unsere Mitmenschen.

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Wir leben mit vielen Gefährdungen. Dass wir den Sabbat oder den Sonntag als heilige Zeit zu ernst nehmen, ist heute keine Gefahr, im Gegenteil. Um im guten Sinn etwas ernst zu nehmen, gehört es unbedingt, dass wir verstehen, worum es geht. Natürlich wird das Verständnis bei Menschen, können die Schwerpunkte, die wir setzen, sehr verschieden sein. Heute unter uns wie damals bei Jesus und seinen Begleitern und Begleiterinnen und den Pharisäern und ihren Anhängern. In der jüdischen Tradition haben Streitgespräche seit jeher einen hohen Wert, auch wenn das nicht heißt, dass alle gleich gut gelingen. Niemand sollte sich davon jedoch entmutigen lassen. Wir bleiben Übende.

Was können wir da heute besser zu verstehen lernen? Nach dem Gebot des Buches Deuteronomium soll der Sabbat ein heiliger Tag, ein Ruhetag sein. Er erinnert an den 7. Tag der Schöpfung, an dem Gott ruhte und an die Befreiung aus der Knechtschaft in Ägypten (Dtn 5,12-15). Buchstäbliches Befolgen von Geboten ist nicht der primäre Sinn des Gebotes, entspricht nicht dem Willen Gottes. Gott will uns im Gebot des Sabbats ermöglichen, frei zu bleiben und, wo Leben durch Not und Unheil gefährdet ist, das jetzt Gute zu tun. Er will, dass wir, bei allem, was uns alltäglich einspannt und mit Beschlag belegt, frei bleiben für das Wichtige und das Nötige, frei bleiben für die Zuwendung zu Gott und den Blick für den Menschen neben mir. Jesus stellt sein Verhalten in die Spur Davids, der seinen Begleitern erlaubte die Schaubrote zu essen, die eigentlich nur den Priestern vorbehalten waren (vgl. Lev 24,9).

Die Regeln sind eine Seite unserer Wirklichkeit, sie haben ihren Sinn. Aber nur, wenn ich den immer besser zu verstehen lerne, kann ich den Sinn finden und neu und aktuell angemessen erfüllen. Die Normen, die zu allen Zeiten jede Gesellschaft hat, sind nie ein für allemal passenden Zwangsjacken, sondern Orientierungen für unser Miteinander. Es lohnt sich an einem ruhigen, freien Tag bei sich selbst darauf zu schauen, was für mich mit meinen vielfach unausgesprochenen Normen und Vorstellungen maßgeblich ist. Es lohnt sich, mich selbst gelegentlich zu fragen, ob sie mir helfen und wo sich mich hindern, frei zu bleiben für das nötige Gute im Miteinander. Steigen wir immer wieder einmal aus und lassen den Betrieb der Alltage auf sich beruhen, nehmen wir uns die Zeit zu verstehen und zu leben, was es gilt, nicht aus dem Blick zu verlieren.

Evangelium nach Markus (2,23-3,6)

An einem Sabbat ging Jesus durch die Kornfelder und unterwegs rissen seine Jünger Ähren ab.
Da sagten die Pharisäer zu ihm: Sieh dir an, was sie tun! Das ist doch am Sabbat nicht erlaubt.
Er antwortete: Habt ihr nie gelesen, was David getan hat, als er und seine Begleiter hungrig waren
und nichts zu essen hatten, wie er zur Zeit des Hohepriesters Ábjatar in das Haus Gottes ging und die Schaubrote aß,
die außer den Priestern niemand essen darf, und auch seinen Begleitern davon gab?
Und Jesus sagte zu ihnen: Der Sabbat wurde für den Menschen gemacht, nicht der Mensch für den Sabbat.
Deshalb ist der Menschensohn Herr auch über den Sabbat. Als er wieder in die Synagoge ging, war dort ein Mann mit einer verdorrten Hand.
Und sie gaben Acht, ob Jesus ihn am Sabbat heilen werde; sie suchten nämlich einen Grund zur Anklage gegen ihn.
Da sagte er zu dem Mann mit der verdorrten Hand: Steh auf und stell dich in die Mitte!
Und zu den anderen sagte er: Was ist am Sabbat erlaubt – Gutes zu tun oder Böses, ein Leben zu retten oder es zu vernichten?
Sie aber schwiegen.
Und er sah sie der Reihe nach an, voll Zorn und Trauer über ihr verstocktes Herz, und sagte zu dem Mann: Streck deine Hand aus!
Er streckte sie aus und seine Hand wurde wiederhergestellt.
Da gingen die Pharisäer hinaus und fassten zusammen mit den Anhängern des Herodes den Beschluss, Jesus umzubringen.

Die Autorin

Sr. Johanna Domek OSB ist seit mehr als 40 Jahren Benediktinerin in Köln-Raderberg, wo sie in der Kurs- und Exerzitienarbeit tätig ist. Darüber hinaus ist sie Beauftragte des Netzwerks alternde Ordensgemeinschaften und hat zahlreiche Publikationen zum Thema Spiritualität veröffentlicht.

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