Bekommt Deutschland bald ein 28. Bistum?
Bekommt Deutschland ein neues katholisches Bistum? Gut möglich. Dem Heiligen Stuhl liegt seit Monaten die offizielle Bitte der Ukrainischen griechisch-katholischen Kirche (UGKK) vor, die Apostolische Exarchie für die katholischen Ukrainer des byzantinischen Ritus in Deutschland und Skandinavien in den Rang einer Eparchie (Diözese) zu erheben. Richtig publik machte dies der Kiewer Großerzbischof Swjatoslaw Schewtschuk erst Ende Mai während eines Gottesdienstes in der Münchner Kathedrale Maria Schutz und Heiliger Andreas zum 65-jährigen Bestehen der Exarchie.
In der überfüllten, 1976 geweihten Kathedrale gab das Oberhaupt der UGKK bekannt, dass das oberste Leitungsgremium, die Bischofssynode, bereits im September 2023 beschloss habe, aus der Exarchie eine Eparchie zu machen: "Wir haben diese Entscheidung Seiner Heiligkeit Papst Franziskus zur Prüfung vorgelegt."
Eine Exarchie und das Synonym Exarchat stellen kirchenrechtlich eine Vorstufe zu einer vollwertigen Diözese dar. "65 Jahre Exarchat sind ein bisschen zu lang", so Schewtschuk. Ein Exarchat sei die "Keimzelle einer Diözese" und "der erste, vorläufige Schritt". Am Ende entstehe daraus eine vollwertige Diözese, "in der der Bischof alle notwendigen Rechte und Kompetenzen eines regierenden Bischofs hat und nicht Gast, sondern Vollmitglied der Deutschen Bischofskonferenz ist".
Die deutschen Bischöfe wirken zurückhaltend
Der Großerzbischof äußerte die Hoffnung, dass alle römisch-katholischen Bischöfe Deutschlands die Entscheidung der Synode der UGKK unterstützen. Er wünsche sich, bald nach München zurückkehren zu können, um an der Inthronisierung des heutigen Exarchen Bohdan Dzyurakh als erstem Bischof der Eparchie teilzunehmen.
Schewtschuk und Dzyurakh klingen in dieser Angelegenheit forsch. Die deutschen Bischöfe hingegen wirken eher zurückhaltend oder klammern das Thema in der Öffentlichkeit aus. Passaus Bischof Stefan Oster verlor in seinem Grußwort bei der Göttlichen Liturgie in München kein Wort darüber. Als Vertreter der Deutschen Bischofskonferenz würdigte Oster die pastorale Arbeit der Exarchie und lobte die Zusammenarbeit Dzyurakhs mit den römisch-katholischen Bischöfen.
Wie steht nun die Deutsche Bischofskonferenz zu der Initiative der UGKK zur Errichtung einer Eparchie in Deutschland? DBK-Sprecher Matthias Kopp antwortete der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) so: "Das Dikasterium für die Orientalischen Kirchen hat die Deutsche Bischofskonferenz um eine Stellungnahme gebeten zu der von der Bischofssynode der Ukrainischen griechisch-katholischen Kirche an den Heiligen Stuhl herangetragenen Bitte, die Apostolische Exarchie für die katholischen Ukrainer des byzantinischen Ritus in Deutschland und Skandinavien in den Rang einer Eparchie zu erheben. Die Deutsche Bischofskonferenz wird diese Stellungnahme so bald wie möglich abgeben. Zuvor ist jedoch eine Reihe von komplexen staatskirchenrechtlichen Fragen und praktischen Auswirkungen zu prüfen und zu erörtern, die mit einer solchen Entscheidung verbunden wären."
Sonst keine weiteren Informationen. "Es handelt sich um einen internen Beratungsprozess, über den wir keine Auskunft geben. Über Ergebnisse des Beratungsprozesses stehen wir mit der Exarchie im Austausch", so Kopp. Kardinal Reinhard Marx hatte beim Festakt zum 50-jährigen Gründungsjubiläum der Exarchie 2009 noch daran erinnert, dass schon 1943 der Apostolische Visitator für die ukrainischen Katholiken im Deutschen Reich, Petro Werhun, die Bitte aussprach, Rom möge für Deutschland eine ukrainische Eparchie errichten.
Als Münchner Erzbischof sagte Marx damals mit Blick in die Zukunft, "dass bei anhaltender Steigerung der Mitgliederzahlen aus der Exarchie eine Eparchie, das heißt Diözese werden könnte, wie dies in anderen Staaten der westlichen Welt bereits der Fall ist". In Deutschland gehörten der Exarchie bereits mehr Katholiken als dem Bistum Görlitz an, erklärte er.
"Warum sollte Deutschland diskriminiert werden?"
2009 zählte die Exarchie laut dem damaligen Päpstlichen Jahrbuch 51.000 Katholiken. Das diesjährige Annuario Pontificio gibt für das Exarchat 150.000 Gläubige und 65 Priester an. Es umfasst neben Deutschland auch Dänemark, Schweden, Norwegen, Finnland und Island. Schewtschuk sprach von 107 Pfarreien und Seelsorgeeinrichtungen, in denen aktuell 49 Priester, drei Diakone und sieben Ordensfrauen tätig seien. Zum Vergleich: Zum Bistum Görlitz gehören weniger als 30.000 Katholiken.
Als Vorbild für die Statusänderung der Exarchie gilt die Erhebung der Exarchate der UGKK in Großbritannien und Frankreich zu Eparchien durch Papst Benedikt XVI. im Januar 2013. Auch in Polen verfügt die ukrainische Kirche über Diözesen: die Erzeparchie Przemysl-Warschau und zwei Eparchien. In Italien dagegen wurde erst 2019 ein Apostolisches Exarchat errichtet. Eine Eparchie scheint dort noch in weiter Ferne. Selbst in der Ukraine gibt es neben den Diözesen fünf griechisch-katholische Exarchate, etwa in Charkiw im Nordosten und in Luck im Nordwesten.
Schewtschuk gibt sich optimistisch, dass Franziskus die Exarchie in Deutschland und Skandinavien zur Eparchie erheben wird. "Die in Deutschland nun seit 65 Jahren bestehende provisorische Strukturform eines Exarchats wirkt anachronistisch", sagte er in einem KNA-Interview. "Die Zahl der Gläubigen hier stieg wegen des russischen Angriffskriegs stark an. Wenn der Heilige Vater 2013 den Status für Frankreich und Großbritannien geändert hat, warum sollte Deutschland diskriminiert werden?"
Die Professorin für Ostkirchenkunde und Ökumenik Regina Elsner von der Universität Münster sieht in einer Erhebung zur Eparchie vor allem einen symbolischen Akt. "Worum es eigentlich geht oder gehen sollte: eine Gleichstellung der Eparchie mit den anderen Bistümern und eine Einbindung des Bischofs als stimmberechtigtes Vollmitglied der Deutschen Bischofskonferenz", sagte sie der KNA. "Dafür müssten die Statuten der Bischofskonferenz geändert werden, und das hat Auswirkungen auf andere Fragen – Kommissionen, Finanzen, etc. Dies möglichst umfassend vor einer Entscheidung zu klären scheint mir angemessen."
Die UGKK verdiene eine "größere, öffentlich sichtbare Würdigung innerhalb der deutschen katholischen Kirche", insbesondere für ihre Seelsorge für Geflüchtete aus der Ukraine, so Elsner. Gegen die Errichtung einer Eparchie spreche nichts, "aber mir scheint, dass man die potenziell schwierigen Aspekte nicht ausblenden darf". Dazu gehörten eventuell Fragen der inneren Organisation und Dynamiken der Bischofskonferenz, wenn die Erhebung zur Eparchie mit einer Aufnahme als Vollmitglied des Bischofs einhergehe. Eine Frage sei auch, "wie andere katholische Ostkirchen, die es in Deutschland ja auch und teilweise eher unsichtbar gibt, diesen Schritt wahrnehmen und sich eine ähnliche Wertschätzung wünschen".
Elsner wünscht transparenten theologischen, ökumenischen Diskurs
Elsner hält es im aktuellen Kontext der angespannten Lage zwischen den verschiedenen orthodoxen Kirchen in der Ukraine und im Ausland für bedenkenswert, wie eine solche symbolische Aufwertung der UGKK ökumenisch aufgenommen werde. "Es gibt Fälle, wo geflüchtete orthodoxe Gläubige aus verschiedenen Gründen in Gemeinden der UGKK eine neue Heimat finden. Es gibt aber auch Fälle, wo Angehörige der UGKK parteiisch die orthodoxen Kirchen der Ukraine gegeneinander ausspielen, wenn es etwa um Räume für Gottesdienste geht. Die Geschichte der Beziehungen zwischen diesen Kirchen ist sehr komplex und stark belastet durch gegenseitige Verletzungen. In einem Prozess der Aufwertung der UGKK sollten diese Aspekte zumindest gut bedacht werden, um keine neuen und tieferen Gräben zu verursachen", so die Ostkirchenexpertin.
Elsner wünscht sich einen transparenten theologischen, ökumenischen Diskurs, damit das Wissen der Fachleute zu dieser Kirche, ihren Besonderheiten, ihrer Geschichte auch in den Gemeinden und Bistümern besser bekannt werde und damit möglichst viele Menschen in der katholischen Kirche verstünden, worum es in dieser Frage gehe: "Die kirchenrechtlichen Fragen kann man schnell beantworten, aber die pastoralen, ökumenischen und gesellschaftlichen Auswirkungen sollten möglichst breit besprochen und erklärt werden."
Der Apostolische Nuntius in Deutschland, Erzbischof Nikola Eterovic, war selbst von 1999 bis 2004 Vatikanbotschafter in der Ukraine und empfing dort 2001 Papst Johannes Paul II. zu dessen Apostolischem Besuch. In seinem schriftlichen Grußwort zum 65-jährigen Bestehen der Apostolischen Exarchie in Deutschland und Skandinavien erwähnte Eterovic jedoch mit keinem Wort die Bitte der UGKK an Franziskus, eine Eparchie zu errichten.